Zwischen Ankunft und Abschied. Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika, von Richard Helm

Zwischen Ankunft und Abschied. Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika, von Richard Helm.

Zwischen Ankunft und Abschied. Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika, von Richard Helm.

Augenzeugenberichte, gesammelt von Richard Helm in seinem Buch 'Zwischen Ankunft und Abschied' handeln von Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika.

Ausfahrt und baldige Einkehr

[…] Schließlich hatte sich auch das Jahr 1943 eingefunden und zu den anderen gesellt; zu den bereits vergangenen Ausnahme-Jahren. Ausnahmen nämlich, was die Behandlung eines Teils der Bevölkerung betraf. Sonderbehandlungen für Tausende in Internierungslagern! Begründet durch den Kriegszustand, in dem sich Südafrika seit 1939 mit dem Deutschen Reich befand, und in den hinein sie eine kleine aber sehr energische und einflußreiche Gruppe getrieben hatte. Ausnahmen aber auch im Alltagsleben der anderen: Benzinknappheit - also hin zum Kohlegasmotor oder gar zurück zur guten alten Donkeykarre! Keine Produkte mehr aus Übersee - also dann versucht es halt einmal mit denen aus Südafrika! usw. In Südwest zeigte sich der Krieg als ein Zustand der indirekten Wirkungen, als Krieg vom Hörensagen und mit allmählich aber unerbittlich zu Tage tretenden Veränderungen. Ein beachtlicher Teil unserer Bekannten und älteren Freunde befand sich bereits seit Jahren hinter Stacheldraht, und noch immer fuhr das offizielle Fahrzeug, die „grüne Minna“, dann und wann einmal hinaus auf eine Farm oder vor ein Haus in der Stadt und nahm einen der bisher verschont geblichenen deutschen Einwohner in Gewahrsam. Zuerst war das ja noch alles recht unterhaltsam gewesen, bis 1940, nach Beendigung des Frankreich-Feldzuges. Eine Abwechslung vom Alltagseinerlei, und zwar eine kurzzeitige, denn das Ende des Krieges würde nun wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Man konnte also die Tage leicht abschätzen, bis dieses ereignisreiche Zwischenspiel zu Ende sein würde und man, als ein Mitstreiter und Mitsieger, zurück in die Heimat konnte. Was für ein Hallo das geben würde! Die vielen Geschichten und Anekdoten, die sich dann erzählen ließen - und die Südwester konnten erzählen - die genußreiche und sehr ausführliche Aufbereitung der vergangenen, großen Epoche, an der natürlich nur die teilnehmen durften, die „dabei“ waren; die anderen mußten, zusammen mit den Frauen und Kindern, andächtig zuhören oder es bei gelegentlichen Fragen bewenden lassen. Ja, und da geriet dann schon bald so mancher ein wenig in Sorge, ob wohl bis zum Kriegsende noch genügend Zeit sein würde für eine Wandlung vom gutbürgerlichen Mitbewohner zum kampferprobten Mitstreiter. Jemand, der auch „abgeholt“ worden war, weil ihn der Feind für wichtig und gefährlich genug hielt! Je öfter also das bewußte offizielle Fahrzeug am eigenen Haus vorbeifuhr und einen Nachbarn abholte, desto heftiger regte sich der Zweifel an der eigenen Bedeutung. Nach was für Gesichtspunkten verhafteten die denn? Das waren doch alles ganz harmlose Leute, die man da einsperrte! Mußte man denn die Behörden wirklich erst von der eigenen Gefährlichkeit überzeugen? Das geschah dann bisweilen, indem so ein verkannter Zeitgenosse vor dem Magistratsgebäude - um Mitternacht und stockbesoffen - das Horst-Wessel-Lied anstimmte. Was die Behörden dann auch meistens überzeugte; die „grüne Minna“ hielt nun endlich auch vor dem Haus, an dem sie so lange und so achdos vo-beigefahren war. In der Zeit 1940/41 ließen die Ereignisse in Europa uns Schülern der Abschlußklasse noch genügend Raum für die Vermutung, der Krieg könnte vielleicht vor dem Matrikexamen im November 1941 zu Ende sein und uns vor diesem Ereignis mit unsicherem Ausgang bewahren. So daß es eigentlich voreilig war, gar zu viel Energie in die Prüfungsvorbereitungen zu investieren. Wir jungen Burschen waren alle schon einmal von irgendeinem Gedankeninspektor verhört worden, der genau wissen wollte, ob wir Adolf Hitler als unseren Führer ansehen - was alle Verhörten behaupteten, mit „Ja“ beantwortet zu haben -, und ob wir wünschten, daß Deutschland den Krieg gewinnt. Für die Erwachsenen mögen diese Verhöre ein Problem gewesen sein, denn entweder erregten sie den Unwillen der Inquisitoren oder sie gerieten in Gefahr, ihren Bekanntenkreis wechseln zu müssen! Wir Heranwachsenden dagegen, die wir ohne Verpflichtungen für eine Familie waren, antworteten ohne Scheu frisch von der Leber weg. An einem Sonntag vormittag wurden einmal bis zu 20 Schüler und Halbstarke auf der Straße von der Polizei angehalten und zum Verhör geschleppt. Ein aufwendiges Unternehmen, das einer Verschwörung auf die Spur kommen sollte! Denn alle diese festgenommenen Jugendlichen trugen weiße Hemden, weiße Socken und schwarze Schuhe, gehörten also offensichtlich ein und demselben Geheimbund an. Waren möglicherweise jugendliche Wehrwölfe, die den Tintenpalast mit all seinen unersetzlichen Akten in die Luft sprengen oder den kostbaren Rasen des Bowling-Platzes stehlen wollten. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Zwischen Ankunft und Abschied. Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika, von Richard Helm.

Buchtitel: Zwischen Ankunft und Abschied
Untertitel: Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika
Autor: Richard Helm
Reinhold Kolb Verlag
Mannheim, 2005
ISBN 9783936144697 / ISBN 978-3-936144-69-7
Broschur, 21x15 cm, 364 Seiten, 50 sw-Abbildungen

Helm, Richard im Namibiana-Buchangebot

Zwischen Ankunft und Abschied. Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika

Zwischen Ankunft und Abschied. Einige Begebenheiten aus dem ehemaligen Südwestafrika

Zeizeugenberichte in 'Zwischen Ankunft und Abschied' handeln von Begebenheiten aus der Zeit von 1908 bis 1947 in Südwestafrika unter deutscher und südafrikanischer Herrschaft.

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