07.11.2013

Die versteckte Schönheit von Windhoek

Die versteckte Schönheit von Windhoek: Das Foto des Louis-Botha-Store ist eines der liebsten von Christine Skowski. Sie ist etliche Male losgezogen, um die richtige Lichtstimmung zu erwischen. Foto: Christine Skowski.

Die versteckte Schönheit von Windhoek: Das Foto des Louis-Botha-Store ist eines der liebsten von Christine Skowski. Sie ist etliche Male losgezogen, um die richtige Lichtstimmung zu erwischen. Foto: Christine Skowski.

Wenn Christine Skowski am Fenster ihres kleinen Büros steht und über das alte Bahnviertel guckt, dann fängt die 34-Jährige an zu strahlen. Sie kennt die versteckte Schönheit von Windhoek.

„Ich liebe diesen Blick über die Gleise. Das ist ein Teil des alten Windhoek, von dem leider viel zu viel verloren geht“, sagt sie mit einem Anflug von Nostalgie in der Stimme. Während andere mit der Kamera Sonnenuntergänge jagen und wilde Tieren belauern, fotografiert Skowski die Stadt von hinten, die rauen Ecken und abgewetzten Stellen, an denen nur selten jemand die Kamera zückt. „Rückansichten“ nennt sie diese Bilder. „Namibia ist berühmt für seine Natur, auch als Hintergrund für Modefotos. Ich habe das auch alles schon fotografiert, aber das Urbane wird bei uns leider oft vergessen“, sagt Skowski. Ihr Interesse am Städtischen und Dokumentarischen haben ihre Professoren an der Fachhochschule in Bielefeld gefördert. Die fühlten sich dem nüchternen Blick der Düsseldorfer Schule verbunden. Bernd und Hilla Becher haben diese Art des Fotografierens in den 80ern und 90ern berühmt gemacht, Vorläufer sind die Fotografen der Neuen Sachlichkeit wie August Sander. Wichtig ist der distanzierte, objektivierende Blickwinkel. Diese Haltung findet man wieder in den Fotografien, die Skowski für das Buch „Hauptsache Windhoek“ geliefert hat. 23 Autoren beschreiben hierin ihr Windhoek, mal autobiografisch, mal belletristisch oder in Gedichtform. „Ich war sofort begeistert, als mich eine der Herausgeberinnen angesprochen hat. Ich habe selbst schon mit dem Gedanken gespielt, einen Bildband über Windhoek zu machen“, berichtet die 34-Jährige. Ein Gedanke übrigens, der ihr immer noch im Kopf herumschwirrt. Skowski hat die Beiträge gelesen, hat ihre Archive durchgesehen und ist losgezogen. „Es hat viel Spaß gemacht, mal wieder ganz bewusst mit der Kamera durch die Stadt zu gehen. Vor allem sonntags, da entdeckt man vieles neu.“ Entstanden sind Aufnahmen, die entweder den Text direkt illustrieren oder die ein bestimmtes Gefühl auffangen und fürs Auge sichtbar machen. Für die Taxigeschichte von Isabel Moroff beispielsweise ist sie in ihrem kleinen, türkisfarbenen Chico immer wieder durch die Stadt gebraust: „Ich hatte die Kamera griffbereit auf dem Schoß. Notfalls habe ich durch die Scheiben fotografiert“, erzählt Skowski lachend bei der Erinnerung an diese Schnellschüsse. Besonders ans Herz gewachsen ist ihr das Bild vom Louis Botha Store zum Text von Jane Katjavivi. Wieder und wieder ist sie zu dem kleinen Laden gefahren, um die richtige Lichtstimmung zu erwischen. Letztlich schmückt das Buch nun eine Aufnahme, die im schönsten Rot leuchtet. Wer etwas genauer hinguckt, entdeckt einen alten Mann, der neben der Mülltonne auf seiner Gehhilfe sitzt, ganz aufrecht, ganz starr. Fast scheint er mit der Wand zu verschmelzen, in die Architektur einzufließen und ein Teil der Stadt zu werden. Das wirkt nostalgisch, ein wenig traurig, aber dennoch anheimelnd und sanft. Da ist es wieder, das alte Windhoek, um das die junge Frau fürchtet. „Bei uns wird viel gebaut, meine Kindheitsorte sind zum Teil abgerissen worden“, erklärt Skowski, die sich während des Studiums unter anderem mit der Fotografie in Ostdeutschland beschäftigt hat. „Ein bisschen kann ich nachfühlen, wie sich die Menschen in der ehemaligen DDR gefühlt haben müssen, als ihre Heimat nach der Wiedervereinigung durchmodernisiert wurde.“ Spannend findet sie, wie man durch Fotografie die Geschichte einer Gesellschaft aufarbeiten kann. Auch in Namibia: Wie hat sich das Land durch die Unabhängigkeit verändert? Dieses Thema hatte sie direkt nach ihrer Rückkehr bearbeitet. Ein aktuelles Projekt ist zurzeit in der FNCC-Galerie zu sehen. Mit ihrem Büronachbarn, dem Filmemacher Raphael Scriba, ist sie durchs Sperrgebiet gereist. Gemeinsam haben sie Relikte eingefangen, die Überbleibsel des menschlichen Versuchs, die Natur Namibias mit ihrer endlosen Weite zu zähmen. Außerdem haben sie im Nationalarchiv nach alten Aufnahmen gesucht, diese abfotografiert und in Vergrößerung auf Glas gedruckt. Manche sind leicht transparent, andere sitzen auf Leuchtkästen. Wer sie betrachtet, den packt der Hauch der Geschichte. Vergrößerung und Beleuchtung machen viele Details sichtbar. Wie alle historischen Bilder haben sie einen eigentümlichen Sog: die alten Herren, die auf einem wackeligen Etwas auf Schienen durch die Wüste fahren, der herausgeputzte Reisende im schicken, weißen Anzug, der mit Gehstock und Schnauzer im Sand posiert, die kleine Karawane, die malerisch die Düne hinabsteigt. Der Vergleich zwischen Heute und Damals, der hat es Skowski angetan: „Mittlerweile fahren wir im klimatisierten Geländewagen durch die Wüste. Irgendwie ist das schon verrückt.“ Die Zeit schreitet voran, unaufhaltsam. Wohin es geht, ist ungewiss, aber Christine Skowski zückt die Kamera, wenn es spannend wird.

Alexandra Schröder

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Die versteckte Schönheit von Windhoek.

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