Lockende Ferne, von Paul Ritter

Lockende Ferne, von Paul Ritter.

Lockende Ferne, von Paul Ritter.

Das Buch 'Lockende Ferne' von Paul Ritter ist eine Neuauflage seines Romans 'Wie Eugen Frank sich Afrika eroberte'.

Paul Ritter  

[...] Es dauerte einige Tage, bis Eugen seinen Dienst wieder versehen konnte. In der Zeit seiner unfreiwilligen Untätigkeit übte er sich im Wachdienst. Dazu brauchte man keine Körperkräfte, und die Schmerzen waren ganz heilsam, da schlief man wenigstens nicht ein. So stand er denn meist die unbeliebte Doppelwache von zwei Uhr bis Tagesgrauen und konnte von da aus gleich nach den Leuten sehen. Auf diese Weise kam er sich nicht ganz unnütz vor. Vater Hübuer machte ihm für den selbstverschuldeten Unfall keine Vorwürfe. Er erinnerte sich wohl zu gut an Farmer Williams Rat, dem auch er nicht widersprochen hatte. Als sie an einem Abend, an dem ausnahmsweise keine Gäste im Store waren, alle auf der Veranda saßen, wurde der stille Mann sogar ungewöhnlich gesprächig nnd begann von Australien zu erzählen. Die harten Jahre dort hatten ihm sichtlich schwer zugesetzt und ihm für immer ihren Stempel aufgedrückt. Dort war seine Redlichkeit bis zur Schärfe, seine eigene Enthaltsamkeit bis zur Unduldsamkeit und seine Menschenverachtung bis zur Schroffheit ausgebildet worden. Als philosophischer Empiriker beging er den Fehler der Verallgemeinerung, weil seinem einfachen Sinn wohl die Einsicht in die Verschiedenheit der menschlichen Natur in ihren unendlichen Varianten abgegangen war, seine rein erfahrungsmäßige Erkenntnis aber die harten und schmerzlichen Wahrheiten grell, ohne Übergänge oder ursächliche Zusammenhänge sah. Fast puritanischer Quäker, übte er Selbstzucht in hohem Maße, verlangte sie jedoch auch von seiner Umwelt. Frohsein aber und Lachen hatte dieser brave Mann nicht gelernt. Geborener Pessimist, bewunderte er Leistung in jeder Form und konnte, davon bestochen, oft blind gegen schwere Fehler sein, ja, seine Gutmütigkeit bis zur Schwäche steigern. „Es gibt eigentlich nur zwei Sorten Menschen in der Welt - solche, die im Zuchthaus sitzen und solche, die hineingehören", schloß er seine Erzählung. Nachdenklich hatten alle zugehört, doch keiner schien Lust zu einer Entgegnung zu haben. Eugen war mit dieser Schlußfolgerung nicht einverstanden, fühlte sich aber als Jüngster erst recht nicht berufen, seine grüne Meinung zu vertreten. „Sie können morgen mit der Karre nach Windhuk fahren", bestimmte Hübner beim Gutenachtsagen. Eugen schied erfreut. „Kommen Sie, Frank, wir leeren noch ein Glas auf Windhuk", lud Stromberg ihn ein. Er folgte nicht ungern. Langweilig war der alte Stromberg nie. Geistig interessiert, lebhaft und voller Sarkasmus, glossierte er Gegenwart und Vergangenheit und zog Eugen, trotz nachdrücklichster Warnung seitens der Familie Hübner, immer wieder in seinen Bann. Wovor warnte man ihn überhaupt? Daß Stromberg Quartalssäufer war, ging ihn ja nichts an - aber klüger als die anderen war er, und daß er gerade ihn immer heranzog, schmeichelte dem jungen Mann. „Wissen Sie", lächelte Stromberg vertraulich, „das Bier schmeckt mir nicht, wenn ich dieses Eisberggesicht, den Hübner, sehe. Man kommt sich vor wie ein dummer Junge in einer Gletscherspalte: Hosen voll - Nacht und kaltes Grauen. Wenn es nach Hübner ginge, bestünde die ganze Welt nur aus Blaukreuzlern und müßte im Büßerhemd erfrieren. Aber mich bekehrt er nicht mehr - Prost Frank! - es lebe das Leben! Hahahahaha, wenn ich nun auch immer mit einer Leichenbittermiene herumlaufen wollte, weil die Rinderpest mich zum armen Mann gemacht hat. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Roman: Lockende Ferne, von Paul Ritter.

Titel: Lockende Ferne
Untertitel: Eine Erzählung aus dem Leben
Autor: Paul Ritter
Genre: Roman
Verlag: Adolf Sponholtz
3. Auflage. Hannover, 1941
Original-Halbleinenband, 15x21 cm, 448 Seiten, Schrift: Fraktur

Ritter, Paul im Namibiana-Buchangebot

Lockende Ferne

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Der Roman 'Lockende Ferne' ist eine Neuauflage des 1934 erschienen Erstlingswerk von Paul Ritter, das zuerst unter dem Titel 'Wie Eugen Frank sich Afrika eroberte', erschien.

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