17.03.2016

Neues Buch von Reinhart Kössler: Negotiating the Past. Namibia and Germany

Neues Buch von Reinhart Kössler: Negotiating the Past. Namibia and Germany (ISBN: 978-99916-42-09-3)

Neues Buch von Reinhart Kössler: Negotiating the Past. Namibia and Germany (ISBN: 978-99916-42-09-3)

Im dem Ende 2015 in Namibia herausgegebenen Band 'Negotiating the Past: Namibia and Germany' behandelt der Autor Reinhart Kössler die vielschichtigen Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia, die stark von der Kolonialgeschichte geprägt werden. Die Erinnerung basiert auf unterschiedlicher schriftlicher und mündlicher Überlieferung. In der Interpretation gibt es strittige Variationen.

Die Rezenison des englischsprachigen Buches, 'Negotiating the Past: Namibia and Germany' von Reinhart Kössler, nahm Eberhard Hofmann, stellvertretender Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung in Namibia vor.

Der Buchumschlag mit dem Titel „Negotiating the Past“ ist mit einem bezeichnenden Motiv aus der erfolgreichen Ausstellung in Windhoek von Nicola Brandt, „The Earth Inside“, von 2013 illustriert: eine weiße Frau in traditioneller Herero-Tracht steht mit dem Rücken zum Betrachter in der Ecke eines verrußten, kerkerhaften Raumes. Implizit versetzt sie sich in eine andere ethnische (Herero) Rolle, um sich so in vertauschter Identität offensichtlich in eine unschöne, dunkle Sache zu vertiefen. „In der Bemühung, die eigene historische Position zu bestimmen und einen Abschluss mit den Leidensopfern (Kössler: victim groups) zu finden, gibt es keinen anderen Weg, als sich dem gesamten Ensemble der gewaltsamen Geschichte zu stellen, die ohnegleichen die deutsche Vergangenheit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet hat“ (Übersetzung AZ).

Entwicklungstheorie und Erinnerungspolitik

Selbiger Maßstab, den der Autor Reinhart Kössler in seinem Werk zur Aufarbeitung der Vergangenheit und Gegenwart in den deutsch-namibischen Beziehungen vorgibt, bietet eine Richtschnur, auch seine Schilderung, Thesen und Dogmen zu beurteilen, die er ausführlich im vorliegenden Buch behandelt. Der Autor ist Politologe und Soziologe an der Universität von Freiburg und leitet in der Stadt das Arnold-Bergsträsser-Institut. Zu seinem Fachbereich gehören Entwicklungstheorie und Erinnerungspolitik. Dazu einer seiner Ausgangspunkte: Erinnerung ist für ihn nicht nur „inhärent sozial“, indem sie nicht außerhalb des sozialen Kontextes steht, sondern sie ist auch „sozial anpassbar, fügsam“. Zu Beginn macht der Autor deutlich, dass es ihm erster Linie nicht um neue historische Erkenntnisse geht und das Werk nicht als Geschichtsbuch, bzw. nicht als Schilderung vergangenen Geschehens zu verstehen sei. Er will behandeln, wie Gruppen, Individuen und Institutionen/Regierungen sich auf bekanntes Geschehen beziehen, „oder in der Tat, sich weigern das zu tun (Bezug zu nehmen)“. Er verweist auf die auffällig gestiegene Intensität der Erinnerungspolitik seit dem Gedenkjahr 2004. Dennoch geht er im ersten Teil auf Historisches ein, die „Last der (Kolonial-)Geschichte“ , gefolgt von Teil II, einer detaillierten Schilderung mehrerer ethnisch-historischer Jahresfeiern unter den Herero und Nama, um gruppenspezifische Erinnerungskultur völkerkundlich aufleben zu lassen. Im Teil III plädiert er für Entschuldigung für Genozid, Reparation und befasst sich mit der Herausforderung post-kolonialer Aussöhnung.

Ein Minimum der Übereinstimmung gesucht

Im Umgang mit der deutsch-namibischen Vergangenheit schlägt er vor, dass Wege gesucht werden sollten, grausame und schmerzliche Themen anzusprechen. Zweitens sieht er die Notwendigkeit, dass „das Bild der Vergangenheit insbesondere im transnationalen und postkolonialen Rahmen“ wenigstens mit einem Minimum der Übereinstimmung zwischen den betroffenen Gruppen und Institutionen aufgearbeitet werden müsse. Mit diesen teils konstruktiven Ansätzen könnte das Buch für den angesagten Dialog historischer Aufarbeitung zwischen dem angesehen Herero-Namibier Dr. Zedekia Ngavirue und dem in selbiger Frage beauftragten Bundesdeutschen Ruprecht Lorenz und anderen eine Handreichung werden. Daher die Erwartung, dass das Werk ein Wegbereiter oder zumindest eine Hilfestellung sein könnte, womit auch in der Öffentlichkeit ein neues Kapitel aufzuschlagen wäre.

Genozid-Gläubige und Leugner

Diese Erwartung wird schnell enttäuscht, denn Kössler profiliert sich hier nicht als Brückenbauer sondern als Dogmatiker und Propagandist, der eine moralisch-religiöse Kommandohöhe beansprucht, von wo er jeden und jegliche Institution, die nicht dem Dogma und dem Glauben an den Genozid folgen, als Leugner (denialist) verdammt, eine These, die er schon länger in diversen anderen Schriften vertritt. Die Gesellschaft teilt sich ihm simpel in zwei Teile: Genozid-Gläubige, die den Genozid-Aposteln folgen, und Ungläubige, d.h. Leugner, die von belegbaren Grundlagen des größeren Kontextes ausgehen und nach mehr Erkenntnis trachten. Das Buch wurde März 2015 abgeschlossen, bevor der Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert Mitte vergangenen Jahres die anfechtbare Pauschalbezeichnung „Genozid“ für den Kolonialkrieg 1904 – 1908 auf die deutsche Amtsebene gehoben hat.

„Widerspenstig, starrsinnig“

Kössler hält ansonsten Etiketten für die deutsche Regierung bereit, die in seinen Augen den Genozid-Begriff aufs Sorgfältigste vermieden habe. Deutsche Beamte betitelt er als „widerspenstig“. Bei deutschsprachigen Namibiern ergeht er sich in der Superlative: „die höchst starrsinnige und sozial exklusive Gruppe von Siedlern“. Er jammert schon etliche Jahre, dass Namibier deutscher Zunge im Kollektiv nicht dem Genozidglauben huldigten. Daher erhalten sie Schelte, dass sie halsstarrig (obstinate) und hartnäckig (stubborn) seien. Bei der Wiederholung gehen ihm die Vokabeln aus. Es wundert nicht, dass auch Institutionen, die hauptsächlich von deutschsprachigen Namibiern gepflegt werden, im Vorbeigehen sein Vorurteil abkriegen. Beispiel: die wissenschaftlichen Gesellschaften von Windhoek und Swakopmund dienten dazu, „ethnische Privilegien zu sichern und (die Gesellschaften) tragen dazu bei, Abgrenzung aufrecht zu erhalten“, so der Wissenschaftler Kössler. Dass es in namibischen Kreisen üblich ist, die Geschichte zuerst auf der Basis belegbarer Quellen zu ergründen, bevor man tollkühne Dogmen propagiert und Klischees feiert, hat Kössler anderswo als „Faktenhuberei“ verworfen. Im vorliegenden Buch spricht er abschätzig von „facticity“ und der „Unverschämtheit“, die Faktenbasis als Ausgangspunkt zu bestimmen. Folgerichtig in den Grenzen seiner Myopie dient das Buch dann der Abrechnung mit dem unabhängigen namibischen Geschichtsautor Hinrich Schneider-Waterberg (Buchtitel: „Der Wahrheit eine Gasse“), der in den Rahmen der „Besessenheit mit Fakten“ gestellt wird. Im Widerspruch zu seiner Ablehnung von Fakten empfiehlt er an anderer Stelle dennoch, „diverse faktische Konstellationen“ zu untersuchen. Dieser Gegensatz legt den Schluss nahe, dass der Autor sich in der eigenen Rabulistik verstrickt hat.

Informative Details vom Zeitzeugen

Kössler kommt seinerseits in der Schilderung der ethnischen Gedenkfeiern, des Anlaufs im deutschen Bundestag zur namibischen Sonderresolution 1989 und in der gut informierten Recherche zum Eklat zwischen dem deutschen Botschafter Kochanke und Präsident Pohamba im namibischen Staatshaus durchaus mit informativem Detail des Zeitzeugen, mit Fakten also.

Unreflektierte Phantasiezahlen

Aber wie einige deutsche Kirchenfürsten so faselt und phantasiert auch Kössler bei Opferzahlen des Kolonialkriegs. Ohne Quellenangabe und unreflektiert bietet er 100000 Tote an, was annähernd der Hälfte der um 1900 geschätzten Gesamtbevölkerung von Deutsch-Südwestafrika entspräche! Übertriebene Totenzahlen bereiten ihm keinerlei Besorgnis, da für die Kolonialepoche nicht Tatsachen, sondern allein die exklusiv beanspruchte Deutungshohheit und die dogmatische Kommandohöhe zählen. Konstruktive Ansätze zur Aufarbeitung werden in diesem Werk wiederholt durch Überheblichkeit und Mangel an Integrität im Umgang mit historischen Grunddaten zunichte gemacht. Der Autor verfehlt seinen eigenen Maßstab, „sich dem gesamten Ensemble der gewaltsamen Geschichte zu stellen“. Geschicktes Weglassen und der Monopolanspruch seiner Kerndogmen untergraben seinen Wissenschafts- und Geltungsanspruch. Jenseits solcher Überheblichkeit gehen Aufarbeitung und Austausch indessen weiter, schon allein wegen der Notwendigkeit versöhnlicher Verständnisgrundlagen. Von einem „Schluss-Strich“ (final stroke), eine Vokabel, die Kössler fürchtet, unter dem Kapitel der Kolonialzeit sind wir tatsächlich noch weit entfernt.

„Negotiating the Past – Namibia and Germany“ von Reinhart Kössler. Herausgeber: UNAM-Press. Druck John Meinert Printing, Windhoek 2015. Broschur, mit aktuellen und historischen Fotos illustrierter Band, 378 Seiten. ISBN: 978-99916-42-09-3. In Europa durch Namibiana Buchdepot (www.namibiana.de) zu bestellen.

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Neues Buch von Reinhart Kössler: Negotiating the Past. Namibia and Germany.

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