Mit Schwert und Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika von Gottreich Hubertus Mehnert

Mit Schwert und Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika von Gottreich Hubertus Mehnert

Fotos aus dem Buch: Mit Schwert und Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika von Gottreich Hubertus Mehnert

Erlebnisse des Rittmeisters der Schutztruppe Gottreich Hubertus Mehnert in Deutsch-Südwestafrika

Gottreich Hubertus Mehnert  

Prolog:

Unter glühenden Sonnenstrahlen flimmert die trockene Luft über dem abgeweideten Farmland. Im Westen hat sich der Himmel verdunkelt, aus den grauen Wolkenbänken heben sich, die Führung des ersten tropischen Gewitters übernehmend, die Regenvögel ab.

Näher schieben sich die schwarzen Gewitterwolken. Plötzlich biegen sich Bäume und Büsche. Schüsseln, Eimer und Wellblechplatten werden an der Erde hingeschleift. Brüllend sucht das Vieh Schutz hinter einer Klippenwand. Die Erlösung naht, dem abziehenden Sandsturm folgt kurze Stille, schon fallen die ersten Regentropfen, die hart auf das Wellblechdach des Farmhauses aufschlagen und dann, mit aller Macht setzt der Regen ein. Blitz und Donner wechseln sich in furchterregender Großartigkeit ab.

Nicht lange währt dieses Schauspiel, im Norden bricht die Sonne durch, die den abziehenden Regen wie eine Schneewand erleuchtet. Fußwege sind zu Rinnsalen geworden, Fluten füllen das sonst trockene Flussbett. Schäumend wälzen sich die schmutzigen Wogen zu Tal. In der am Wasser liegenden Sanddüne sind die Frösche erwacht, die mit dem untergehenden Strahl der Sonne ihr tausendstimmiges Quaken ertönen lassen.

Das rasselnde „Liebeslied" der Frösche schlägt im Schlaf an mein Ohr, ' meine Jugendzeit steht vor mir auf: Am Strande der Elbe spielen wir Kinder und lassen den stampfenden Kettendampfer an uns vorüber lärmen. Wir rufen zu den Schleppkähnen hinüber, vergebens werfen wir mit Steinen nach diesen Ungetümen, ein alter Schiffer hebt drohend die Hand. Aus dem Weidenheger kommen die Spielverderber, mit dem Stock treiben uns unsere Gouvernanten nach Hause.

„Koffi!" Das Buschmannmädchen ruft aus der Küche, raus aus dem Bett, hinein in die rauhe Wirklichkeit. Wie ein Traum liegt das verflossene Leben hinter mir. Lasse ich aber des Morgens meine Kühe melken und der Bursche Saul ruft die Stammkühe Käthe, Hilma, Lore, Ella und Margot in den Kral, dann kommt die Erinnerung an meine Jugendzeit, an das Elbdörfchen Ammelgosswitz, wo ich am 26. November 1880 geboren wurde.

Meine fünf Geschwister, Gotthilf, Constantin, Käthe, Marie, Helene und die Kinder vom Nachbarn, neun an der Zahl, trafen wir uns oft, um auf den langen Elbdämmen, im Heger (angelegte Baumkulturen), in Ställen und Scheunen zum Spielen oder um Streiche auszuhecken.

Da ich lustige und leider auch ernste Ereignisse aus meinem Leben erzählen will, würde diesem Buche etwas fehlen, wenn ich die selige, die schöne Jugendzeit überspringen würde. Wer Dummheiten nicht schätzt, dem steht es ja frei, diese Seiten zu überspringen.

Gottreich Hubertus Mehnert
Rittmeister der Schutztruppe
Farmer auf Nababis


Auszug: Der Orlog geht bem Ende zu

Unser Marsch führte uns nach Epukiro, das am Rande des zur damaligen Zeit wasserlosen Sandfeldes lag. Leutnant Erich Müller führte die Staffel, ich führte die Wachtmeistergeschäfte. Auf der kurzen Strecke bis Otjosasu liegen schon wieder mehr als 150 Tierleichen und doch war die Strecke erst vor kurzem aufgeräumt worden.

Auf dem Friedhofe der Mission stand am Grabe des in Oviumbo gefallenen Hauptmanns von Bagenski ein Reiter unserer Staffel und sprach ein stilles Gebet. Im dichten Dornenwalde ging die Pad weiter nach Oviumbo. Hier lagen in einem Grabe Oberleutnant Reiss sowie mehrere gefallene Unteroffiziere und Mannschaften.

Unweit der Stelle, wo die Maschinengewehre den dicken Dornbusch angesägt hatten, lagen ganze Berge von Patronenhülsen und Kartuschen (milit. Metallhülse für die Pulverladung von Artilleriegeschossen). Wir sammelten diese und fassten das Grab damit ein. Mochte Gott es verhüten, dass die über den Tod hinaus hasserfüllten Hereroweiber die Gräber, wie in Onganjira, aufscharrten und die Leichen schändeten.

An der Spitze der Staffel ritt Müller mit mir in Owikokorero ein. Vor uns schlugen Aasgeier hoch, ein Schakal drückte sich gesättigt in die Büsche. Rechts unter den alten Bäumen lagen Mannschaften, ein Sanitätsgefreiter meldete: „Owikokorero, belegt mit 50 an Typhus erkrankten Mannschaften und einem Sanitätsgefreiten!"

Gleichzeitig bat er darum, dass mein Leutnant alles in der Staffel vorhandene Brot sammeln ließ, damit seine kranken Mannschaften nicht verhungerten. Nicht genug, dass der Typhus den Todeskeim gelegt hatte, bedrohten diese hilflosen Menschen auch noch der Feind, der sich noch immer im Busche herumtreibt, der Hunger und die obdachlose Lage. Sie hatten kein Bett, keine Medikamente, keinen Proviant und keinen Arzt.

Diejenigen, die nicht das Fieber schüttelte, unterhielten mühsam ein Feuerchen, holten mit dem schussbereiten Gewehr 200 Meter weit das zu kühlenden Umschlägen benötigte Wasser heran. Mein Leutnant sagte kein Wort, im Trabe wendete er sein Pferd, doch sah ich, dass ihm die Tränen in die Augen traten. Mit einem leeren Sack ritt der Leutnant die Staffel ab. Wer noch Brot von Okahandja hatte, warf es hinein. Halbvoll übergab der Leutnant dem Sanitätsgefreiten den Sack. Arme Kerle!

Weiter ging unser Marsch, wir befanden uns jetzt auf dem Wege, den der Feind ins Sandfeld eingeschlagen hatte. Auf dem langen Wege, kaum einen Steinwurf entfernt, lag Kadaver an Kadaver. Wie eine Schlange wand sich die Pad an den Tierleichen vorbei. In eine undurchsichtige Staubwolke gehüllt, quälten wir uns mühsam zur nächsten Wasserstelle. Endlich hatten wir das ersehnte Ziel erreicht, da stand eine Tafel: Typhus ausgebrochen, unabgekochtes Wasser zu trinken verboten! Darunter: Estorff.

Was scherte uns der Typhus, den wir vielleicht bekommen würden! Unsere Durstqualen waren größer als die Angst vor dem Typhus. Nicht einmal die Todesstrafe konnte uns jetzt vom Wasser abhalten. Auf die Knie fielen die Mannschaften, zwischen ihnen kniete der Leutnant, alle tranken, tranken immer wieder das köstliche Nass. Am Nachmittag wurde vor dem Weitermarsch das zweite Mal getränkt. Als das letzte Gespann zum Einspannen vom Wasser rückte, kam eine zerfetzte Patrouille zum Wasser.

Schnell schnallten die Reiter ihre Zügel zusammen und ließen den Fressbeutel in die Tiefe des fast leer geschöpften Brunnens. Beim Hochziehen hing der Beutel unten fest, dann ein Ruck ... der Fuß einer Hereroleiche hing in der Schlinge! Mondschein, hell wie am Tage, nur der jammernde Ruf des Schakals und die Tritte des Postens unterbrachen Gottes stille Natur. Träumend saß ich als Wachhabender auf einem Baumstamm und spähte an den Schatten, die die Büsche im Mondlicht warfen, vorbei hinaus in die Umgebung.

Seit kurzer Zeit phantasierte ein Kranker. Es war der Oberveterinär auf Fahrzeug Nr. 4. „Mutter, Mutter!", rief er. Dann rief er seine Braut. Schließlich war es ruhig. Hässlich schrillte das Lachen der Hyäne an unser Ohr, dann der Ruf der Eule. Am nächsten Morgen schaufelten wir dem Sohne und Bräutigam, der seine Lieben in der Heimat nicht wiedersehen sollte, ein Grab in afrikanischer Erde.

Weiter, immer weiter ging der Marsch. Reiter Immel, ein Mann meiner Kochgruppe, war nun auch erkrankt. Er war ein treuherziger, fleißiger Schwabe. Er kämpfte dagegen an, krank zu sein, und tat weiter seinen Dienst. Herrgott, dann beim Anspannen stürzte er, vor Schwäche taumelnd, unter die ausschlagenden Tiere. Schon seit Tagen hatte Immel nichts mehr gegessen. Soweit es unser Dienst erlaubte, pflegten wir ihn, so gut wir konnten. In Epukiro ging er in das Typhuslazarett.

Als er seine Decke und seinen Mantel aufnahm, fiel ein trockenes Stück Brot heraus. Immel brach es auseinander, die Hälfte gab er seinem rechten Spitzentier, dem Bravsten, der ihn nie im Stiche ließ, und die andere Hälfte reichte er mir. Dankend nahm ich es an, mein Hunger war größer als die Angst vor dem Typhus. Kameradschaftlich teilte ich das Brot mit dem anderen Mann meiner Kochgruppe.

In Epukiro traf die Nachricht ein, dass Hauptmann Klein im Sandfeld lag, Mensch und Tier unfähig sich zu bewegen, und dringend Hilfe brauchte. Leutnant Müller kommandierte mich mit einigen Fahrzeugen zur Hilfeleistung. In der zu dieser Zeit wasserlosen Omaheke spielte sich ein furchtbares Drama ab. Mit den wenigen vorhandenen Wasserfässern stießen nun unsere Fahrzeuge in das trockene Sandfeld vor.

Dann fanden wir sie endlich. Überall der Schrecken des Todes, das Röcheln der Sterbenden, das Herumirren der vom Durst wahnsinnig Gewordenen und das Lallen der im Fieber liegenden Typhuskranken. Führerlos irrte die Truppe und mit ihr irrten Trupps des Feindes durch die wasserlose Gegend. Wer dachte in dieser Not noch an Feindseligkeiten!

Die Geschütze blieben weit drin im Sandfeld stehen, die Gewehre hatte man fortgeworfen, wie lange noch und der letzte Mann würde zum letzten Mal flehend die Hände zum Himmel erheben. Ein Wunder Gottes geschah, in dem ausgedorrten Land rieselte ein leichter Regen. Mit dem offenen Mund, in den hohlen Händen, in Hüten und Zeltbahnen wurde das rettende Nass aufgefangen. Wenn jeder auch nur einen Schluck bekam, so keimte doch neue Hoffnung auf in der bereits dem Tode geweihten Truppe. Die kühle Nacht kam zur Hilfe, zurück, raus aus der Hölle der entsetzlichen Durstqualen.

Mit den Kranken kehrten die Fahrzeuge zurück und wieder und wieder mussten wir in das Sandfeld vorstoßen, bis wir den letzten Mann gerettet hatten. Täglich füllte sich das kleine Stationsgebäude, das in ein Lazarett umfunktioniert war, täglich leerte es sich, Schnitter Tod hielt reiche Ernte. Wir waren am Platze die einzigen Gesunden, denen nun die Aufgabe zufiel, die Verstorbenen zu beerdigen. In Woilachs (russ. Satteldecke) gewickelt lagen die Toten zum Abholen bereit.

Wir schufteten bis spät in die Nacht. Ein Reiter fiel über etwas Weiches, er rief: „Der Sanitäter hat uns hier noch einen hingelegt!" Wir waren fix und fertig, der Tote musste bis zum nächsten Morgen warten. Als Letzter traf Hauptmann Otto Klein aus dem Sandfeld ein. An Typhus erkrankt, trug man ihn in das Lazarett. Am 29. November 1904 wurde er zu seinen treu bis in den Tod gebliebenen Mannschaften auf den Friedhof hinaus getragen. Nach Windhuk zurückgekehrt, musste ich als Erster General von Trotha mündlichen und schriftlichen Bericht erstatten. Mit diesem Drama im Sandfeld fand der Hererokrieg seinen Abschluss. Orlogsende!

Dies ist ein Auszug von: Mit Schwert & Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika

Buchtitel: Mit Schwert & Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika
Gottreich Hubertus Mehnert
Bearbeitung: Bernd Kroemer
Glanz & Gloria Verlag
Windhoek, 2007
ISBN 978-99916-68-97-0 Namibia
ISBN 978-3-936858-99-0 Deutschland
Broschur, 15x21 cm, 127 Seiten, zahlreiche sw-Fotos

Mehnert, Gottreich Hubertus im Namibiana-Buchangebot

Mit Schwert und Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika

Mit Schwert und Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika

Mit Schwert und Pflugschar in Sachsen und Südwestafrika enthalten Anekdoten und Erlebnisse des Schutztruppenoffiziers Gottreich Hubertus Mehnert.

Kriegsgeschichten aus Südwestafrika

Kriegsgeschichten aus Südwestafrika

Diese Kriegsgeschichten aus Südwestafrika stammen aus dem Tagebuch des Schutztruppenreiters Gottreich Hubertus Mehnert.

Kurzgeschichten aus Südwestafrika

Kurzgeschichten aus Südwestafrika

Nach Manuskripten von Gottreich Hubertus Mehnert, Rittmeister der Kaiserlichen Schutztruppe