Kurzgeschichten aus Südwestafrika

Nach Manuskripten von Gottreich Hubertus Mehnert, Rittmeister der Kaiserlichen Schutztruppe
13532
99916-782-8-X
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€19.95 *
Kurzgeschichten aus Südwestafrika

Herausgeber: Bernd Kroemer
Glanz & Gloria Verlag
Windhoek/Namibia, 2005
ISBN: 99916-782-8-X
Broschur, 15x21 cm, 76 Seiten, 8 sw-Fotos

Unsere Beschreibung:

Dies ist eine Sammlung von Geschichten nach Manuskripten und Tagebucheinträgen des kaiserlichen Offiziers Gottreich Hubertus Mehnert (1880-1967), der 1904 mit der Schutztruppenach Deutsch-Südwestafrika kam und bis zu seinem Lebensende blieb. Mehnerts Aufzeichnungen reflektierten dessen Eindrücke von den Einwohnern und deren Lebensgewohnheiten, seine Kriegs- und Leidenserlebnisse und spätere Erlebnisse auf Farm und Jagd.

Inhalt:

- Über Gottreich Hubertus Mehnert
- Spitzenreiter
- In der Hexenküche der Steppe
- Um Ehre und Ruf
- Erwischt
- Leopardenüberfall
- //Kui-Kams
- Treu bis in den Tod
- Besuch auf einer Farm in Deutsch-Südwest-Afrika
- Auf der Farm
- Ein Tag aus unserem afrikanischen Jagdparadies

Aus „Spitzenreiter“:

Aus dem Eingeborenenaufstand 1904 - 1906

Vor einer im Felde liegenden, marschbereiten Kolonnenstaffel hebt der führende Wachtmeister seinen Arm: „Achtung"! In Haltung erwarten sechzig Unteroffiziere und Reiter der Schutztruppe das Ausführungskommando: „Marsch!"

Während nun der Staffelführer prüfend neunzehn, mit je acht Maultieren bespannte Fahrzeuge und mehrere auf Pferden berittene Unteroffiziere und Meldereiter an sich vorübermarschieren lässt, galoppieren zwei Spitzenreiter nach vorn, damit sie der Staffel den unbekannten Weg bahnen und die Sicherung vor dem Feind übernehmen können. Es ist der Vizewachtmeister mit seinem Meldereiter, beides sind junge Männer mit Vollbärten. Aus ihren ernsten und harten Gesichtsausdrücken spricht Pflichterfüllung und Furchtlosigkeit. Ihre Pferde sind zwei gedrungene, anspruchslose Masurenstuten, die sich, wie ihre Reiter, vor Tod und Teufel nicht fürchten. Marschieren sie doch fast täglich, schon wochen- und monatelang und schon im Hereroaufstand, durch buschbewachsene Grassteppe und waldartige Baumbestände, dem tückischen Feind entgegen, der mit Vorliebe zu einem überraschenden Angriff aus irgendeinem Hinterhalt vorzustoßen pflegt.

„Passen Sie links auf, Schilling, ich tue dies rechts", sagte der Vizewachtmeister zu seinem Meldereiter. Dann klopft er seiner braunen Stute, der Bertha, gut zuredend den Hals. Denn das, was beide Reiter nicht erspähen, wittern die feinfühligen Pferde, die den Feind nur zu oft melden. Die Spitzenreiter sprechen wenig und das, was sie sich zu sagen haben, flüstern sie sich zu. Ihre an die Umgebung gewöhnten Augen schweifen nach vorn, links und rechts und suchen den roten Kalaharisand nach frischen Spuren ab. Sie zucken zusammen, wenn ein aufgeschrecktes Gackelhuhn zum Himmel lärmt und sind mürrisch über das laute Geschrei, das die schweigende Steppe mobil macht; denn der hübsche Vogel warnt oder verrät Feind oder Freund.

Ein üppig bewachsener Sandhügel sperrt den Reitern die Aussicht. Der Vize gibt seinem Pferd eine halbe Parade: „Gallop, Bertha!" Oben steigt er vom Pferd und späht durch sein scharfes Glas hinein in die schier unendliche Kuduebene. In der Sonnenwärme flimmert die erhitzte Luft, der lange gebogene Strich in der Steppe ist die Pad zur Wasserstelle Oas am Rande der kleinen Kalahari. Unweit seines Standortes ist ein Wegweiser der nach Oas zeigt, eine Tafel aus einem Kistenbrett, angebracht, das mit Bleistift beschrieben, den Unkundigen mit wenigen Worten vor dem Beschreiten des Weges warnt:

Wanderer, der Du willst schreiten
Von hier aus nach Hoachanas,
Beichte vorher Deine Sünden,
Denn niemand kann wissen,
Ob Du je Hoachanas wirst finden!"

Darunter steht der Name des Leutnant Schnockel, der, ein bekannter tüchtiger Staffelführer, mit seinem Truppenteil auf diesem Wege Schweres zu ertragen hatte. Lautes Knallen der langen Schwippeitschen und hartes Anrufen der Tiere, die hier schon Mühe haben, die Last auf diesen sandigen Hügel zu ziehen, lässt dem Vize, der sich als zweitältester Vorgesetzter auch verantwortlich fühlt, sorgenvolle Gedanken kommen. Auf seinen Meldereiter Schilling wartend, kerbt er sich eine Pfeife voll schweren, süßen Plattentabaks und raucht davon einige Züge. Dann reitet er mit Schilling in den unbekannten Weg hinein. Beide Spitzenreiter machen sich Gedanken über die warnenden Zeilen der Wegtafel. Ist doch die Staffel ohne Offiziere, diese sind bereits tot oder krank zurückgeblieben. Ein Wachtmeister ist deshalb Führer dieses großen Truppenteils, der nicht durchhalten wird, wenn es hart auf hart geht.

Leider kam es so, wie es die Reiter befürchtet hatten: Die Staffel fuhr sich fest in den vierzig hohen Sanddünen, die sich über den Weg von Oas nach Hoachanas legen. In tropischer Sonnenglut quälen sich, vier Tage lang ohne Wasser, Menschen und Tiere ab, aus dieser Hölle herauszukommen. Der staffelführende Wachtmeister verlor schon am zweiten Tag die Nerven. Er reitet zur Missionsstation Hoachanas vor und überlässt es dem Vizewachtmeister, die Staffel aus den Dünen herauszuführen. Da hier die Gefahr zu verdursten größer war als vom Feinde angegriffen zu werden, wird die Spitze eingezogen. Die beiden Spitzenreiter griffen helfend ein, hier und da anordnend oder zufassend. Sie holen die vom Durst geplagten Reiter, die wassersuchend in den Dünentälern herumirren, zu den Fahrzeugen zurück, damit sie den Rest ihrer Kraft nicht durch zweckloses Suchen vergeuden. Schilling reißt einem tobsüchtigen Reiter einen mit Eisen beschlagenen Piquetpfahl aus den Händen, mit dem dieser in seiner Verzweiflung auf die gänzlich erschöpften Tiere einschlägt, die zusammengedrängt und in den Geschirren verwickelt, ihre Qualen dadurch lindern, dass sie die Köpfe in die Büsche stecken, um etwas Schatten zu bekommen.

Der Fahrer wirft den Piquetpfahl aus seinen Händen und verzweifelnd sich selbst zur Erde: „Die Viecher lassen sich eher totschlagen, als dass sie einen Schritt vorwärtsgehen!" In dieser Not hat sich die Staffel weit auseinandergezogen. Meist stehen zwei Fahrzeuge in den windstillen Dünentälern am Fuß der ansteigenden Düne oder halbwegs hinaufgekommen im weichen tiefen Sand. Die Tiere liegen, und die noch auf den Beinen stehen, hängen die Köpfe in die Büsche oder stecken sie unter die Leiber ihrer Leidensgefährten. Stöhnend und heisergeschrieen sitzen, ohne Waffenrock, keinem Soldat mehr ähnlich, die Reiter und Fahrer neben ihren Tieren und sind nicht mehr fähig, ihren Vorgesetzten Rede und Antwort zu stehen. Einige Fahrzeuge sind von ihren Fahrern verlassen. Sie gingen viele Kilometer zurück, um dort Tsamas zu holen, von denen ihnen ein Buschmann der Heliographenstation in Oas erzählt hatte, dass man mit dem Saft dieser wildwachsenden Melone den Durst löschen könne. Alles das, was flüssig ist, wird getrunken. In der Sonnenglut erweichte Butter, die, da gesalzen, nach dem Trinken den Durst zum Wahnsinn steigerte. Braungelber Urin, wenn es auch nur noch wenige Tropfen waren, zu dem man scharfe Essigessenz tropfte, lockte Kameraden herbei, die erpicht waren, davon abzubekommen. Aufgeregt und atemlos meldet ein Reiter der letzten Fahrzeuge, dass die Reiter Bohne und Barlach sich nicht scheuten, giftiges Sublimatswasser schluckweise zu nehmen, das bei den Wagen gebraucht wurde, um die Wunden der Tiere zu waschen, die vom Durchscheuern der Geschirre entstanden. Zum Glück dieser beiden Reiter wurde noch ein Rest eingedickter Dosenmilch bei einem Fahrzeug gefunden. Sie linderte die brennenden Schmerzen und verhütete Schlimmeres.

In den heißen Sanddünen hält sich kein Wild auf, selbst Vögel und Eidechsen scheinen der Hitze zu entfliehen, nur Zikaden. schrillen, dass den Menschen die Ohren summen. Kein Mensch tritt aus, kein Tier stallt oder mistet. Wer hier den Mut nicht aufbringt, einen Willen zu zeigen, bleibt erbarmungslos liegen, um zur Mumie einzutrocknen. Doch jedes Mal mit dem Verschwinden der alles verderbenden Sonne erheben sich die Menschen, auch die Tiere schöpften neuen Lebensmut. In den kühlen Nächten wird Fahrzeug um Fahrzeug mit doppelter Bespannung aus den Dünentälern auf die hohen Sandkämme gezogen. Am frühen Morgen des vierten Tages ohne Wasser, steht endlich das letzte Fahrzeug auf der letzten Düne. Mit Sonnenaufgang führen die Spitzenreiter einen Teil der Fahrzeuge, auf denen die erschöpften und erkrankten Mannschaften liegen, und die nicht eingespannten Maultiere dem Orte Hoachanas zu.

Langsam schwankend, strebt die müde Truppe der Kirche zu, die in weiter Ferne kündet, dass vorn Wasser zu neuem Leben vorhanden sei. Und endlich ist es soweit, dass nach einigen Marschstunden der Ort Hoachanas erreicht wird. Wasser witternd, drängen die nicht eingespannten Maultiere an den Spitzenreitern vorbei. Die auf erschöpften, eingefallenen, strauchelnden Pferden sitzenden Reiter blicken aus tiefliegenden Augen und von der Sonne verbrannten Gesichtern auf, als sie den Spiegel einer Wasserpfütze zu Gesicht bekommen. Schmerzhaft verzieht der Vize das Gesicht, denn in den Dünen tropfte er sich Essigessenz auf Zucker und verbrannte sich die Lippen, die anschwollen und vereiterten. Am Rande der schmutzigen Pfütze knieten die Tiere saufend, neben ihnen liegen die Reiter. Sie trinken, ohne auf die Worte des Missionars Judd zu achten, der sie händeringend vor diesem stinkenden Wasser warnt: ,,Liebe Menschen, hört doch", ruft er ihnen immer wieder zu, „nur fünfzig Schritt weiter ist doch das schönste Wasser"!

Da gab es einen Wellenschlag. Ein Maultier hatte sich tot gesoffen und stürzt in die Jauche zu einem dort längst liegendem stinkenden Ochsenkadaver. Nach dem Löschen des Durstes erheben sich Menschen und Tiere. Sie schleichen zu den Fahrzeugen und werfen sich nieder, um Ruhe zu finden. Erst am Nachmittag geht ein Mann nach dem anderen zum frischen Wasser am Missionsgarten, wo sie Kochgeschirre und Wassersäcke füllen; denn der Hunger stellt sich ein, der mit dem Durst ausgeblieben war. Am nächsten Tage marschierte der Vize mit den Mannscharten und Tieren, die sich inzwischen erholt hatten, noch einmal
hinaus, in die verhassten Sanddünen. Es galt, die hier stehen gelassenen, vollbeladenen Fahrzeuge zum Ort Hoachanas hereinzuholen. Nach folgender Nacht rüstet sich die Staffel zum Weitermarsche. Für die in den Sanddünen verdursteten Maultiere werden Reservetiere eingespannt und, noch bevor die Sonne aufging, sitzen die Spitzenreiter wieder im Sattel und führen die Staffel hinaus aus dieser hübschen Missionsstation und grüßen den Mann, der hier sein Leben lang eine Oase in der trostlosen Steppe schuf.

Sie blicken hinauf zu den alten Palmen, die er aus dem Kern zog und die nun ihren Schatten auf das schmucke Kirchlein werfen. Gestern reichte er ihnen herrliche Weintrauben, Feigen und Maulbeeren, soviel sie essen wollten. Er grüßt zurück, er, der für seine Gemeinde sorgte, die ihn bis auf wenige verlassen hat; denn auch die Namas der roten Nation haben sich den aufständischen Witboois angeschlossen, dazu ihre Weiber und Kinder in den nahen Sanddünen versteckt. Zu einem Teil wurden sie einige Monate später von den Spitzenreitern beim Wasserholen überrascht und gefangengenommen. Der aufgehenden Sonne schreiten die Pferde entgegen. Der Weg führt durch eine hügellose Buschsteppe, in der, wie vom Himmel gefallen, faustgroße runde Kieselsteine liegen. Die Reiter freuen sich über den Ruf der Geckos und das Balzen der Klapperlerche, die vor ihnen immer wieder baumhoch flügelschlagend zum Himmel steigt, um absteigend pfeifend zur Erde zu schweben. Ein fast endloses Rudel Springböcke zieht aus nächtlicher Äsung zu einer großen Pfanne, auf der es Posten ausstellt, die die vegetationslose Fläche sichernd überblicken. An den Zügeln reißend, springen die Pferde von der Pad. Eine giftige, gelbe Kobra, selbst erschrocken, hat sich zur Abwehr erhoben. Der Vize gleitet vom Pferd, legt kniend zum Schuss das Gewehr an......Womm, unter dem Hals, durch das Rückgrat getroffen, windet sich die Schlange im Todeskampf!

„Pad frei!" Mit dem Seitengewehr wirft er das Reptil auf einen Busch in der Steppe. Langsam folgt die Staffel. Die Tiere sind noch müde von den Anstrengungen in den Sanddünen. Nach der nun folgenden Rast in der Mittagszeit reiten die Spitzenreiter, bereits in später Abendstunde, zum Hügel hinauf, zur Wasserstelle an das Farmhaus Lidfontein heran. Sie hören das Entsichern einiger Gewehre und werden vom Dach des Hauses angerufen: „Wer da?" Schnell wechselt man das Parolewort, dann steigen vom Dach zwei Patrouillenreiter vom Regiment Estorff, deren an der Sterbe verendete Pferde, neben den Sätteln im Farmzimmer liegen, die sie, des Feindes wegen, in das Haus gebracht hatten. Drei Tage schon warten die Reiter, auf dem sonnenerwärmten Wellblechdach liegend, auf Rettung. Sie haben keinen Proviant und legten sich platt auf das Dach, wenn flinke Namareiter zum Wasser galoppierten. Nach dem Tränken, noch in selbiger Nacht, marschiert die Staffel weiter. Vor Schürfpenz wiehert leise die ,,Liese" von Schilling. Freunde nahen; hastig ruft man sich das Erkennungswort zu: „Sedan - Sedan!" Dann meldet ein Patrouillenführer und teilt mit, dass in der Dunkelheit der Feind die Staffel begleite, die nunmehr aufmarschiert, um zu übernachten - um noch vor Tagesgrauen wieder aufzubrechen.

Sie täuschen den Feind, denn sie marschieren weiter, gegen die allgemein gültigen Regeln. Als am nächsten Morgen die Reiterscharen des Feindes die verloren gegangene Zeit im Galopp einholen, hatte die Staffel kurz zuvor in Schürfpenz am Wasser getränkt. Der Feind tat das Gleiche, und da schlägt Granate um Granate hinein in die am runden kleinen Teich auf ihren Pferden sitzenden schwarzen Reiter. In wilder Flucht jagt der Feind an der Staffel vorbei zum östlichen Hang hinauf. Vorn an der Spitze drückt der Vize seinem Meldereiter das Gewehr nieder, denn er möchte nicht, dass eins der schönen Pferde, auf denen der Feind sitzt, verwundet wird. Hei, wie diese leichten Reiter auf guten Pferden dahinjagen, wie sie auf den Hälsen ihrer Pferde liegen, die ihre langen Schweife, wie Fahnen, im Winde nach sich ziehen! Beim Feind stürzt ein Pferd, fällt ein Reiter. Der Kapitän selbst reitet verwundet weiter, denn ein Stahlstück einer Granate riss ihm die Bauchhaut auf. Kaum, dass die Reiter wieder auf ihren Pferden sitzen, sehen sie, wie sich weit vorn eine Staubwolke über die Pad hinzieht.[...]

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