Titel: Missionsgeschichte, Kirchengeschichte, Weltgeschichte
Untertitel: Christliche Missionen im Kontext nationaler Entwicklungen in Afrika, Asien und Ozeanien
Herausgeber: Ulrich van der Heyden; Heike Liebau
Studien der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte, Band 1
Franz Steiner Verlag
Stuttgart, 1996
Kartoneinband, 18x25 cm, 472 Seiten
Missionsgeschichte ist längst nicht mehr nur die Sache derer, die im engeren Sinne als Missionsfachleute bezeichnet werden könnten. Die Begegnung mit anderen Kulturen und Religionen hat viele Dimensionen. Die Grenzen zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen sind längst durchlässig geworden. Man muß die Dinge ganzheitlich sehen. Es ergeben sich neue Perspektiven. Eine eurozentrische Sichtweise der Situation im Süden unseres Globus würde schnell zu Verzeichnungen und Verzerrungen führen. Die "Studien der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte" wollen die neuen Horizonte entdecken helfen.
Seit Anfang der achtziger Jahre haben auch unter den Bedingungen der DDR zwischen den theologischen und den marxistisch-gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit den südlichen Kontinenten beschäftigten, Gespräche begonnen. Zwanzig Jahre zuvor hatte noch das Heftchen "Kolonialismus unter der Kutte" die Parole ausgegeben, mit der die Mission und ihre Geschichte für die meisten Forscher im real existierenden Sozialismus zu einem unberührbaren Partner geworden war. Und umgekehrt war bei den kirchlichen Stellen und den Betroffenen tiefes Mißtrauen gegenüber der Bearbeitung nüssionsgeschichtlicher Quellen durch marxistische Wissenschaftler entstanden. Dann aber differenzierte sich die Sichtweise. Die Gespräche nahmen immer konkretere Formen an.
Dazu haben neben den internen ideologischen Entwicklungen in der DDR - im Lutherjahr 1983 gab es die ersten öffentlichen wissenschaftlichen Dialoge von Historikern unter Einschluß der kirchlichen Theologie - vor allem auch die Gersprächspartner aus den Ländern der "Dritten Welt" erheblich beigetragen. Ethnologen und Historiker fingen jetzt verstärkt an, die Archive der Missionen zu nutzen. Und sie kamen aus den wissenschaftlichen Einrichtungen in der DDR wie schon seit längerem aus westlichen Ländern, nun aber vor allem auch immer häufiger aus Afrika und Asien selbst. Nicht nur, daß die Geschichte der Kirchen und Missionen daniit in den angemessenen weiteren Kontext gestellt wurde. Auch umgekehrt wuchs die Erkenntnis, daß diese Quellen wichtige Auskünfte über die Geschichte, das Leben und die Gesellschaft der Menschen in den südlichen Kontinenten parat haben.
Die erste Frucht solchen interdisziplinären Austauschs erlebte die Öffentlichkeit bald nach dem Ende der DDR bei dem Symposion, das 1991 anläßlich des Gedenkens an 100 Jahre Mission im Süden Tanzanias im Berliner Missionshaus in der Georgenkirchstraße veranstaltet wurde. Dieser Kongreß hat die Zusammenarbeit vertieft. So konnte im Zusammenhang mit dem zweiten Symposion, das hier dokumentiert wird, die Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte gegründet werden.
Sie will fortsetzen, was in den letzten 15 Jahren in Berlin gewachsen ist. Ihre erste Aufmerksamkeit richtet sich auf Archive und Materialsanunlungen in dieser Stadt und ihrem Einzugsbereich, die zur Erforschung der Geschichte und der Situation von Gesellschaft und Kirche in den Ländern der"Dritten Welt" beitragen können. Sie zu erschließen und der Forschung auf möglichst vielen Gebieten zugänglich zu machen, soll eine vordringliche Aufgabe sein. Die Gesellschaft wünscht sich deshalb auch eine breite und enge Zusammenarbeit mit all denen, die ähnliche und verwandte wissenschaftliche Interessen verfolgen, vor allem mit der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft.
Mit dem vorliegenden Berichtsband wird die Reihe wissenschaftlicher Studien eröffnet, die aus dieser Arbeit hoffentlich entstehen werden. Er will der Öffentlichkeit die Beiträge zugänglich machen, die auf der internationalen wissenschaftlichen Konferenz "Missionsgeschichte - Kirchengeschichte - Weltgeschichte" gehalten wurden. Es wäre zu viel verlangt, wollte man den Dokumenten des Kongresses vorn Oktober 1994 sozusagen ein Programm der Gesellschaft entnehmen. Die Bandbreite der Beiträge läßt aber vielleicht erahnen, welche großen Möglichkeiten eine interdisziplinäre Arbeit hat. Dafür ist dann natürlich auch ein offenes und partnerschaftliches Gesprächsklima wichtig. Die Konferenz hat in dieser Hinsicht einen verheißungsvollen Anfang gemacht, über den alle Teilnehmer sehr froh waren. Die Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte ist übrigens auch besonders glücklich, daß sie nicht nur Vertreter der unterschiedlichsten Disziplinen unter ihren Mitgliedern haben kann, sondern auch Wissenschaftler aus fast allen Kontinenten und von unterschiedlicher religiöser Herkunft.
Ein besonderer Dank gebührt dem Steiner-Verlag, der sich bereit erklärt hat, eine neue Studienreihe herauszubringen. Die Gesellschaft erhofft sich eine gute Zusammenarbeit. - Dank soll dann auch all denen gesagt werden, die zum Gelingen des Kongresses beigetragen und die Gründung der Gesellschaft vorbereitet haben. Dabei sind ausdrücklich auch diejenigen gemeint, deren Namen in dem Sammelband nicht genannt werden. Besonders zu erwähnen sind, die mit der Zusammenarbeit begonnen haben: Heinrich Balz, Christfried Berger, Winfried Brose, Bettina Golz, Ulrich van der Heyden, Rosemarie Kienitz-Jannermann, Heike Liebau, Kurt Liebau und Klaus Roeber.
Als im Jahre 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde, haben wir in der DDR an einem kleinen Stück erfahren, wie Missionsgeschichte, Kirchengeschichte und Weltgeschichte ineinander verwoben sind. Um die Lektion ganz zu lernen, braucht es Zeit und sicher auch etwas Distanz von der Sache. Möge das Gespräch, das auf dem Symposion begonnen hat, und das in der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte fortgesetzt werden soll, zu neuen Erkenntnissen führen.
Geleitwort
Johannes Althausen
Vorwort
Ulrich van der Heyden; Heike Liebau
Grußworte
Klaus Roeber
Peter Heine
Ulrich van der Heyden
Hauptreferate
Dornröschen, oder die Missionsgeschichte wird entdeckt
Werner Ustorf
Kirchengeschichte und Mission: 13 Thesen und Gedanken
Kurt-Victor Selge
African Church History and Mission History
Wilson B. Niwagila
Mission, Imperialismus und Kolonialismus
Imanuel Geiss
Missionsquellen als Gegenstand interdisziplinärer Forschungen
Frühe Missionsbriefe und Reiseberichte als Quellen der deutschen Palästina-Mission
Frank Foerster
Die Akten der Berliner Missionsgesellschaft und damit in Beziehung stehende Dokumente in der Western Cape-Provinz (Südafrika) als Quellen für historische und sozialwissenschaftliche Studien
Hans Heese
Das Schrifttum der deutschen Missionsgesellschaften als Quelle für dieGeschichtsschreibung Südafrikas. Dargestellt vornehmlich anhand der Berliner Missionsgesellschaft
Ulrich van der Heyden
"Je mehr ich mich quäle, je mehr Befriedigung finde ich." Über die Aufbereitung eines missionarischen Archivbestandes
Elfriede Höckner
Mission Sources as Objects of interdisciplinary Research Linguistics, Medicine and other Natural Sciences
C S. Mohanavelu
Der Missionar als Anthropologe. Albert Kropf und das "Volk der Xosa-Kaffern"
Gunther Pakendorf
White Fathers Archives as Sources for the Reconstruction of Ugandan History
Viera Pawlikovci-Vilhanovä
From Volk to Apartheid: The dialectic between German and Afrikaner nationalism
Karla Poewe
Magie und Volkskultur. Zu Briefen Rheinischer Missionare aus Neuguinea
Heinz Schütte
Indigene Bevölkerung zwischen Selbstbehauptung, Staatsbildung und Mission.
Spanische Jesuiten berichten aus dem muslinüschen Süden der Philippinen
Reinhard Wendt
Entstehung und Entwicklung von Nationalkirchen im Kontext regionaler und nationaler Geschichte
Christianisierung und Identität - das Beispiel der germanischen Völker
Hanns Christof Brennecke
Der deutsch-evangelische Beitrag zum Wiederaufbau Palästinas im 19. Jahrhundert
Alex Cartnel
Die ärztliche Mission - Promotorin der höheren medizinischen Ausbildung in Asien und Afrika
Christoffer H. Grundmann
Holländische Kolonial- und katholische Untergrundkirche im Ceylon des 17. und 18. Jahrhunderts
Klaus Koschorke
Die Entstehung der koreanischen Kirche durch koreanische Kräfte
Young-Whan Park
Juni Nathanael Tuyu (etwa 1837-30.04.1894) - der erste Munda-Pastor auf dem Missionsfeld der "Gossnerschen Mission unter den Kolhs" in Chotanagpur (Bihar/Indien). Eine biographische Skizze im Kontext regionaler und nationaler Geschichte
Klaus Roeber
Interaktion zwischen europäischen Missionaren und indigenen Gesellschaften
Kirche im Spannungsfeld von Ethnizität und moderner Lebenswelt. Beobachtungen während einer Besuchsreise in Ozeanien
Theodor Ahrens; Wulf-Volker Lindner
Hendrik Witbooi. Religion, Kollaboration und Widerstand in Deutsch Südwestafrika
Tilman Dedering
The Berlin Missionaries and the African National Movement 1910-1930
Gerhard Jooste
Die charismatisch-evangelikale Bewegung als 2. Phase der Christianisierung Afrikas - Beobachtungen in Zambia
Ulrich Luig
World War I, the western Allies, and German protestant mission
Richard Pierard
Rain Mohan Roy und die Missionare
Hiltrud Rüstau
Christian Missions in Shandong in the context of China's national and revolutionary development
Gerhard Tiedemann
Zur Methodik der Missionsgeschichtsforschung von draussen: Hermann Heinrich Vedder (1876-1972) - Fragen und Anfragen zu einem geistlichen und weltlichen Leben
Hans Martin Barth
Die "American Presbyterian Congo Mission" und die Kongo-Greuel, 1890-1910
Katja Füllberg-Stolberg
Henry Callaway, Religion and Rationalism in Nineteenth Century Mission History
Irving Hexham
Historische Lichtbilder (ca. 1860-1950) als Quelle der Missionsgeschichte. Methodische Überlegungen zur Interpretation und Auswertung eines kaum beachteten Mediums
Andreas Junck
Warum und wie schreibt man heute Missionsgeschichte?
Niels-Peter Moritzen
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