Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989, von Axel Harneit-Sievers

Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989, von Axel Harneit-Sievers. Arbeiten aus dem Institut für Afrika-Kunde, Nr. 69. Hamburg 1990. ISBN 3923519966 / ISBN 3-923519-96-6 / ISBN 9783923519965 / 978-3-923519-96-5

Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989, von Axel Harneit-Sievers. Arbeiten aus dem Institut für Afrika-Kunde, Nr. 69. Hamburg 1990. ISBN 3923519966 / ISBN 3-923519-96-6 / ISBN 9783923519965 / 978-3-923519-96-5

Aus der kurz nach der Unabhängigkeit erschienenen Studie Axel Harneit-Sievers, Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989, stammt der folgende Auszug aus dem Kapitel 'UNTAG - Beobachtungen bei den Beobachtern'.

1.4 UNTAG. Beobachtungen bei den Beobachtern

Die »April-Ereignisse« bedeuteten einen denkbar schlechten Start für die Mission der UNTAG: Sie führten die Schwäche internationaler Überwachung und Schadensbegrenzung im militärischen Ernstfall bereits am Beginn ihrer Arbeit in aller Deutlichkeit vor. Dies führte zu einem Verlust des Vertrauensvorschusses, den die UNTAG in breiten Kreisen der Bevölkerung gehabt hatte. Im Verlauf der folgenden Monate gewann UNTAG jedoch deutlich an Profil und konnte sich zum Zeitpunkt der Wahlen als weithin präsente und akzeptierte Kontrollinstanz etablieren. Wichtige Funktionen der UNTAG lagen im militärischen Bereich: Kontrolle der Truppenreduzierung, Überwachung der angolanischen Grenze etc. Zum vermutlich sensibelsten Punkt im UNTAG-Aufgabenbereich wurde aber die Überwachung der Polizei. Besonders in der Anfangsphase ihrer Tätigkeit besaß UNTAG weder ausreichende technische Möglichkeiten noch Kenntnisse genug, um flächendeckend wirksam zu werden. So gab es beispielsweise viele Berichte über eine unzureichende Ausstattung mit geländegängigen Fahrzeugen, die die Überwachung von Polizeiaktivitäten »im Busch« teilweise unmöglich machte. Unzulängliche Sprachkompetenz - trotz des Einsatzes einer Vielzahl von Übersetzern - erschwerte die adäquate Einschätzung der Situation vor Ort prinzipiell. Die Eingriffsmöglichkeiten der UNTAG waren im Sicherheitsbereich ohnehin beschränkt auf personelle Präsenz, auf Beobachtung und Meldung von Vorfällen und schließlich auf die Ausübung politischen Drucks gegenüber der südafrikanischen Administration. Die Effektivität der UNTAG-Arbeit wuchs jedoch mit zunehmender Erfahrung im Lauf der Zeit - zumindest wurde sie immer weniger kritisiert. Im November galt UNTAG durchweg als akzeptierter Referenzpunkt für Berichte über Vorfälle aller Art und erfüllte nicht zuletzt Schutzfunktionen für Personen, die sich bedroht sahen. Auch wenn ihre Präsenz »intimidation« und Gewalt in der Vorwahlperiode insgesamt nicht verhindern konnte, so darf UNTAG insgesamt sicherlich beanspruchen, Schlimmeres verhütet zu haben. Die Praxis der UNTAG variierte, abhängig auch von der Initiative der jeweiligen Vertreter vor Ort, zwischen einer rein »beobachtenden« und einer stärker »interventionistischen« Interpretation ihres Auftrags. Dies galt vor allem für die zivile Komponente, die der Überwachung der Wahlvorbereitungen und der Wahl selbst diente. Unterschiedliche Herangehensweisen wurden beispielsweise während der Wählerregistrierung deutlich: Bisweilen beschränkte das UNTAG-Personal sich allein auf Präsenz und vermied jegliche Auseinandersetzungen mit der Administration. An anderen Orten hingegen überprüften UNTAG-Mitglieder die Details des Prozesses, griffen in Befragungen ein und unterstützten die Abwicklung praktisch-organisatorisch bis hin zur Suche nach bisher nicht erfaßten Bevölkerungsgruppen. Verschiedentlich brachte UNTAG auf lokaler Ebene die Vertreter der konkurrierenden Parteien zum Gespräch zusammen. UNTAG unternahm darüber hinaus mit Versammlungen, Plakaten etc. eigene Schritte zur »voters' education«, um auf die Bedeutung der Wahl hinzuweisen, das System zu erklären, Ängste hinsichtlich der Geheimhaltung der Stimmabgabe abzubauen etc. Das Verhältnis zwischen UNTAG und Mitarbeitern der südafrikanischen Administration bei der praktischen Durchführung der Wahlen im November wurde generell als sehr kooperativ bewertet. Vor diesem Hintergrund haben auch Klagen - vor allem von Seiten der DTA - über mangelnde Unparteilichkeit der UNTAG an Bedeutung verloren. Wichtig für das Image der UNTAG in der Öffentlichkeit waren auch die Nebeneffekte ihrer Präsenz. Dank ihrer umfangreichen technischen Möglichkeiten waren UNTAG-Einheiten oft in der Lage, dringend benötigte Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, von der Minenräumung über Krankentransporte bis hin zur Hilfe bei der Abwicklung des Repatriierungsprogramms. Die Zusammensetzung der UNTAG, die Einheiten aus rund 30 verschiedenen Ländern umfaßt, hat  Windhoek ein internationales Flair verliehen, und ihre Präsenz führte bisweilen, Geschichten und Anekdoten zufolge, in den konservativen Regionen Namibias zur Auflockerung der noch immer starken sozialen Abgrenzungen einer ehemaligen Apartheid-Gesellschaft. Schließlich sollte die ökonomische Bedeutung der UNTAG nicht unterschätzt werden: Der UN-Etat für die Implementation von Resolution 435 betrug 420 Mio. US-$; ein Gutteil davon -Schätzungen reichen bis zu 500 Mio. Rand - wurden direkt und indirekt in Namibia ausgegeben, das 1988 ein Bruttosozialprodukt von nicht mehr als 3,3 Mrd. Rand aufwies. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989, von Axel Harneit-Sievers.

Titel: Namibia. Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989
Untertitel: Analyse und Dokumentation
Autor: Axel Harneit-Sievers
Reihe: Arbeiten aus dem Institut für Afrika-Kunde, Nr. 69
Verlag: Institut für Afrika-Kunde
Hamburg, 1990
ISBN 3923519966 / ISBN 3-923519-96-6
ISBN 9783923519965 / 978-3-923519-96-5
Originalbroschur, 15 x 21 cm, 278 Seiten, einige Skizzen und Karten

Harneit-Sievers, Axel im Namibiana-Buchangebot

Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989

Namibia: Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung 1989

Dies ist eine Analyse und Dokumentation der Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung in Namibia im Jahr 1989.