23.12.2015

Wie zukunftssicher ist die Wirtschaft Namibias?

Jonathan Gurirab, diskutiert die Frage, wie zukunftssicher ist die Wirtschaft Namibias im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ist. Foto: Stefan Fischer

Jonathan Gurirab, diskutiert die Frage, wie zukunftssicher ist die Wirtschaft Namibias im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ist. Foto: Stefan Fischer

Am 21. März 2015 wurde Hage Geingob als dritter Präsident der Republik Namibia vereidigt. Seitdem, so scheint es, weht ein Wind der Hoffnung durch Namibias Straßen. Der Autor des Beitrages, Jonathan Gurirab, diskutiert die Frage, wie zukunftssicher ist die Wirtschaft Namibias im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ist.

Am 21. März 2015 wurde Hage Geingob als dritter Präsident der Republik Namibia vereidigt. Seitdem, so scheint es, weht ein Wind der Hoffnung durch Namibias Straßen.  Der neue Staatschef scheint einen anderen Kurs als seine Vorgänger einschlagen zu wollen. In Quintessenz soll die namibische Politik transparenter werden, mit dem Ziel, Politiker für ihre Handlungen und Taten haftbar zu machen. Zentrales Ziel der „Hage-Doktrin“ ist jedoch die Beseitigung von Armut. Im Zuge dessen wurden beispielsweise die Rentenansprüche erhöht und die Kozeptionierung einer städtischen Tafel in Auftrag gegeben. Mit einem Mix aus sozialstaatlichen und US-amerikanischen Ansätzen versucht die namibische Regierung, der Armutslage Herr zu werden. Es sollte jedoch bedacht werden, dass diese Maßnahmen eher die Symptome anstatt die Wurzel des Problems bekämpfen. Klar, die neue Regierung steckt noch in den Kinderschuhen, nichtsdestotrotz lässt sich aber nicht erkennen, wie man Armut geplagten Bürger nachhaltig ein besseres Leben ermöglichen möchte. Frei nach dem Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ sagte der Philosoph Moses Maimonides einst: „Give a man a fish and you feed him for a day; teach a man to fish and you feed him for a lifetime”. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Rentenerhöhungen und städtische Tafeln sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein in Anbetracht der akuten Armut. Diese Maßnahmen sollten nur einen minimalen Teil einer weitsichtigen und nachhaltigen Wirtschaftsstrategie sein. Diese wiederum sollte darauf abzielen, sowohl die Armut zu lindern als auch Namibia wirtschaftlich wettbewerbsfähiger zu machen. Denn nur durch eine wachsende Wirtschaft kann jeder Staatsbürger am Wohlstand des Landes teilhaben. Die Regierung ist der Auffassung, dass wir uns hier auf dem richtigen Weg befinden und würde auf die „Growth at Home“-Strategie hinweisen. Diese legt dar, wie der Staat die Industrialisierung der namibischen Wirtschaft bis 2030 bewerkstelligen will. Hierbei werden für die Zeitspannen 2015-20, 2020-25 und 2025-30 sogenannte Schwerpunktbereiche festgelegt. Für den Zeitraum 2015-20 sind dies die verarbeitende Landwirtschaft, verarbeitende Fischerei, Stahl- und Metallverarbeitung sowie die Automobil-, Chemie- und Schmuckindustrie. Für die Zeitspannen 2020-25 und 2025-2030 wurden noch keine Schwerpunktbereiche bestimmt. Man muss nicht Wirtschaftexperte sein um zu erkennen, dass die Schwerpunktbereiche der Jahre 2015-20 einen innovativen Charakter vermissen lassen. Sowohl die verarbeitende Landwirtschaft, als auch die verarbeitende Fischerei werden seit der Unabhängigkeit Namibias bzw. seit den 90er Jahren betrieben. Davon abgesehen sind der Arbeitsmarkt hier gesättigt und der wirtschaftliche Mehrwert limitiert. Die Stahl- und Metallverarbeitung als Schwerpunktbereich ist naheliegend, hat man doch die Ressourcen vor Ort. Hier ist man augenscheinlich bereit, über die Tatsache hinwegzusehen, dass diese Industrie enorm energie- und wasserintensiv ist. Wenn man auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum pocht, sollte diese Industrie aber keinen Schwerpunktbereich darstellen. Bei der Automobilindustrie als Schwerpunktbereich fehlt die Weitsicht, da sich der weltweite Automobilmarkt in einer Abkühlungsphase befindet, ohne eine Aussicht auf Besserung. Somit sollte man sich eher auf Spezialhersteller konzentrieren, welche agil und flexibel arbeiten können und in der Lage sind, sowohl die Automobilindustrie, als auch, beispielsweise, die Luft- und Raumfahrtindustrie zu beliefern. Hier braucht es einen längerfristigen Ansatz. Bei der Chemieindustrie ist das Wirtschaftsministerium der Auffassung, dass die Salzgewinnungsanlagen an Namibias Küste einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil in Hinsicht auf die Chlor- und Düngerherstellung bieten. Mit der Gefahr, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, könnte man dazu verleitet sein festzustellen, dass man mit auf Salz basierenden Produkten wirtschaftlich keine Bäume ausreißt. Kleine Randnotiz: Auch die Chemieindustrie ist energieintensiv. Die Schmuckindustrie mag in der Lage sein, unseren nationalen Stolz durch Diamanten, Gold und diverse Edelsteine einen künstlerisch Akzent zu verschaffen, einen bahnbrechenden Wirtschaftszweig stellt dieser Sektor jedoch ebenfalls nicht dar. Eine gesteigerte Rohstoffgewinnung und Schmuckherstellung können keine signifikanten Wachstumsmotoren sein. Betrachtet man die Schwerpunktbereiche der Jahre 2015-20, wird einem die namibische „FFD-Vernarrtheit“ erneut bewusst. FFD steht für Fleisch, Fisch und Diamanten, eben die Ressourcen, anhand welcher die namibische Regierung ihre Wirtschaftsstrategie seit Jahrzehnten ausrichtet. Willkommen in der Ressourcenfalle. Um die von Präsident Geingab beschworene „wirtschaftliche Emanzipation“ umzusetzen, bedarf es jedoch einen zukunftsgerichteten Ansatz. Die „Growth at Home“-Strategie trägt diesem Umstand keine Rechnung, da sie für die Jahre 2015-20 entscheidende strategische Aspekte vermissen lässt. Von den Zeitspannen 2020-25 und 2025-30 ganz zu schweigen. Strategisch wichtige Aspekte sind Innovation und Unternehmertum. Nirgendwo in der „Growth at Home“-Strategie wird aufgezeigt, wie man durch diese beiden Wirtschaftspfeiler ein signifikantes wirtschaftliches Wachstum erreichen könnte. Dabei sollte den politischen Entscheidungsträgern Namibias klar sein, dass Innovationen und SMEs das Rückgrat einer erfolgreichen Volkswirtschaft darstellen. Dies verzeichnet man spätestens seit dem anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands als Allgemeinwissen. Andere afrikanische Länder wie Kenia, Südafrika, Marokko, Algerien und Tunesien haben dies längst verstanden. Diese Länder haben gemein, dass sie ihr Breitband massiv ausbauen und Start-Ups sowohl finanziell als auch professionell unterstützen. Dies hat zur Folge, dass diese Länder in der Lage sind, ihre technischen Grundfähigkeiten auszubauen, was ihnen ermöglicht, innovative Produkte und Dienstleistungen zu produzieren. Somit ist es es nur eine Frage der Zeit, bis diese Länder in der Lage sind, erste „Gazellen“ und „Einhörner“ zu sichten. Als Gazellen bezeichnet man Start-Ups in technischen Industrien, welche ein innovatives Produkt oder Dienstleistung anbieten, und demzufolge rasant wachsen. Hält dieses Wachstum an, verwandeln sich Gazellen ggf. in „Einhörner“. Als Einhörner bezeichnet man Firmen, deren Wert auf eine Milliarde US$ oder mehr geschätzt werden. Hierbei handelt es sich um Unternehmen wie Uber, Spotify, Airbnb und SpaceX. In Afrika ist Kenia der Musterschüler schlechthin, wenn es um technische/digitale Innovationen und Unternehmertum geht. Mehrere kenianische Start-Ups wie M-Pesa, M-Pepea, M-Kopa und iCow haben es zu Weltrum geschafft. Darüber hinaus zerrütten diese Innovationen die etablierten Branchen, in welcher sie ansässig sind, und zwar länderübergreifend. „Disruptive Innovationen“ - das ist der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg. „Innovate or die“ lehrte Bill Gates einst. Der Erfolg von Silicon Valley gibt ihm Recht. Staaten wie Kenia überholen Namibia wirtschaftlich mit einer Leichtigkeit, die nur von der zu übertreffen ist, die kenianische Langstreckenläufer an den Tag legen. Diese Staaten befassen sich bereits mit Themen wie „Industrie 4.0“ und „Internet der Dinge“, während der namibische Staat sich noch damit beschäftigt, wie man mit Fisch- und Fleischprodukten noch ein paar Cent mehr verdienen oder wie man die Einnahmen in Diamantsektor um wenige Prozentpunkte steigern kann. In naher Zukunft werden wir Zeuge davon sein, welcher Ansatz wirtschaftlich erfolgreicher ist. Es scheint so, als ob das technische und digitale Zeitalter hierzulande komplett verschlafen wird. Somit wird Namibia in den nächsten Jahrzehnten wohl ein Land ohne Gazellen und Einhörnern bleiben. Folglich rückt auch die Beseitigung der Armut in weite Ferne. Auch wenn es enttäuschend klingen mag, aber die Zeit ist noch nicht reif für „Omake“ - das wäre vermessen.

Jonathan Gurirab

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Wie zukunftssicher ist die Wirtschaft Namibias?

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