70 Jahre erlebte Afrikanistik

Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte
Dammann, Ernst
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€34.00 *

Untertitel: Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte
Autor: Ernst Dammann
Marburger Studien zur Afrika- und Asienkunde, Band 32
Dietrich Reimer Verlag
Berlin, 1999
Broschur, 16x24 cm, 311 Seiten


Vorwort des Autors:

Erinnerungen werden meistens von Menschen geschrieben, die eine besondere Rolle gespielt haben oder die Zeugen außerordentlicher Ereignisse gewesen sind. Dabei bewegt sie der Gedanke, für die Zukunft etwas festzuhalten, was es wert ist, in der Erinnerung bewahrt zu bleiben. Dabei mag man meinen, daß manches sogar nützlich ist beachtet und befolgt zu werden.

Andere schreiben ihre Erinnerungen auf, damit ihre Kinder und weitere Nachkommen wissen, unter welchen Bedingungen ihre Vorfahren gelebt und was sie geleistet haben. Beides trifft auf mich nicht zu. Kinder sind unserer Ehe versagt geblieben. Und wenn die Hauptbegründer der Afrikanistik Carl Meinhof und Diedrich Westermann m.W. keine Lebens- oder Arbeitserinnerungen hinterlassen haben, dürfte es angebracht sein, daß ich als ein Spätgeborener, der seine Arbeit lebenslang nur zum Teil der Afrikanistik zuwandte, davon absähe, Erinnerungen aufzuzeichnen.

Aber es ist anders gekommen. Dafür sind für mich zwei Gründe maßgebend gewesen. Schon seit einigen Jahren bin ich mehrfach ermuntert worden, meine Erinnerungen aufzuschreiben. Der andere Grund war für mich, gerade in Anbetracht des Fehlens einer Geschichte der Afrikanistik einiges von dem festzuhalten, was auf die Frühzeit unserer Wissenschaft zurückgeht. Zwar hat Westermann 1929 seine Arbeit "Die deutsche Afrikanistik bis 1913 veröffentlicht. Dabei war sein Hauptanliegen eine kritische Auseinandersetzung mit der damaligen, noch sehr jungen deutschen Afrikanistik, deren hervorragender Vertreter in jener Zeit C. Meinhof war. Mir kam es aber, wenn ich mich schon an Erinnerungen machte, nicht auf Kritik an.

Ich wollte lediglich erzählen, wie ich die Afrikanistik erlebt habe und dadurch einen Beitrag zur Geschichte unserer Wissenschaft und deren Vertreter liefern. Ich selbst habe noch bei Meinhof, Westermann und Dempwolff gehört und den Vorzug gehabt, engen persönlichen Kontakt mit ihnen zu pflegen. In zahlreichen Gesprächen erfuhr ich viel über die Anfänge der Afrikastudien. Die drei genannten Gelehrten haben menschlich und wissenschaftlich auf mich einen bleibenden Einfluß ausgeübt.
Dazu kommt noch ein anderes. Meine Generation, die am Anfang des 20. Jahrhunderts geboren wurde, ist Zeuge eines mehrfachen Umbruchs geworden, der auch die Wissenschaft beeinflußt hat. Wer Freiheit in Forschung und Lehre für Selbstverständlichkeiten hielt, wurde eines anderen belehrt.

Nationalsozialismus in "Großdeutschland" und realexistierender Sozialismus in der "Deutschen Demokratischen Republik" erhoben politische Ideologien zum höchsten und einzigen Faktor auch in der Wissenschaft. So habe ich den Nationalsozialismus in meinem Amt in Hamburg, den Sozialismus 1957-1961 in Berlin kennengelernt. Verantwortungsvolle Wissenschaftler kamen dabei oft in schwierige Situationen, wobei es nicht leicht war, seiner Verantwortung nachzukommen. Dabei gilt es, bisweilen einen Standpunkt oder eine Haltung einzunehmen, die nicht "hinterfragbar" sind und wo es keine Konzessionen gibt. Daß es solche traurigen Dinge in Deutschland gegeben hat, denen auch Kollegen bisweilen erlagen, sollte nicht vergessen werden.

Und darum habe ich die nachfolgenden Kapitel geschrieben. Meine Hoffnung ist, daß wir niemals wieder eine totalitäre Staatsform gleich welcher Richtung erleben. Neben der politischen Toleranz wünscht man sich dieselbe Haltung in wissenschaftlicher und menschlicher Beziehung. Auf diesem Gebiet könnte man auch in der Afrikanistik auf Defizite hinweisen. Man sollte nicht vergessen, daß auch die Wissenschaft dem Wandel der Erkenntnisse und Anschauungen unterworfen ist. Uniformität ist in ihr nicht angebracht. Es mag zuweilen schmerzlich sein, wenn man gewahrt, wie die Forschung über einen selbst hinweggeht. Da gilt es, bereit zu sein, zu lernen und nicht menschliche und wissenschaftliche Barrieren zu errichten. Mir selbst wünsche ich, daß ich dazu auch im zehnten Jahrzehnt meines Lebens willig bin.

Nun noch etwas zu den folgenden Abschnitten. Da ich nur während einiger Reisen Tagebuch geführt habe und ich auch nur über wenige Unterlagen verfüge, habe ich das meiste aus meinen Erinnerungen dargestellt. Ich hoffe, daß mir dabei mindestens keine groben Unrichtigkeiten unterlaufen sind. Die Anordnung des Stoffes bringt es mit sich, daß manche Personen in verschiedenen Abschnitten erscheinen. Dabei ließ es sich nicht vermeiden, daß sich an einigen Stellen die Angaben überlappen. Leider sind meine Sehschwierigkeiten beim Vergleich der einzelnen Abschnitte sehr hinderlich.

Schließlich danke ich allen, die mir geholfen haben, das Manuskript herzustellen. Frau Professor Dr. Gudrun Miehe in Bayreuth sah die Abschnitte über Berlin und Marburg als Zeitzeugin durch und gab mir berichtigende Hinweise. An der Abschrift des Manuskriptes beteiligten sich Frau Lisa Eitner in Pinneberg, Frau Marieluise Quinkhardt in Hamburg und Herr Dr. Kurt Naumann in Doberschütz. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank. Dasselbe gilt für die Deutsche Forschungsgemeinschaft, durch welche der Druck ermöglicht wurde, und für meine Marburger Kollegen H. Jungraithmayr und H.-J. Greschat, die meine Arbeit in die "Marburger Studien zur Afrika- und Asienkunde" aufgenommen haben.