11.04.2014

Namibia ohne Perspektiven für Nachwuchs

Namibia bietet nur geringe Perspektiven für junge, qualifizierte Leute. Der berufliche Nachwuchs orientiert sich schon seit Jahren frühzeitig ins Ausland und kehrt oft nicht zurück.

Namibia bietet nur geringe Perspektiven für junge, qualifizierte Leute. Der berufliche Nachwuchs orientiert sich schon seit Jahren frühzeitig ins Ausland und kehrt oft nicht zurück.

Namibia bietet nur geringe Perspektiven für junge, qualifizierte Leute. Der berufliche Nachwuchs orientiert sich schon seit Jahren frühzeitig ins Ausland und kehrt oft nicht zurück.

Am 26.03.014 fand im Goethe-Zentrum das „Forum Perspektiven“ statt. (Bild: v.l.n.r.: Phillip Lühl, Tanya Gärtner, Erika von Wietersheim, Bischof Erich Hertel, Naita Hishoono, Clemens von Alten und Brigitte Weidlich) Die Perspektiven ist die jährlich erscheinende Zeitschrift der Evangelisch-Lutherischen Kirche Namibias (DELK) in deutscher Sprache, in der aktuelle Beiträge zu Kirche, Gesellschaft und Zeitgeschehen veröffentlicht werden. „Das junge Namibia – Träume und Realität“, so lautet das Thema der diesjährigen Ausgabe. Angesichts der brennenden Probleme in der jungen Generation sah es das Redaktionsteam unter Leitung von Bischof Erich Hertel als notwendig an, diese Thematik mehr in die Öffentlichkeit zu bringen und lud zu einem Gesprächsforum ein. Brigitte Weidlich, freie Journalistin, Clemens von Alten, Journalist bei der Allgemeinen Zeitung, Naita Hishoono, Programmdirektorin beim Namibischen Institut für Demokratie (NID), Phillip Lühl, Dozent für Architektur an der Fachhochschule (Polytec), und Tanya Gärtner, Klasse-12-Schülerin der Deutschen Höheren Privatschule (DHPS) und Schülersprecherin, stellten sich unter Moderation von Erika von Wietersheim der Podiumsdiskussion. Es war wohltuend, dass in Namibia entkrampft über „Politisches“ diskutiert werden konnte, wobei die Podiumsteilnehmer ganz deutlich machten, dass sie Politik in einem weiten Sinne gefasst haben möchten. Eben nicht parteipolitisch, sondern unter Politik verstehe man in einer modernen Welt und Weise alles, was für das Zusammenleben in einer Gesellschaft wichtig ist. So sei dann auch der Rückzug auf die privaten (Kultur- und Sprach-) Inseln etwas höchst Politisches, weil es den Status quo festige. Neue Formen der politischen Einflussnahme müssen in Namibia gesucht werden, eben abseits der festgefahrenen Parteipolitik, denn gerade in der Ovambokultur, die sehr eltern- und obrigkeitshörig ist, ist Kritik an der mit drei Viertel Mehrheit regierenden SWAPO gleichbedeutend mit Verrat. Berufliche Chancen werden damit verbaut. „Ihr seid nicht dankbar!“, laute der Vorwurf, wenn junge Menschen aktuelle Parteipolitik hinterfragen. Für junge Herero stelle sich das ähnlich dar, aber dann noch einmal in einer verschärften Form, weil sie Teil einer Minderheit sind. Der Anpassungsdruck an die jeweils zu spielende Rolle sei immens. Für diese Sprachgruppen sei dann der anonyme Austausch in den neuen Medien wichtig. Öffentlich werden aber die Meinungen in den seltensten Fällen gemacht. Junge Deutschsprachige könnten viel freier mit Gesellschaftspolitischem umgehen, da hier die Erziehung ganz anders verlaufe, doch unter den jungen deutschsprachigen Namibiern sei ein politisches Desinteresse an namibischen Themen festzustellen, weil der Blick eher nach Deutschland bzw. ins größere Weltgeschehen gehe, bei gleichzeitigem Rückzug ins Private - eine Tendenz, die in allen Kultur- und Sprachgruppen wahrzunehmen ist. Die extreme Ungleichheit im Land sei nach 24 Jahren noch lange nicht aufgehoben. Bildungschancen und damit berufliche Möglichkeiten sollen mit einer Bildungsoffensive angegangen werden. Hier sei man, trotz der jetzigen sehr tristen Lage an den meisten Regierungsschulen, hoffnungsvoll und unterstütze in dem Bereich, in dem man arbeite, verantwortlich den Vorstoß der Regierung. Politische Bildung und die Hinführung von jungen Menschen zu einer Kritikfähigkeit europäischen Musters aber sei absolute Mangelware. Geschichte wird in den meisten Schulen in Spiegelstrichen, abseits von Quellentexten, erklärt. Meinungen werden vorgegeben und gelernt. Damit sei der Propagandaanfälligkeit Tür und Tor geöffnet. Eine Schülerin der DHPS aus dem Auditorium bestätigte das am Beispiel einer Freundin aus einer Regierungsschule. Nach einer Unterhaltung habe diese sie mit großen Augen gefragt: „Ihr diskutiert? Dürft ihr das?“ Naita Hishoono kennt dies aus ihrem Erfahrungsbereich: Bildung, zumal politische Bildung, sei Mangelware. Kritisches Denken, so meinte sie, sei auch parteipolitisch nicht gewollt. In ihren Kursen müssen erst einmal die Grundlagen der Demokratie erklärt werden. Was ist eine Gruppe? Wie funktioniert eine Gruppe? Wie leitet man eine Gruppe? Große Chance hätten aber junge Erwachsene mit einer sehr guten handwerklichen und akademischen Ausbildung. Ein Nischenmarkt eröffnet in Namibia ungeahnte und unentdeckte Möglichkeiten. Zumal hier bestens ausgebildete Menschen viel schneller eigenverantwortlich ihre Firma erfolgreich aufbauen können als in Europa oder anderswo. Dringend erforderlich seien mehr Stipendien durch bestehende Firmen. Können junge Namibier ihre Träume leben? Viele nicht. Die deutschsprachigen Namibier müssen helfen, bessere Rahmenbedingungen in den Bereichen zu schaffen, die ihnen zugänglich sind. Das sei ihre Verantwortung und ihre Aufgabe für die Gesellschaft. Es gehe um ein positives Vorbild, das dann andere mitnehme. Ist ein namibischer „Frühling“ nach arabischem Muster zu erwarten, ein Ausbruch der (frustrierten) Jugend statt ein gelingender Aufbruch? Aus zwei Gründen sehe man dies noch nicht: Einmal die Kontrolle von oben, die noch funktioniere, und zum anderen, weil noch etwas Zeit für alle gesellschaftspolitischen Gruppen vorhanden ist, entgegenzusteuern. Das mache Hoffnung. Diese Hoffnung müsse aber auch gestaltet werden, auch im Austausch in einem „öffentlichen Raum“ mit allen Sprachgruppen. Dieser fehlende Raum wurde angemahnt und als großes Problem erkannt. Den Kirchen, allen voran, den lutherischen Kirchen mit ihren Netzwerken untereinander, komme hier eine besondere Bedeutung zu. So soll das nächste „Forum Perspektiven“ sprachlich geöffnet werden.

Pastor Achim Gerber

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Namibia ohne Perspektiven für Nachwuchs.

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