Raka: Kapitel III. Der Tanz, von N. P. van Wyk Louw

Kapitel III: Der Tanz - Aus dem Epos Raka von N. P. van Wyk Louw, ins Deutsche übersetzt von Wilhelm Kellner.

Kapitel III: Der Tanz - Aus dem Epos Raka von N. P. van Wyk Louw, ins Deutsche übersetzt von Wilhelm Kellner.

Kapitel III: Der Tanz - Aus dem Epos Raka von N. P. van Wyk Louw, ins Deutsche übersetzt von Wilhelm Kellner.

N. P. van Wyk Louw  Wilhelm Kellner  

Kapitel III: Der Tanz

Sie saßen fröhlich am nächtlichen Brand,
bis Koki in gelber Glut plötzlich stand
und sprach: „Raka muß sterben, das große Tier!"
Da war der Kral ein graues Revier
der Stille in der lauten Nacht, die rundum
im warmen Urwald lärmt'. Es starrten stumm
weiße Augen ihn an über der Flammen Schein.
„Das schwarze Tier wird stets euer Begleiter sein;
es kriecht an eure Feuer in der Nacht,
und wo eure Kinder spielen, hält es die Wacht,
bis niemand mehr wehrt seiner plumpen Hand;
aber dann werden von eurem Tor Riemen und Band
in fremd-düstrer Nacht sich lockern und lösen,
und Raka kommt hervor aus dem bösen
Wald, sitzt zwischen unseren Feuern und bleibt.
Soll es sein, daß er sein Wesen hier treibt?
Kennt, Raka, das Tier, das Netz der Worte so fein gesponnen,
womit wir aus vielen Wassern und Bronnen
einfangen die Fische glitzernd und dick?
Kennt er das Feuergeheimnis? Hat er Geschick.
daß er die fahlen Fäden der Wolle spinnt und webt
und mit Farben durchtränkt? Lernte er, wie man lebt
unter den Gesetzen, von denen die Ältesten singen?
Kann er Pfeilspitzen schleifen und die dünnen Klingen
zum Glänzen bringen? Das rasche Tier sei tot!
Oder er herrscht über uns und bringt Not
und lange Pein." Aus ihrem kalten Stein
schlugen seine Worte Feuer, daß vor ihrem Schrein
der Urwald kurz verstummend ruht'.
Doch als die Stimmen noch keuchten im Qualm der Glut.
sprach Koki wieder: „Und ich will gehn!"
Denn dieser Aufschrei ließ ihn still verstehn,
sie priesen nicht sein Wort, nur seine Kraft,
und als ihr wüstes Schrein im Rauche aufstieg schemenhaft,
begriff er: einsam würd' in ihren Reihn
mit seiner Angst um Kostbarstes er immer sein.

Dann sprang er rasch hinaus zwischen der Feuer Saum
und begann allein den großen Tanz in dem leeren Raum,
den Kriegstanz von seiner Rasse und seinem Blut.
Von unten sahen sie den scharfen Schatten vor der Glut
der flachen Feuer schwanken, aber der Schrecken umfaßt
da ihre Herzen wie eine Hütte, wie von zähem Bast
ein Strick; doch allein er
sah mit Augen, die blind und leer,
weiden den roten Bullen des Bluts und der Schlacht
und hatt' in seiner Kraft das wilde Spiel entfacht
vor dem blanken Maul und dem glänzenden Horn,
die über seinen Händen und Augen rasten im Zorn.
So hat er getanzt ...

Und einer stand auf,
trat näher an den Rand von Kokis wildem Lauf
und tanzte auch, bis Mann für Mann
wie ein Karos abwarf den Bann
der Furcht, allein des Tanzschritts seines Stamms bewußt.
Und bebend stieg der Klang uralten Lieds aus jeder Brust,
aufreizend und schrill, wie über dem Rasseln von Schilden
die lange Reihe der Krieger den hohen, wilden
Flötenschrei ausstößt - und alle verfielen dem Tanz
mit Augen und Körpern gerötet vom Glanz
der purpurnen Glut,
und Koki voran, und die Wut
und das nasse Maul des Bullen waren vor
und über seinen Augen und das Brüllen im Ohr
wie das Dröhnen in hohlem Trommelstamm,
und er bäumte sich und stürzte rücklings auf den Kamm
einer wilden Woge - doch er war allein
mit des Grasgestrüpps blauem Schein
um ihn her in seinem bittern Tanz -
dem schneidenden Gras und dem Bullen des Bluts, der ganz
über ihm ragt', und sah keinen der tanzenden Schar . . .
als plötzlich aus dem Dunkel, grell und klar,
über die Palisaden und den gelben Wall
der Feuer, nahe, draußen, der Schall
von Rakas Lachen aufklang - da verstummte die Nacht,
und aus dem schwarzen Gewimmel schlichen sie sacht,
nacheinander, zurück an die kalten Feuer
und die weiße Asche und lauschten dem Krachen
der Äste und dem Scharren und dem nächtlichen Wachen
des großen Tiers am Kral so dicht.
Doch Koki tanzt' einsam im fahlen Licht
des weiten Platzes und wußte nur
von dem Schild und dem Ried und der breiten Spur
der Klinge im Fleisch, die das Leben zerstört.

An den Feuern wurden alte und weise Worte gehört:
„Raka ist gar nicht schlecht, er, der den Frieden liebt
und, wie er gekommen, sich weiterbegibt,
und niemand weiß von ihm nach kurzer Frist."
„Er ist voll seltsamer Vorstellungen und vergißt
viel Weisheit, viel frühere Pein und Gefahr."
Da wurden die lauschenden Frauen der Furcht gewahr,
die unter den tiefen Worten verborgen steckt,
wie der stille Tümpel, von schlankem Ried verdeckt,
und es glaubte noch mehr an Raka ihr Herz
in süßem Schreck und Erwartung, und urwaldwärts
sind ihre Blicke gedankenverloren geschweift,
wo das schöne, starke Tier umherirrt und ausgreift
nach ihrem Leib. - Nur Koki, groß und einsam, betrat
in einem neuen Tanze still den Pfad,
auf dem es keine Rückkehr gibt:
im Tanz von dem, der stirbt, der nichts mehr hoffen will
in diesem süßen Leben, im Wandeltanz wie der der Sterne still
in jeder Nacht, der Weißen Blume, die im Frührot blüht,
des Blauen Feuers im Hund, das hinter sich her die Gestirne zieht
über die großen Ströme zum brandenden Saum
des Meers - und er wandelte leicht und in einem einzigen Traum
zwischen dem braunen Volk, zwischen Angst und staunendem Blick,
und der rote Stier wich zurück
zu den fernen Horizonten, doch er schritt
den stillen Tanz und glitt
durch die blinden Kreise, wie der Faden sich reiht
im Webstuhl und in einem grauen Kleid
die Gewebe mit dunklem Beben bindet.
Und er findet
sich im grauen Land ohne Gras und Baum
mit grauem Wind und einsamem Wasser und dem Schaum
der Brandung am fernen Kap. Über Leib und Füße
kam still, wie das weiße und süße
Ried im Wind sich wiegt, das atmende Gleichmaß der See
in den weiten Buchten, wo seit je
einst der Stamm seine Heimat hatte, davon klang
noch immer Erinnrung in Sprichwort und Sang:
Das ewige Kommen und Gehen der Wand
weißen Wassers über eng-grauem Strand,
das Aufschäumen, das kalt bis zur Kehle faßt,
in blau-gelbe Täler das Verebben der Last
des Wassers hinter den Brechern in langer Reih'
und das stille Strömen an den Klippen vorbei,
wenn stärker die Flut.

Und sie hatten gewacht,
über kalte Asche gekauert in langer Nacht,
als nach dem Tanz vom roten Stier er den Tanz
vom großen Wasser, das die Erde ganz
erfüllt, in heiligen Kreisen geschritten und spät sich dicht
ans Feuer gelegt bis zum gelben Morgenlicht.

Dies ist das dritte Kapitel aus dem Epos Raka, von N. P. van Wyk Louw.

Buchtitel: Raka
Autor: N. P. van Wyk Louw
Übersetzung aus dem Afrikaansen: W. A. Kellner
Verlag: Nasionale Boekhandel
Erste deutsche Ausgabe, Kapstadt; Johannesburg; Bloemfontein; Port Elizabeth, Südafrika 1970

van Wyk Louw, N. P. und Kellner, Wilhelm im Namibiana-Buchangebot

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