Mit dem Hauptquartier in Südwest-Afrika, von Maximilian Bayer

Mit dem Hauptquartier in Südwest-Afrika, von Maximilian Bayer.

Mit dem Hauptquartier in Südwest-Afrika, von Maximilian Bayer.

Der hier angebotene Auszug ist aus dem Kapitel Das Gefecht von Hamakari aus dem Buch von Hauptmann Maximilian Bayer, Mit dem Hauptquartier in Südwest-Afrika: Meine Erlebnisse während des Feldzugs gegen die Hereros und Witbois.

Maximilian Bayer  

Das Gefecht von Hamakari: Waterberg 11.8.1904. Das Gegen 1 Uhr nachts krochen wir fröstelnd aus unseren Decken; ein eisig kalter Luftzug strich durch das Lager. Beim unsicheren Lichte einiger Handlaternen suchten sich die Leute ihre Sachen zusammen und sattelten oder schirrten die Pferde; flüsternd gaben die Führer ihre Befehle, schweigend gehorchten die Reiter; jeder fühlte den Ernst der kommenden Stunden. Um 2 Uhr 30 ritten wir auf der Pad nach Nordosten: Voraus die Witbois als Aufklärer, die 11. Feldkompagnie mit einigen Maschinengewehren in der Avantgarde, das Hauptquartier am Anfang des Gros. Wir verhielten uns so still, als nur eben möglich. Dennoch hatte der Feind unseren Anmarsch bemerkt; denn wir waren noch nicht eine Stunde unterwegs, da flog in Richtung auf Hamakari eine weiße Leuchtkugel auf! Es gibt wohl kaum etwas in der Welt, was die Nerven so in Spannung versetzt, als ein Nachtmarsch durch Buschwald dem Feinde entgegen! Im fahlen Glänze der Sterne wachsen die Schatten zu abenteuerlichen Gestalten aus; die erregten Sinne vernehmen das leiseste Geräusch: ein schwaches Knacken und Knistern im Gesträuch, den Hauch des Windes im Geäst der Bäume, das Aufflattern eines Vogels. Langsam dringt die Kolonne vorwärts. Stunde um Stunde verrinnt in Erwartung und peinigender Ungewißheit; wenn doch nur endlich der erste Schuß die Spannung lösen wollte!

Da blitzt gerade vor uns am Horizont ein grelles Licht auf, verschwindet und erscheint wieder: Von der Kolonne Volkmann war eine Abteilung mit Signalapparat, unter Leutnant von Auer, im Rücken des Feindes auf den Waterberg geklettert, hatte dessen Hochfläche bis zum Südrand durchzogen und stand nun am Steilabhang dicht oberhalb der feindlichen Werften! Das „Auerlicht" meldete uns mit langen und kurzen Strahlen in Morseschrift, was sich am Vortage ereignet hatte. Die Signalstation auf dem Waterberg stand günstig; sie hatte Verbindung mit Abteilung von Estorff, mit Abteilung von der Heyde, mit Otjosondo und mit mehreren hinter der Hauptabteilung liegenden Stationen bis zum Okangawaberg! Sie bildete eine sehr wichtige Ergänzung des gesamten Signalnetzes. (Skizze S. 131.) Schräg unter ihr sprudelte aus einer Felsspalte die Quelle des Waterbergbaches hervor.

An diesem Zentralpunkt der feindlichen Stellung hatte Auer am vorhergehenden Abend eine Häuptlingsversammlung beobachtet und gesehen, wie berittene Boten nach allen Seiten davonsprengten, um den vorgeschobenen Orlogleuten Befehle zu überbringen; dann waren größere Reitertrupps nach dem Waterberg herangezogen, die sofort absattelten und ihre Tiere weiden ließen. Der Feind war also auf unseren Angriff vorbereitet! Allmählich wurde es gen Osten heller; wir erreichten die dichten Büsche vor dem Rivier. Glutrot stieg der Sonnenball über dem Horizont empor; so mancher von uns sah ihn zum letzten Male in morgendlicher, herrlich strahlender Pracht! Vor uns mochten die feindlichen Orlogleute schon bereit liegen, um unsere Spitze aus sicherem Versteck abzuschießen. Deshalb wird die Abteilung auseinandergezogen: 11. Feldkompagnie vorn in Schützenlinie, rechts gestaffelt die 10. Feldkompagnie; hinter der Mitte das Hauptquartier, in Reserve die 9. Feldkompagnie; Artillerie, Maschinengewehre, Sanitätswagen auf der Pad.

Doch der Busch hindert ein solches entfaltetes Vorgehen, und zeitweise ziehen sich die Truppen wieder auf dem Wege zusammen. Nun kommen wir an ein sandiges, etwa 100 Schritt breites Rivier, und biegen, seinem Laufe folgend, rechts (südöstlich) auf Hamakari ab. Beim Vorgaloppieren stürzt Oberstleutnant Müller mit dem Pferde, bricht sich dabei zwei Rippen und erleidet eine Gehirnerschütterung. Major von Mühlenfels übernimmt die Führung der Abteilung, die von jetzt an nach ihm genannt wird. Gegen Osten hört man Kanonendonner; bald auch nördlich; die Kolonnen Heyde und Deimling sind an den Feind geraten! Und wir? - Immer noch bleibt in den Büschen vor uns alles ruhig; wir durchziehen verlassene Werften. Ganz frische Fußspuren und allerlei zurückgelassenes, verstreutes Hausgerät deuten auf eiligen Abzug der Hererowerften hin. Wir halten einen Augenblick, damit sich die Abteilung wieder entfalten kann. Mitten auf der Pad liegt Frauenschmuck aus Bleiringen; auch ein Kinderschuhchen, der Chef hebt es auf; nicht nur Krieger, sondern das ganze Volk flüchtet vor uns. Nun hören wir deutlich das Gebrüll großer Rinderherden und gewahren die dünnen Ansläufer hoher Staubwolken; wohin sie ziehen, ist nicht zu erkennen.

Noch dringen wir in Schützenlinie beständig vor und folgen der Pad; da sich diese rechts und links schlängelt, schwankt auch unsere Marschrichtung hin und her. Ich habe das Kriegstagebuch des Hauptquartiers zu führen, nehme gerade den Bleistift zur Hand, um etwas zu notieren, und ziehe die Uhr - es ist 8 Uhr 45 - als im Busch ein Schuß fällt. Gleich darauf fetzt heftiges Feuer ein; wohl dreißig Geschosse sausen zischend, surrend und pfeifend über unsere Köpfe hinweg. Unwillkürlich duckt sich der eine oder der andere eine Sekunde lang tiefer auf den Pferdehals und richtet sich lächelnd wieder auf, - in Büchern hatte man so oft gelesen, daß bei der Feuertaufe die ersten Kugeln mit respektvollem Bückling begrüßt werden; man hatte wohl früher darüber gespottet, denn wenn man den Schuß hört, ist er ja schon vorbei, und ein Ducken zwecklos. Nun hatte man es selber nicht besser gemacht! Das Feuer hebt wieder an und verstärkt sich. Wir springen vom Pferde; - da ist es nun endlich, das ersehnte Entscheidungsgefecht, auf das wir uns monatelang vorbereitet hatten!

Maschinengewehre werden nach vorn getragen, denn die Schützenlinie erleidet bereits schwere Verluste: Die Witbois und die 11. Feldkompagnie hatten fast gleichzeitig heftiges Feuer erhalten, als sie sich den vordersten Wasserlöchern von Hamakari näherten. Die 10. Feldkompagnie verlängert rechts. Der linke Flügel stürmt bis zu den Wasserlöchern vor, deren Besitz uns der Feind verwehren will. Doch hier erhält die II. Feldkompagnie von drei Seiten ein mörderisches Feuer. Ihr Führer, Hauptmann Ganßer, bricht mit einem Schuß unter dem Auge tot zusammen, auch Leutnant Leplow und zwei Mann fallen, Oberleutnant Streccius und mehrere Reiter werden schwer verwundet. Die Kompagnie hat keine Offiziere mehr, vor dem übermächtigen Feuer geht sie bis in die Linie der 10. Feldkompagnie zurück, wo die noch Überlebenden wieder halten und sich hinwerfen. Auch der rechte Flügel wird hart bedrängt; fortgesetzt schießt der Gegner aus einer Gruppe von Pontoks, ohne daß man ihm viel anhaben könnte. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Mit dem Hauptquartier in Südwest-Afrika, von Maximilian Bayer.

Buchtitel: Mit dem Hauptquartier in Südwest-Afrika
Untertitel: Meine Erlebnisse während des Feldzugs gegen die Hereros und Witbois
Autor: Maximilian Bayer
Verlag: Wilhelm Weicher Marine- und Kolonialverlag
Berlin, 1909
Original-Leinenband, 18x25 cm, 310 Seiten, 100 Abbildungen und Sizzen

Bayer, Maximilian im Namibiana-Buchangebot

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