31.01.2014

Namibia könnte von Südafrika lernen

Namibia könnte von Südafrika lernen. Jan van Riebeeck (1619-1677) war Kolonieverwalter in Südafrika. In Kapstadt steht sein Denkmal unangetastet.

Namibia könnte von Südafrika lernen. Jan van Riebeeck (1619-1677) war Kolonieverwalter in Südafrika. In Kapstadt steht sein Denkmal unangetastet.

Wolfgang Reith stellt einen interessanten Vergleich zwischen Namibia und Südafrika im Umgang mit historischen Relikten an.

Schon in meinem Leserbrief vom 30. Dezember 2013 („Anders in Pretoria“) hatte ich darauf verwiesen, dass man in Südafrika in Bezug auf Denkmäler oder Straßenumbenennungen sehr viel pragmatischer verfährt als in Namibia und hatte dies an einem konkreten Beispiel, nämlich der Umsetzung einer Statue des früheren Premierministers Hertzog zugunsten des neuen Mandela-Denkmals vor den Union Buildings, näher erläutert. Da nun die Thematik weiterhin einen Schwerpunkt in der Leserpost-Rubrik der AZ bildet, möchte ich sie erneut aufgreifen und mit Beispielen aus Kapstadt belegen: Kaum jemand käme hier ernsthaft auf die Idee, die Entfernung oder Umsetzung von Denkmälern der Kolonialzeit oder des Ancien Régime zu fordern. So stehen, von der breiten Mehrheit der Kapstädter Bevölkerung akzeptiert, weiterhin die Statuen von Jan van Riebeeck, Queen Victoria, King Edward VII., Louis Botha, Jan Smuts, Cecil Rhodes oder vielen bedeutenden Gouverneuren, beispielsweise Sir George Grey. Daneben sind nach 1994 Denkmäler der neuen Zeit errichtet worden, und all das verträgt sich miteinander und wird von den Einwohnern fast ausnahmslos toleriert und mitgetragen. Auch hinsichtlich der Straßennamen hat man einverträgliche Lösungen geschaffen: So wurde der frühere Eastern Boulevard zum Nelson-Mandela-Boulevard und der einstige Western Boulevard nach Helen Suzman benannt. Die ehemalige Oswald Pirow Street heißt seit zwei Jahren Christiaan Barnard Street, der Platz zwischen dem Civic Centre und dem Artscape, der vorher gar keine Bezeichnung trug, führt seit 2010 den Namen des Nobelpreisträgers Albert Luthuli, und ein Teil der Castle Street (der andere Teil behielt den bisherigen Namen) heißt seither Krotoa Street, benannt nach der ersten Khoikhoi, die 1664 in die niederländische Kolonie am Kap einheiratete. Mit all diesen Maßnahmen kann jede Volksgruppe in Kapstadt gut leben, und Proteste sind deshalb auch ausgeblieben. Statt sich an den beschriebenen Vorgängen ein Beispiel zu nehmen, fällt man in Namibia sinnlos alte Denkmäler und ersetzt sie durch Monumente im stalinistischen Stil, ausgeführt durch Sklavenarbeiter der verbrecherischsten aller Diktaturen dieser Welt, Nordkorea, und schafft völlig unpolitische und damit unverdächtige Straßenbezeichnungen ab (Erosweg, Uhlandstraße etc.), um sie nach zweifelhaften Personen wie Robert Mugabe, Fidel Castro oder General Muhammed Murtala zu benennen. Liegt es daran, dass in Namibia ein versöhnendes Vorbild wie Mandela fehlte – Nujoma war und ist ja genau das Gegenteil! –, oder ist man in Südafrika einfach geschichtsbewusster als beim nördlichen Nachbarn? Windhoek stünde es jedenfalls gut an, den vergleichenden Blick vor allem auf die „Mother City“ der Kaprepublik zu werfen und sich an den dort geschaffenen – demokratisch legitimierten! – Fakten zu orientieren. Übrigens habe ich bisher vergeblich auf eine Stellungnahme der Deutsch-Namibischen Gesellschaft (als der offiziellen bilateralen Organisation) zum gewaltsamen Abriss des Windhoeker Reiters gewartet.

Wolfgang Reith, Kapstadt

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Namibia könnte von Südafrika lernen.
In Verbindung stehende Artikel

Empfehlungen

Namibia: Eine Reiseerzählung

Namibia: Eine Reiseerzählung

Trotz abgedroschenem Klappentext ist 'Namibia: Eine Reiseerzählung' ein lesenwerter Reisebericht eines viel und aufmerksam reisenden deutschen Schriftstellers und Juristen.

Südafrika. Ein Land im Umbruch

Südafrika. Ein Land im Umbruch

Ein persönliches Landesporträt gibt vielfältige Einblicke in Geschichte, Politik, Gesellschaft und Kultur Südafrikas

Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia

Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia

Die ethnische Identität der Deutschen in Namibia als die von bestimmten Gruppen und Faktoren abhängigen Herren in einer im Umbruch begriffenen Gesellschaft, ist Gegenstand dieser Untersuchung.