Die Entwicklung der Kirchenmusik in den ehemals deutschen Missionsgebieten Tanzanias

Auch kolonialgeschichtlich sehr interessante Studie
Kornder, Wolfgang
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Die Entwicklung der Kirchenmusik in den ehemals deutschen Missionsgebieten Tanzanias

Autor: Wolfgang Kornder
Reihe: Erlanger Monographien aus Mission und Ökumene, Band 8
Verlag der Ev.-Luth. Mission
Erlangen, 1990
Broschur, 15x21 cm, 319 Seiten, 11 Kartenskizzen


Aus dem Kapitel „Eingrenzungen, Quellenlage und Vorgehen“:

Die vorliegende Studie widmet sich der Kirchenmusik in Tanzania. Da eine Dissertation zeitlich und umfangmäßig begrenzt sein sollte, mußte eine sinnvolle Eingrenzung gefunden werden. Bei der Suche nach einer solchen legte es sich mir als Deutschem nahe, die ehemals deutschen Missionsgebiete Tanzanias zu untersuchen.

Es geht dabei auch um unsere Geschichte, denn das heutige Gebiet Tanzanias deckt sich fast ganz mit der ehemals deutschen Kolonie 'Deutsch-Ostafrika'. Kirchlicherseits besteht der Kontakt zu diesem Gebiet nach wie vor, auch hinsichtlich der Kirchenmusik. Die Nord-Ost- und die Nord-West-Diözese gehen auf die Bethel Mission (BethM) zurück, die Nord-, Pare- und Arusha-Diözese auf die Leipziger Mission (LM), die Ost- und Küstensynode, die Süd-Diözese, die Süd-Zentral-Diözese und die Konde-Diözese, auf die Berliner Missionsgesellschaft (BIM), die Moravian Church in South-Western Tanzania (MCSWT) und die Moravian Church in South Tanzania (MCST), auf die deutsche Herrnhuter Mission (HM) und die katholischen Diözesen Süd-Tanzanias (die Diözesen Njombe, Mbinga, Songea, Tunduru-Masasi, Lindi und Mtwara) auf die Missionsbenediktiner (OSB).

Alle genannten Missionsgesellschaften wirkten nach 1886 in der damaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ und sind von daher gut vergleichbar. Später dazugekommene deutsche Missionsgesellschaften sind nur am Rande erwähnt. Ebenso sind die katholischen Weißen Väter und die Väter vom Heiligen Geist, die zumindest bis zum Ersten Weltkrieg einen sehr großen Anteil deutscher Mitglieder hatten, nicht mitbehandelt. Das kirchenmusikalische Verständnis und Wirken der außerdeutschen Gesellschaften, die während der kriegsbedingten Internierungszeit der deutschen Missionare einsprangen, wurden nur punktuell beachtet.

Die vorliegende Arbeit beginnt mit dem Auftreten besagter Missionsgesellschaften in Ostafrika und endet in der Zeit der „Uhuru“, der politischen Unabhängigkeit Tanzanias. Die recht komplexen Entwicklungen der letzten Zeit sind lediglich anhand weniger exemplarischer Analysen aufgezeigt. Neben zeitliche und regionale Eingrenzungen tritt eine sachliche: Die musikalische Werkbetrachtung ist nicht berücksichtigt.

Das Vorhaben stieß zunächst auf ein gewaltiges Hindernis, welches die Bearbeitung des Themas bishehinausgezögert haben könnte: Obwohl vor allem der Gesang als wesentliches Element der tanzanianischen Kirchen allgemein bekannt ist, gibt es zu diesem Phänomen bislang kaum Studien.

Es gibt die verwendete Musikliteratur selbst: Gesangbücher, hand- oder maschinengeschriebene Blättersammlungen, z.T. vervielfältigte Hefte; die Gesangbücher sind in allen möglichen Sprachen verfaßt, z.T. schwer erhältlich oder ganz verschollen, und nur in den seltensten Fällen finden sich Hinweise zu ihrer Entstehung. Blättersammlungen und Hefte sind meist auf einen Chor begrenzt, nur wenige werden auf Diözesenebene verwendet und fast keine landesweit. Genaue Angaben zur Entstehung und Herkunft der Lieder fehlen auch hier meist, so daß der Entstehungshintergrund im Dunkeln bleibt. Dazu kommen seit den 60er Jahren z.T. schwer beschaffbare Tonband- und Schallplattenaufnahmen in schlechter Qualität oder ohne nähere Erläuterungen und Bearbeitung.

Dieser Befund ist nicht auf Tanzania beschränkt, denn in der Literatur zur christlichen Musik in Afrika besteht eindeutig eine Lücke. Der inzwischen verstorbene Arthur Morris Jones, vielleicht der beste Kenner der christlichen afrikanischen Musik, bezieht sich in seinen Studien fast nie auf die von mir behandelten Gebiete. Erst das relativ späte Engagement im Bereich der Missionsbenediktiner ist von ihm registriert. Wenn er 1976 für "the history of the introduction to Christian worship of African music" aktiv wird, "before it is too late", so gilt das grundsätzlich auch für den Gegenstand dieser Arbeit im Jahr 1988.

Zunächst versuchte ich, eine ausreichende Quellengrundlage zu erstellen. Ich begann vor allem, Missionsliteratur zu Ostafrika und Tanzania sowie Zeitschriften, Jahresberichte etc. durchzusehen. Auf wenigen Zeilen und oftmals zwischen den Zeilen wurde so das Ausgangsmaterial gefunden. Als eine Schwierigkeit besonderer Art erwies sich, daß die Missionsliteratur zwar häufig erbaulich, aber manchmal sehr selektiv geschrieben ist. Ich versuchte, ihr kritisch, etwa im Sinne eines Grundemann gegenüberzustehen.

Weiter begann ich, in diversen Archiven zu suchen. Auch hier begegnete mir das gleiche Bild: Einen Bereich "Kirchenmusik in Tanzania“ gab es nie. Anhand von vagen Vermutungen begannen zeit- und energieraubende und letztendlich oft erfolglose Durchsichten des Archivmaterials.

Einen zweiten Zugang zum Thema versuchte ich durch ehemalige „Mitarbeiter in Übersee“ zu bekommen. Doch nur wenige waren auf diesem Gebiet versiert und konnten somit konkrete Hinweise geben. Meine beiden Forschungsreisen von Juli 1985 bis Januar 1986 und von März bis Juni 1987 öffneten mir einen Einblick in die Kultur dieses Landes. Ich lernte die gegenwärtige Kirchenmusikpraxis kennen und manches geschichtliche Ereignis besser verstehen. [...]