Unterwegs: Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches, von Artur Heye

Unterwegs: Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches, von Artur Heye.

Unterwegs: Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches, von Artur Heye.

In dem ungewöhnlichen Lebens- und Reisebericht des Abenteurers Artur Heye, Unterwegs: Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches, beschreibt er seine Wanderungen zwischen 1899 und 1909.

Artur Heye  

Ich bin ein Romantiker von Geburt und Bestimmung. Verworren bunte Träume vom Außergewöhnlichen und Abenteuerlichen sind meine ersten, aus dumpfer Kindheit stammenden Erinnerungen. Eine Sucht hinauszugehen, ferne Länder zu sehen, Besonderes zu vollbringen, jeden Weg zu gehen, nur nicht den, den alle gingen. Aber auch eine innere Gewißheit, daß es nicht nur Träume blieben, daß ich wirklich in meinem Leben weite, abseitige und alleinige Wege gehen würde. Die Ansichten meines Stiefvaters jedoch waren aller Romantik bar, Seemanns-, Indianer- und Forscherleben interessierten ihn nicht. Ihn interessierten nur Wochenlohn und Kostgeld. Bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr war allerdings seine Faust stärker als mein Nacken. Im Gebiß knirschend wie ein junges Pferd, fuhr ich, nachdem ich die Schule verlassen hatte, ein halbes Jahr lang für eine Buchhandlung Bücherpakete durch die Stadt. Man gab mir einen zweirädrigen Handwagen, und in seiner Gabel zog ich, meist mit gesenktem Kopfe; denn das Paket von Wagner & Sohn, das ich abholen wollte, war nur ganz beiläufig tief unten im Unterbewußtsein. In meinem Bewußtsein aber war ganz lebendig, scharf und gegenwärtig etwas wesentlich anderes. Da fuhr der Wind über hohes, wogendes Gras, seine Wellen glitten fort in unendliche Weiten bis zu einem Gebirge, das dunkelblau aus der Ferne schimmerte, und durch das Grasmeer trabten Reiter in phantastischer Kleidung, und unter ihnen trabte ich mit, einem geheimnisvollen Ziele zu. Eine Sonne brannte herab, heißer und flammender, und ein Himmel spannte sich darüber, tiefer und blauer als der bekannte und alltägliche, und das Gras war höher und grüner, als das auf den Fluren der Heimat. Oder ein Schiff glitt über schäumende See und durch sturmdurchheulte Nacht. Die schräggeneigten Masten ächzten und knarrten, die See brüllte, die Nocken der Rahen tauchten ins Wasser. Und hoch über dem im Winde wie Harfen tönenden Tauwerk der Takelage, unter jagenden Wolken, stand ich im Fußpferd, zog mit klammen Fingern und doch mit jauchzendem Herzen an einem knatternden Segel, übersprüht von Gischt und im dunklen Räume hin- und hergeschwungen in ungeheuren Bögen. Oder saß unter sternenfunkelndem Himmel an einem einsamen Feuer, in Felle und Leder gekleidet und braungegerbt von Wind und Wetter. Schweigen ringsum, leblose Oede, weltverlorene, tiefe Wildnis, tausend und tausend Meilen weit kein Mensch. Jäh und plötzlich, wie solch ein Bild aufleuchtete, versank es wieder und ein anderes trat an seine Stelle; und ich hatte dabei immer rechts und links die Gabel und zog, mit gesenktem Kopfe trabend, meinen Wagen. Ganz unten lag wohlverwahrt meine Aufgabe bei Wagner & Sohn und oben gaukelte eine Strophe aus dem Lied des Windes auf und ab und kam schließlich in Worten über die Lippen. Ganz simpel nur waren sie und doch alles für mich umfassend und aussprechend, ein Lebensprogramm enthaltend: „Ich tanzt' im gelben Wüstensand, Ich sang mein Lied am Eismeerstrand …". Wagner & Sohn, Volckmar, und K. F. Köhler wurden dabei alltäglich und treulich besorgt, aber immer knirschend und mit Blicken rechts und links, wo sich etwa eine Gasse öffnete hinaus in die Weite der Welt, der blauen Blume nach. Sie mußten besorgt werden, weil ich ja einen Wochenlohn beizubringen hatte. Da öffnete sich auf einmal die Gasse! Mehr als drei Blicke habe ich nicht um mich geworfen, ehe ich hineinsprang und aus der Welt der Barpakete und Remittenden verschwand. Es war ein Regentag im Oktober, ich zog meinen Wagen durch die Königstraße, und in meinem Kopfe spielte sich gerade ein blutiges Drama mit einem Grizzlybären der Felsengebirge ab, da klingelte es unter meinem Fuß, hüpfte, blinkte goldig auf, lag dann im strömenden, schmutzigen Regenwasser still und sah mich freundlich an - ein Zwanzigmarkstück! […]

Dies ist ein Auszug aus den Memoiren: Unterwegs. Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches, von Artur Heye.

Titel: Unterwegs
Untertitel: Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches
Autor: Artur Heye
Illustrator: Walter Rosch
Verlag: Safari-Verlag
13. Auflage. Berlin, 1925
Originalleinen, 13x20 cm, 288 Seiten, Titelportrait, einige Zeichnungen

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