Afrikanischer Heimatkalender 2004

Afrikanischer Heimatkalender: Seit 1930 Botschafter christlicher Werte mit vielen interessanten landeskundlichen Beiträgen.
DELK
ah04
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Afrikanischer Heimatkalender 2004

Autoren: Siehe Aufstellung
Herausgeber: DELK/Informationsausschuss der Ev.-Luth. Kirche in Namibia
Verlag: Afrikanischer Heimatkalender
Windhoek, 2004
Broschur, 17x24 cm, 144 Seiten, zahlreiche sw- und Farbfotos


Hinweis des Namibiana Buchdepots:

Schon seit 1930 erscheint der Afrikanische Heimatkalender jährlich ohne Unterbrechung und ist, abgesehen von einer relativ kurzen Phase äußerlicher Änderung, sich selber treu geblieben und versteht sich als ein Träger der christlichen Botschaft in Namibia und nimmt zeitgeistliche Strömungen bislang ausgewogen auf. Der Afrikanische Heimatkalender bietet seinen Lesern, traditionell den Deutschsprachigen im Lande, Erbauendes und Besinnliches als Lebenshilfe im Alltag, aber auch seit eh und je interessante und oft nur dort erschienene historische und aktuelle Beiträge zu Land und Leuten.

Wir haben viele der letzten aber auch seltenen frühen Jahrgänge auf Lager und würden uns freuen, wenn Sie den Afrikanischen Heimatkalender einmal kennenlernen wollten. Es ist kein Geheimnis, daß auch eine Institution wie der Afrikanische Heimatkalender die Existenz seinen regelmäßigen Lesern und Anzeigenkunden verdankt und wir hoffen sehr, daß uns dieses so weit in die Geschichte zurück reichende Periodicum noch lange erhalten bleibt.


Zum Geleit (Bischof Reinhard Keding):

Liebe Leserinnen und Leser des Afrikanischen Heimatkalenders,

das Jahr 1904 ist ein besonderes Erinnerungsjahr: Der Beginn des sogenannten Hererokrieges. Namibia - Deutschland: eine geteilte Geschichte, so heißt eine Ausstellung, die zu dieser Thematik in Köln stattfindet. „Dann woll'n wir des Vergangenen gedenken" unter diesem Motto hat die Kirchenleitung der ELKIN (DELK) zu Gesprächen eingeladen, um als hier lebende Menschen zu diskutieren, wie wir mit diesem schwierigen Thema umgehen können.

Nun haben Sie den Afrikanischen Heimatkalender vor sich, der diese Thematik schwerpunktmäßig aufnimmt. Er enthält dazu gleich fünf Beiträge sehr unterschiedlicher Art. Der Aufsatz, den Reinhard Keding ursprünglich als Vortrag gehalten hat, versucht eine Hilfestellung grundsätzlicher Art zu sein, wie wir als Christen mit schuldhafter Vergangenheit umgehen könnten. Der Beitrag Dr. Zedekia Ngavirues ist mitgeprägt durch familiäre Erinnerungen an die Vorkriegs- und Kriegssituation 1904-1908. Seine Überlegungen dazu führen zu dem Aufruf, das Jahrhundertgedenken zu diesem Kriegsgeschehen als Chance zu nutzen.

Dr. Joachim Zeller beschreibt, wie sehr die Form des Gedenkens von politischen Motiven beeinflusst wird. Dr. Henning Melber erinnert an die Notwendigkeit und die Chance, die im Erinnern liegt. Und Dr. Werner Wienecke erinnert daran, dass die Geschichte auch aus der Perspektive der Hereros gedeutet werden muss. Im Umfeld des Schwerpunktthemas sind zwei weitere Beiträge in den Afrikanischen Heimatkalender aufgenommen worden. Der Beitrag von Dr. Dag Henrichsen beschreibt eine komplizierte Beziehungsgeschichte zwischen einem Deutschen und einer Herero am Beispiel einer konkreten Eheschließung.

Der erste Teil des Beitrages von Wolfgang Reith über das „Königshaus Tjamuaha/ Maharero und die Oberhäuptlingsschaft der Herero" gibt einen geschichtlichen Rückblick auf ein wichtiges Königshaus. Zwei weitere Beiträge haben allgemeines Interesse für die Geschichte Namibias. Dr. Alf Rößner zeigt eine interessante Verbindung zwischen Weimar und Windhoek. Die Erinnerung von Sebastian Mantei an den Maler Ulrich Schwanecke ist sehr persönlicher Art.

Schließlich weise ich Sie auf das Kalendarium hin, das dem Afrikanischen Heimatkalender, anhand der Meditationen von Dieter Esslinger zu Bildern verschiedener Fotografen/Fotografinnen, auch wieder einen meditativen Charakter gibt. Ich wünsche Ihnen beim Lesen Anregungen zu Fragen, die uns heute bewegen und danke allen Autoren, Mitarbeitern und Inserenten, die es möglich machten, dass der Afrikanische Heimatkalender auch 2004 wieder erscheinen konnte.


Aus "Der Befreiungskrieg von 1904–1907 in der Überlieferung der Herero" von Werner A. Wienecke:

Über keinen Kolonialkrieg ist wohl so viel geschrieben worden wie über den, der meistens in der Literatur „Hereroaufstand" genannt wird. Und die Autoren waren vor allem Deutsche oder Menschen europäischer Prägung und nicht Herero. Von daher ist deutlich, dass dieses Ereignis nur „einseitig" beschrieben wurde und zwar aus der Sicht der „Weißen". Selbst wenn man die wenigen schriftlichen Äußerungen wie die Briefe von Samuel Maharero dazu nimmt, so wurden diese ebenfalls nur aus der Sicht der Deutschen oder dem Verständnis der „Weißen" interpretiert.

Ob man zu Gunsten der damaligen deutschen Kolonialmacht die Geschichte schrieb oder ob man diese Macht kräftig kritisierte - es war und blieb immer die Meinung der „Weißen". Und das drückt sich auch in der Bezeichnung „Aufstand" aus, wogegen die Herero von „Krieg" sprechen. Ein „Aufstand" ist, in unserem Sinne, eine spontane Erhebung gegen eine Macht, von der man sich unterdrückt fühlt. Und ist das nicht gerade richtig im Blick auf das Geschehen von 1904?

Bei Krieg denken wir an eine Auseinandersetzung zwischen Völkern, bei der man eine „Kriegserklärung" abgibt, nachdem man die eigenen Truppen mobilisiert hat, um gegen den Feind zu marschieren und zu kämpfen. Und das hat es 1904 nicht gegeben. Also war das kein Krieg?

Die Herero sprechen von ovita, was wir mit Krieg übersetzen. Doch ovita ist jede gewalttätige Aktion, die zwischen Menschen, Sippen oder Stämmen stattfindet. Und wenn eine solche Auseinandersetzung zur Tötung von Menschen führt, kann der Krieg erst beendet werden, wenn entweder Blutrache geübt oder eine Ersatzleistung für den Getöteten gezahlt wurde. Dieses zu wissen und zu verstehen, ist eine Voraussetzung für das Verständnis von dem, was Anfang 1904 in Namibia geschehen ist, nämlich dass es sich um eine sehr kräftige Fortsetzung von einem Krieg (ovita) handelte, der längst begonnen hatte.

In der bisherigen Literatur ist jedoch von diesem Verständnis nichts zu finden. Wie sehen also die Herero diesen “Krieg"? Als Gouverneur Leutwein im Februar 1904 aus dem Süden des Landes zurückgekehrt war, wußte er nicht, wo sich Samuel Maharero mit seiner Truppe befand. Um das herauszufinden, griff Leutwein „zu seiner altbewährten Taktik” und schrieb an Samuel einen Brief “mit der Anfrage nach den Gründen seines Aufstandes.

Eine Antwort brachte Missionar Kuhlmann mit, der sieben Wochen mit seiner Familie unbehelligt im “Feindesgebiet' herumgezogen war und von den Herero bis kurz vor Okahandja begleitet wurde. Er war selber mit Samuel zusammengekommen und konnte so Leutwein von der Lage der Herero berichten. Dieser Brief wird leider von verschiedenen Autoren immer nur mit Auslassungen zitiert. Die Missionare, die diesen Brief zuerst empfangen, dann übersetzt und nach Barmen gesandt hatten, fürchteten die Reaktion der Weißen, wenn sie ihn vollständig veröffentlichen würden.

Ohne Zustimmung von Leutwein wollten sie und auch die Missionsleitung ihn nicht publizieren. Auf diese Weise ist ein wichtiges Dokument weithin unbeachtet geblieben. Ich möchte aber gerade an Hand dieses Textes und mit Hilfe der mündlichen Tradition der Herero darlegen, wie sie diesen Krieg verstanden. Ich zitiere den Brief, wie er, von den Missionaren Bernsmann und Dannert übersetzt, mit ihren erklärenden Anmerkungen im Archiv der Rheinischen Mission vorhanden ist. [...]