27.11.2017

Lutheraner in Namibias Gesellschaft

Lutheraner in Namibias Gesellschaft: Here we stand! Reflecting on 500 years of Reformation in Namibia.

Lutheraner in Namibias Gesellschaft: Here we stand! Reflecting on 500 years of Reformation in Namibia.

Eberhard Hofmann rezensiert das Buch 'Here we stand! Reflecting on 500 years of Reformation in Namibia', welches die gesellschaftliche Haltung und Situation der Lutheraner in Namibia beschreibt.

Das Titelbild auf dem Umschlag des Essaybands, 'Here we stand! Reflecting on 500 years of Reformation in Namibia', mit der leicht abgewandelten Aussage Martin Luthers, „Here we stand“, könnte kaum vielsagender sein: Im Mittagsschatten eines knorrigen Anabaums in einem Rivier, wahrscheinlich im Kaokoveld, stehen zwei schwarze Männer und in ihrer Obhut vier Kinder im Vor- und Grundschulalter, zwei davon weiß und zwei sind schwarz, alle in gelockerter Haltung. Eine momentane kleine Schicksalsgemeinschaft, bedeutsam für die gesamte namibische Gesellschaft, die auf kirchlichen, politischen und sozialen Wegen in die Zukunft stets zur Selbstfindung unterwegs ist. 23 namhafte geistliche und Laienautoren und -autorinnen, das Vorwort von Bischof Ernst //Gamxamûb mitgezählt, derzeit Vorsitzender des gemeinsamen Rats der drei lutherischen Kirchen Namibias (UCC-NELC), umreißen und reflektieren sowohl ihre gemeinsame als auch ihre differenzierten Positionen im aktuellen Jahresrahmen: „Reflecting on 500 years of Reformation in Namibia“. Betrachtung und Stellungahme geschehen auf namibischem Boden, in namibischer Gesellschaft mit ihrer vielschichtigen, zugleich reichhaltigen Geschichte und Herkunft: „Here we stand“ , konstatieren sie in ihrer Vielfalt in Anlehnung an Luther, der seine Position nach der Überlieferung mit dem Ausspruch „Hier stehe ich und kann nicht anders“ besiegelt hat. Dieser gemeinsame Band der drei lutherischen Kirchen, aus rheinisch-deutscher und finnischer Grundsteinlegung im namibischen Kontext des 19. Und 20. Jahrhunderts hervorgegangen, ist kein einfacher Nachttisch-Schmöker, sondern eine Aufforderung an Leser, sich mit der jeweils dargebotenen Perspektive, Einschätzung und individuellen Ausblicken auseinanderzusetzen. Dieser Band hat eine kleine Vorgeschichte im Jahre 1991, als die deutschsprachigen Lutheraner Namibias, die 1985 zusammen mit zwei kleinen Kapkirchen wegen angeblichem Rassismus von der Lutherischen Weltbund-Vollversammlung in Budapest aus dem Weltverband suspendiert wurden, im LWB wieder vollwertig aufgenommen waren und daraufhin mit der ELCIN (Evangelical Lutheran Church in Namibia, vormals Evang. Luth. Ovambo-Kavango-Kirche) einen kleinen gemeinsamen Band für die LWB-Ratssitzung herausbrachten, die in Windhoek abgehalten wurde. Das jetzt vorliegende Buch war rechtzeitig zur 7. LWB-Vollversammlung in Windhoek erschienen, Mai 2017, als die drei lutherischen Kirchen als Organisatoren und Gastgeber fungierten und u. A. den Hunderten von allen Kontinenten angereisten Delegierten ein differenziertes Werk der Gemeinsamkeit präsentieren konnten. Das Buch gliedert sich in fünf Teile: 1. Geschichte der luth. Kirchen in Namibia, 2. Kirchen im politischen Unabhängigkeitskampf, 3. Reformation im heutigen Kontext zeitgenössischer Fragen, 4. Kirchen im Kontext der heutigen Gesellschaft, stets von breiter Armut gezeichnet, eine Gesellschaft auch mit neu etablierten (charismatischen) Kirchen und 5. Reformation und ordinierte Frauen. Es ist nicht möglich, hier auf alle Autoren einzugehen. Mehrfach wird das Thema der seit den siebziger Jahren angestrebten „lutherische Einheit“ angesprochen. Dr. Emma Nangolo, Pastorin in der Immanuel-Gemeinde in Windhoek resümiert in ihrem Beitrag dazu: „Es ist heute deutlich, dass die Begeisterung für lutherische Einheit der siebziger Jahre zerronnen ist, als wäre es heute keine Priorität mehr. Soviel sei gesagt: es ist dennoch wichtig darauf hinzuweisen, dass die Lutherische Kirche auf geistlicher Ebene in Namibia schon vereint ist.“ Über theologisch-reformatorische und soziale Themen hinaus (Bischof Shekutaamba Nambala, Dr. Tomas Shivute, Prof. Rehabeam Auala, Dr. Rudolf Schmid, Prof. Paul Isaack, Prof. Klaus Nürnberger und Bischof Burgert Brand) bietet der Band auch direkte Gesellschaftskritik zur Volkswirtschaft, Landreform und Bildung (Samson Ndeikwila, Dr. Martin Nelumbo, Pastor Julius Mtuleni, Prof. Henning Melber, Erika von Wietersheim mit Dr. Nashilongo Shivute, Dr. M. Ngodji, Prof. Gerhard Tötemeyer, Dr. Magdalena Ya-Shalongo und Dr. S. Löytty.) Beachtlich ist, dass die Redakteure der Schrift den von der regierenden Partei verworfenen Dissidenten Samson Ndeikwila in den Band aufgenommen haben. Ndeikwila ewähnt u. A., wie die namibischen Ex-Gefangenen der SWAPO-Straflager sich heute noch über den internationalen LWB wundern, dass diese internationalen Lutheraner trotz gegenteiliger Dokumentation und trotz Aussagen der Überlebenden die Menschenrechtsverletzungen im Sinne der politischen Führung der Partei verleugnet haben, bis heute ohne Revision, bis auf Autor Siegfried Groth mit seinen Memoiren „Namibische Passion“. Die Enttäuschten seien vielfach in die charismatischen Kirchen abgedriftet. Gerhard Tötemeyer legt den Finger mit dem Thema „Versöhnung in der lutherischen Perspektive“ ebenfalls an den aktuellen Zeitpuls der Gesellschaft. Bezeichnend für Nachholbedarf in der historischen Aufarbeitung sind allerdings Flecken klischeehafter Ignoranz wie die Aussage des Pastors Julius Mtuleni, dass der Schießbefehl des Generals von Trotha im Kolonialkrieg auch gegen „Herero- und Nama-Frauen und Kinder“ gerichtet gewesen sei, was in Mahareros Schießbefehl gegen die Deutschen nicht der Fall gewesen sei. Mitten in die seriösen Fragen hinein bietet die Autorin Silvia Schlettwein eine Vignette zum Schmunzeln. Sie hatte mit einer Studentin aus Katima Mulilo zu tun, die überzeugt davon ausging, dass die Person Martin Luther nach der verrosteten Dampflokomobile am Eingang von Swakopmund benannt worden war. Der Band ersetzt in diesem Jahr sozusagen das jährliche Kirchenjournal „Perspektiven“ (früher Afrikanischer Heimatkalender), Die Beiträge in „Here we stand“ nicht nicht weniger brisant als die „Perspektiven“.

Eberhard Hofmann

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Lutheraner in Namibias Gesellschaft.

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