17.09.2017

Rezension: Children in Exile: A Pictorial Record / Kinder im Exil: Eine Bilddokumentation

Rezension: Children in Exile: A Pictorial Record / Kinder im Exil: Eine Bilddokumentation.

Rezension: Children in Exile: A Pictorial Record / Kinder im Exil: Eine Bilddokumentation.

Der faszinierende Werdegang am historischen Scheideweg, ja das Schicksal von rund 440 Kindern aus Namibia, darunter 134 Vorschulkinder und acht Kleinkinder, die im August 1990 abrupt aus dem DDR-Exil nach Windhoek ausgeflogen wurden, hat bereits in mehreren Publikationen Niederschlag gefunden.

Die jüngste Veröffentlichung zu diesem Thema, Children in Exile: A Pictorial Record / Kinder im Exil: Eine Bilddokumentation, von Dr. Jürgen Krause, Zeitzeuge und ehemaliger Unterrichtsplaner für die namibischen Kinder, und Besse Kaplan, erweitert den Einblick noch einmal, durch viele erstmals veröffentlichte Bilder sowohl besserer als auch minderer Qualität, in den Alltag eines wohl einmaligen interkulturell-pädagogischen Projekts zwischen Namibiern und Deutschen. Es dauerte von Dezember 1979 bis August 1990: In dem Monat rissen die verantwortlichen Instanzen, die Übergangsregierung der DDR kurz vor der deutschen Wiedervereinigung (Oktober 1990, nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989) und die Swapo-Führung die Kinder von Schloss Bellin in Brandenburg sowie von der Freundschaftsschule in Staßfurt, Sachsen Anhalt, abrupt, überstürzt und ohne Vorwarnung aus ihrer Schul- und Fürsorgeroutine heraus, um sie in Namibia unvorbereitet „abzusetzen“. Die namibische Gesellschaft war zunächst genauso schlecht auf die Aufnahme der repatriierten Kinder vorbereitet wie die Kinder auf ihre plötzliche Heimkehr. Die Autoren beschreiben den plötzlichen Abbruch der Schul- und Sozialbetreuung mehrfach als pädagogisch unvertretbar, dringen aber nicht zu den Gründen vor, die zu dem jähen Ende des deutsch-namibischen Schulprojekts geführt haben, außer dass „die neue DDR-Führung nicht gewillt war, das Projekt weiterzuführen“. In Namibia nahm man zu der Zeit lediglich an, dass es ein Beschluss allein der Swapo-Führung gewesen sei. Die Autoren schildern in knappen Texten den Anlauf zu der Kinderverschickung aus angolanischen Lagern. Sie umreißen das Lagerleben von Kassinga und Kwanza Sul in Angola, an dem Fachlehrer aus der DDR beteiligt waren, wobei auch die prominente Rolle bekannter Swapo- Kräfte in den Blickpunkt gerückt wird, darunter der heutige Parteisekretär Nangolo Mbumba. Der verheerende südafrikanische Luftangriff am 4. Mai 1978 auf das militärisch befestigte Füchtlingslager Kassinga, 250 km von der namibischen Grenze entfernt, mit über 600 Todesopfern führte später, Mitte 1979 zur Bitte des Swapo-Führers Nujoma an die DDR, zunächst Vorschulkinder aufzunehmen, um sie vor Mängeln in den Lagern zu bewahren sowie vor weiteren Angriffen der Südafrikaner in Sicherheit zu bringen. Es wurde ein einmaliges human-pädagogisches Unternehmen daraus. Der Vernichtungsangriff wird in dem Buch nicht in den Kontext gestellt, den eine andere Autorin, Annemarie Heywood, in dem Buch „The Cassinga Event“ dahingehend interpretiert, dass Südafrika seine aktuelle Zustimmung zum internationalen Lösungsplan für Namibia Ende April 1978 (im September 1978 wurde die UN-Resolution 435 daraus) durch eine Demonstration der Macht, bzw. durch einen spektakulären Luftangriff relativieren wollte. Das ehemalige Solidaritätsprojekt wirkt bis heute durch freundschaftliche Verbindungen etlicher Schüler von damals zu ihren ehemaligen Lehrern nach. Die Autoren schließen die chronologische Folge mit knappen Hinweisen auf die Frage hin ab: „Was ist aus ihnen geworden?“. Einige Ex-Ossi-Schüler haben nach Fortbildung in Namibia und auch außer Landes erfolgreich Karriere gemacht, wobei in der Regel die gründliche Mehrsprachigkeit mit Deutsch eine Rolle spielt. Andere sind „spurlos“ verschwunden oder geben sich als Arbeitslose zu verstehen, die deutsche Touristen in der Windhoeker Innenstadt durch „deutsche Anrede“ zu beeindrucken versuchen. „Menschen, die auf vielfältige Weise als Sieger der Geschichte hervorgegangen sind. Ohne zu vergessen, wie einige von ihnen noch heute um ihren Platz in der Gesellschaft ringen und jene, die diesen Kampf verloren haben“, urteilen die Autoren. Die Bilder und Begleittexte sind durchweg simultan auf Englisch und Deutsch gegliedert und somit einer breiteren Leserschaft zugänglich, wobei der sprachliche Schliff stellenweise zu wünschen übrig lässt. Entweder es hapert an der Übersetzung oder es fehlt an geographischer Kenntnis, wenn es heißt, „Kassinga … ist nur noch der Name für einen Massenmord, begangen in Südafrika …“ Die Bilddokumentation stellt einen wertvollen Beitrag zur Schilderung der vielschichtig gegliederten und kulturell differenzierten Beziehung zwischen Namibia und Deutschland dar. Die zwei Altpräsidenten Nujoma und Pohamba haben dem Band bereits Prominenz verliehen, indem sie der Buchvorstellung im Hauptquartier der Swapo persönlich beiwohnten.

Eberhard Hofmann

Kinder im Exil: Eine Bilddokumentation, von Jürgen Krause und Besse Kaplan. Erhältlich beim Importeur Namibiana Buchdepot (www.namibiana.de)

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Rezension: Children in Exile: A Pictorial Record / Kinder im Exil: Eine Bilddokumentation.

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