Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!, von Jutta Bückendorf

Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!, von Jutta Bückendorf.

Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!, von Jutta Bückendorf.

In Ihrer Studie Schwarz-weiß-rot über Ostafrika! betrachtet Jutta Bückendorf die komplexen Vorgänge rund um die Gründung der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika.

Das Afrikabild der heutigen Zeit kennt gemeinhin zwei Extreme. Auf der einen Seite gibt es das aus Safarizauber, Naturschönheiten und viel Folklore komponierte Afrika der Reiseprospekte und Fotobildbände, auf der anderen Seite den von Hungersnöten und Bürgerkriegen geschüttelten Kontinent aus den täglichen Nachrichten. Beides verkürzt die Tatsache, aber das ist nicht neu. Auch das 19. Jahrhundert kannte und pflegte diese beiden Afrikabilder, und in der historischen Überlieferung zur deutschen Kolonialzeit sind sie stets präsent. Vorgeprägt wurde das Bild von Reisenden und Entdeckern, die eine neue Welt kennenlernten und naturgemäß alles das schilderten, was ihnen besonders fremd und exotisch erschien. Der Vorstoß ins Unbekannte, die Entdeckung neuer Länder und Menschen wurde zum wissenschaftlichen Abenteuer, mit dem sich Europa nicht nur seine eigene Leistungsfähigkeit, sondern auch seine Überlegenheit gegenüber der neu entdeckten Welt bestätigte Neben politischen und wirtschaftlichen Überlegungen der Expansionsverfechter war es vor allem dieses Überlegenheitsgefühl, das die koloniale Aufteilung Afrikas rechtfertigen mußte. Unfähig und unwillig, hinter der fremden Fassade funktionierende Kulturen und Gesellschaftssysteme mit anderen Wertmaßstäben zu sehen, und weit davon entfernt, ihnen in der erlebten Form eine dauerhafte Existenzberechtigung zuzugestehen, wollten die Europäer den für sie in mehrfacher Hinsicht „schwarzen Kontinent" nach eigenen Vorstellungen erschließen und umformen - kurz: „zivilisieren". Je mehr Widerstand Afrika dagegen setzte, desto richtiger erschien in den Augen der Zeitgenossen die Durchsetzung europäischer Führung.

Ein Blick auf die afrikanische Landkarte aus der Zeit um 1890 vermittelt den Eindruck, Europa habe seine Ziele durchgesetzt - doch in welchem Umfang war dies tatsächlich der Fall? Anhand einer Untersuchung über die Anfänge der größten deutschen Kolonie, des „Schutzgebietes" Deutsch-Ostafrika, soll nachgezeichnet werden, wie sich die Situation unter der schwarz-weiß-rot markierten Papierfläche tatsächlich entwickelt hatte. In welchem Umfang hatten sich deutsche Kolonialpläne und afrikanische Realitäten gegenseitig beeinflußt, und welche Faktoren bestimmten maßgeblich den Lauf der Ereignisse? Nur vor einem doppelten Szenario, also durch eine Synthese der Entwicklungen und Ereignisse in Ostafrika und im Deutschen Reich, kann ein differenziertes und möglichst authentisches Bild der Anfangszeit Deutsch-Ostafrikas gewonnen werden. Dieser Vorgabe folgend, widmet sich der erste große Teil der vorliegenden Arbeit den grund-legenden kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen in Ostafrika - ohne allerdings den Anspruch zu erheben, eine vollständige Geschichte der verschiedenen ostafrikanischen Volksgruppen zu sein.

Vielmehr geht es darum, einen Hintergrund zu schaffen, vor dem die Ereignisse im Rahmen der deutschen Etablierung verständlich werden. Es stellt sich vor allem die Frage, inwieweit bereits in dieser Phase Entwicklungen ihren Anfang nahmen, die einige Jahrzehnte später das Eindringen der Europäer und ihre Etablierung als Kolonialmächte ermöglichten oder zumindest erleichterten. Das Augenmerk muß neben den Veränderungen auf dem Festland auch dem Sultanat Sansibar gelten, denn der Inselstaat bildete für die Vertreter der Kolonialmächte nicht nur in geographischer, sondern auch in politischer Hinsicht das Eingangstor zum östlichen Afrika. Nach einer Betrachtung der deutschen Kolonialbewegung sowie einer kurzen Analyse der bismarck’schen Kolonialpolitik - beide zusammen bilden die zweite Hintergrundfolie für das zukünftige Geschehen - steht dann der Beginn kolonialer Etablierung in Ostafrika selbst im Vordergrund.

Welche Personenkreise und Institutionen ergriffen die Initiative dazu? Mit welchen Vorstellungen kamen sie nach Ostafrika, und wie gingen sie dort bei der Verwirklichung ihrer Pläne vor? Welche Reaktionen gab es bei den betroffenen Afrikanern und den anderen Mächten, die in diesem Territorium Ansprüche anmeldeten? Eine Gegenüberstellung von Plan und Realität deutscher Kolonisation in Ostafrika läßt nicht nur die allgemeingültige Doppelstrategie der Kolonialmächte im „Scramble for Africa" deutlich werden - nämlich die Aufteilung des Kontinents am internationalen Verhandlungstisch und die spätere Durchsetzung dieser festgeschriebenen Ansprüche vor Ort -, sondern sie illustriert auch die praktischen Probleme einer solchen Vorgehensweise. Besonders interessant und nicht ohne aktuellen Bezug ist dabei die Frage nach dem Selbstbild und der Fremdwahrnehmung jener Parteien, die sich in Ostafrika miteinander konfrontiert sahen.

Gerade in diesem geistigen und nicht zuletzt geistlichen Bereich lagen grundsätzliche Determinanten, die den Umgang miteinander und damit das weitere Geschehen maßgeblich bestimmten. Einige dieser Grundeinstellungen haben sich bis heute nur wenig verändert. Das anschließende Kapitel greift dann erneut die Vorgehensweise der Kolonialherren in ihrem afrikanischen Wirkungskreis auf und beleuchtet die Hintergründe für das Scheitern des bis dahin verfolgten deutschen Kolonialkonzeptes. Eine Untersuchung der wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten und Probleme der zuständigen Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft sollte Hinweise darauf geben, welche Bedeutung die afrikanische Seite den deutschen Aktivitäten bisher zugemessen hatte, und welche Interessengruppen sich durch die Ereignisse des Jahres 1888 derart gestört oder sogar bedroht fühlten, daß es zum Ausbruch der sogenannten Küstenaufstände der Jahre 1888 bis 1890 kam. Das Interesse gilt dabei sowohl den Beweggründen und der Organisation der „Aufständischen" selbst als auch der Reaktion der international abgesicherten, vor Ort aber herausgeforderten und nahezu vertriebenen deutschen Kolonialmacht.

Mit diesem Schritt ist der Übergang zum abschließenden Kapitel der Arbeit bereits zur Hälfte getan, denn dasselbe untersucht die Hintergründe, die zur Ablösung der Kolonialgesellschaften durch das Deutsche Reich führten. Zunächst ist zu erklären, warum sich Bismarck 1889 genötigt sah, das Deutsche Reich weitaus stärker als je von ihm geplant in Ostafrika zu engagieren, und in welcher Form er schließlich dort eingreifen ließ. Ein ausführlicher Überblick über die Kampfhandlungen der Jahre 1888 bis 1890 gibt dann nicht einfach nur Aufschluß über Sieger und Verlierer der Aufstände geben, sondern er ist auch der Schlüssel zur Analyse der veränderten Situation in Ostafrika. Was bewog das Deutsche Reich und Großbritannien 1890 dazu, die vier Jahre zuvor vermiedene vollständige Aufteilung Ostafrikas nachzuholen? Und was führte tatsächlich zum Wechsel des deutschen Kolonialkonzeptes und zur Übernahme des Schutzgebietes durch das Deutsche Reich - koloniale Planspiele vor europäischem Hintergrund oder doch notwendige Zugeständnisse an afrikanische Realitäten? Die vorliegende Arbeit will darauf Antwort finden.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!, von Jutta Bückendorf.

Buchtitel: Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!
Untertitel: Deutsche Kolonialpläne und afrikanische Realität
Autorin: Jutta Bückendorf
Reihe: Europa-Übersee Band 5
Lit-Verlag
Münster 1997
Broschur, 16x23 cm, 492 Seiten, 3 Karten

Bückendorf, Jutta im Namibiana-Buchangebot

Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!

Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!

Deutsche Kolonialpläne und afrikanische Realität in Deutsch-Ostafrika, dargestellt in Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!

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