Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika, von Siegfried Groth und Hans de Kleine

Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika, von Siegfried Groth und Hans de Kleine.

Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika, von Siegfried Groth und Hans de Kleine.

Um Einheit und Auftrag ist eine Aufsatzsammlung von von Siegfried Groth und Hans de Kleine anläßlich 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika. Der folgende Auszug ist aus dem Kapitel Mission unter den zersplitterten und verstreuten Stämmen Südwestafrikas.

Mit der Errichtung der deutschen Schutzherrschaft im Jahre 1884 begann eine neue Zeit, auch für die Mission. Zunächst wirkte sich die Anwesenheit einer kolonialen Schutz- und Ordnungsmacht positiv aus in einem Lande, das von jahrzehntelangen Kämpfen zwischen den Stämmen gekennzeichnet war. Die Stammesfehden fanden ein Ende. In der neuen Situation lag den Missionaren daran, Grund und Boden für die einheimischen Völker zu reservieren. Sie mühten sich darum, bestimmte Gebiete, sogenannte Reservate, für die südwestafrikanischen Stämme sicherzustellen. Leider kam die Schutzmacht diesem so wichtigen Anliegen der Mission nur in geringem Maße entgegen. Im Blick auf das Wachstum und die Weiterentwicklung der Gemeinden war in den nächsten zwanzig Jahren, also von 1884 bis 1904, ein wirklicher Fortschritt zu verzeichnen. Die jungen Gemeinden festigten sich, neue Stationen wurden gegründet, einheimische Kräfte herangebildet. Daneben aber gab es mancherlei Nöte und Schwierigkeiten. Die Trunksucht nahm mit der Zivilisation erschreckend zu. Die heidnische Vergangenheit hatte noch eine große Macht. Die Weißen gaben den afrikanischen Christen oft kein gutes Vorbild. Für die Missionsarbeit war von Bedeutung, daß die Völker sich in der neuen Epoche nicht mehr so geschlossen und einheitlich darstellen konnten. Die Arbeit der Afrikaner auf den Farmen und in den Minen und in den Ortschaften bei den Weißen brachte eine große Veränderung mit sich. Man konnte schon um die Jahrhundertwende an nicht wenigen Orten die verschiedenen Stämme ansässig finden. Aber die „völkische Grundstruktur der Gemeinden" blieb bis 1904 aufs ganze gesehen bewahrt.

Mitten in die Entwicklung und Ausbreitung der Missionsarbeit brach der blutige Herero- und Nama-Aufstand herein. Die alten Stammesfehden waren beendet, aber nun erhoben sich die stärksten Stämme, die Herero im Norden und die Nama im Süden, um gegen die deutsche Herrschaft zu kämpfen. Die Herero mußten in diesem furchtbaren Krieg zu Tausenden sterben. In dieser Notsituation griffen die Missionare wieder jene beiden Aufgaben an, die in den ersten Jahrzehnten der Nomadenmission in Südwest von Bedeutung gewesen waren. Sie übernahmen den Dienst der Sammlung der Bevölkerung und der Friedensvermittlung. Es waren die Missionare, die auch in diesem unseligen Streit als Friedensboten auftraten und „Friedenspatrouillen" ausschickten, die sich der Geschlagenen und Zerstreuten annahmen.

Unter der Leitung der Mission wurden Tausende von fast verhungerten Herero in Sammellagern untergebracht und betreut. Die Herero- und Namamission, die in jahrzehntelanger, mühsamer Arbeit aufgebaut worden war, erlitt durch den Aufstand von 1904-1907 einen gewaltigen Rückschlag. Besonders die Konsequenzen, die die deutsche Schutzmacht aus dem Aufstand zog, sollten sich in einer Weise auswirken, die für die gesamte Missionsarbeit der Zukunft die größten Probleme hervorrief. Die Deutschen faßten nämlich den folgenschweren Beschluß, die einheimischen Stämme zu zerstreuen und zu zersplittern, um dadurch ihre Macht zu brechen. Der damalige Missionsinspektor Drießler schrieb über diesen radikalen Eingriff der deutschen Kolonialmacht in die alte Stammesordnung:

„Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Verteilung der Arbeitskräfte und die politisch scheinbar erforderliche Zerschlagung der Stammesverbände schufen in Südwestafrika ein eigenartiges Volksbild. Die verschiedenen Stämme wurden im ganzen Lande bunt durcheinander gewürfelt. So wurden nach Windhoek 1000 Witboois verpflanzt, 100 weitere nach Grootfontein-Nord. Nach Karibib kamen Veldschoendrager (Feldschuhträger) von Keetmanshoop, nach Okahandja Leute von Hoachanas. Fast an allen Orten lebten nun Herero, Nama, Bergdama und je länger je mehr auch Ovambo in völkisch geschlossenen Werften nebeneinander. Eine babylonische Sprachverwirrung setzte ein".

Hand in Hand mit dem Zerbrechen alter Stammesordnungen ging eine radikale soziale Umschichtung der Südwester Völker vor sich. Die freien Nomaden und Viehzüchter wurden zu Viehknechten der weißen Farmer und zum Industrieproletariat das sich für die Minen zur Verfügung stellen mußte. Die Mission aber hatte ihre Methoden zu ändern und neue Wege zu suchen, um die einheimischen Farmarbeiter auf den Tausenden von Farmen zu besuchen, wo sie kleine und kleinste Gemeinden bildeten. Sie mußte sich der Lokationsbewohner annehmen, die als Entwurzelte besonders gefährdet waren. Und sie hatte die schwierige Aufgabe zu erfüllen, Kontakt mit den Bewohnern der Reservate zu halten; denn die Missionare wohnten weit entfernt von ihnen. Die Nomadenmission in Südwest wurde zu einer Diasporamission besonderer Prägung, wenn man sich die neue Situation vor Augen hält.

Die kleinen und kleinsten Gemeinden auf den Farmen und Lokationen und in den Reservaten, die sich aus völlig verschiedenen Völkern zusammensetzten, mußten in einem dünnbesiedelten, weiträumigen Land in den verschiedenen Sprachen der Stämme geistlich versorgt werden. Missionare und einheimische Evangelisten und Helfer waren häufig unterwegs und legten große Entfernungen zurück, um die Gemeinden zu erreichen. Eine fast unlösbare Aufgabe war der Mission in dieser Situation der zersplitterten Nomadenvölker gestellt. Noch zweimal sollte die Missionsarbeit in den kommenden Jahrzehnten schwere Rückschläge erleiden, nämlich durch die beiden Weltkriege.

Wieder wurde das Wachstum der Gemeinden stark gehemmt. Dennoch konnte sich die Missionsarbeit in den ersten drei Jahrzehnten unseres Jahrhunderts entwickeln, und die Zahl der Christen aus den verschiedenen Völkern wuchs, so daß 1931 drei Fünftel aller Bewohner der sogenannten Polizeizone zur Rheinischen Mission gehörten, insgesamt 92000 Christen, und zwar etwa 20000 Nama, 24000 Herero, 24000 Damara, 8000 Bastards, 8000 Ovambo und 5000 Buschmänner. […]

Inhaltsverzeichnis: Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika

Zur Einführung
Dr. theol. Hans de Kleine und Pastor Siegfried Groth  
Vorwort
Präses Professor D. Dr Beckmann
Das Ringen um die Einheit der Kirche Jesu Christi
in Südwestafrika
Pastor Siegfried Groth
Das Problem des Legalismus
im Leben einer jungen Kirche
Pastor Dr. theol. Theo Sundermeier
Kirche und soziale Frage in Südwestafrika
Pastor Rudolf Weßler

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika, von Siegfried Groth und Hans de Kleine.

Untertitel: 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika. Eine Aufsatzsammlung.
Herausgeber: Siegfried Groth; H. de Kleine
Verlag der Rheinischen Mission
Wuppertal 1967
Originalbroschur, 14x20 cm, 71 Seiten, 1 Karte

Groth, Siegfried und de Kleine, Hans im Namibiana-Buchangebot

Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika

Um Einheit und Auftrag. 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika

Um Einheit und Auftrag: 125 Jahre Kirche und Mission in Südwestafrika stellt die wesentlichen Probleme dar, denen sich die junge Kirche in Südwestafrika gegenüber sah.

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