Helmut Finkeldey: Lebenserinnerungen, Start nach Südafrika und Südwestafrika, von Helmut Finkeldey

Helmut Finkeldey: Lebenserinnerungen, Start nach Südafrika und Südwestafrika, von Helmut Finkeldey

Helmut Finkeldey: Lebenserinnerungen, Start nach Südafrika und Südwestafrika, von Helmut Finkeldey

Helmut Finkeldey berichtet in diesem Auszug aus seinen Lebenserinnerungen von der Ausreise nach Südafrika und Südwestafrika.

Helmut Finkeldey  

Helmut Finkeldey, Friedberg, der nach beendetem Studium im Polytechnikum eine Ingenieurstellung in Südwestafrika antritt, ging am Sonntag „zum Städtele hinaus" und wurde in festlichem Zuge unter Vorantritt einer Musikkapelle in beflaggtem Auto zum Bahnhof gebracht. „Finko", wie er genannt wird, hat sich im Friedberger Vereinsleben verdient gemacht und bleibt unvergessen im Andenken seiner Kameraden. Alle Kommilitonen der Landsmannschaft Cimbria gaben in Couleur ihrem Alten Herren Helmut Finkeldey das Geleit zum Bahnhof. Vor dem Hotel Trapp, der Konstanten der Korporation, hielt man an zu einem letzten gemeinsamen Stiefelumtrunk. (Bericht der Wetterauer Zeitung vom 11. Dezember 1950)

Ankunft in Südwestafrika 1950

Mit meinem Auswanderergut kam ich um 18 Uhr in Karibib an und um 23 Uhr in der Silvesternacht noch rechtzeitig in Outjo, um das Jahr 1950 zu verabschieden und mich für das Neue Jahr als Immigrant zu melden. Nachdem ich drei Monate im Land war, hatte ich das Pech, dass mir eine Plombe aus einem Backenzahn fiel. Im ganzen Norden gab es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Zahnarzt, so dass mir mein Onkel riet, nach Swakopmund zu Doktor Weber zu fahren. Da außer der Plombe auch die Füllung beschädigt war und der Nerv bloß lag, hatte ich solche Zahnschmerzen, dass ich mich entschloss, so bald wie möglich nach Swakopmund zu fahren. Mit der Bahn wäre das eine Zweitagesreise gewesen, weil die Bahn über Otjiwarongo und Usakos ging und nur alle zwei Tage überhaupt ein Zug fuhr. Aber mein Onkel wusste Rat. Er erzählte mir, dass in der Autowerkstatt von Victor von Gierszewski ein Auto stände, das nach Swakopmund überführt werden müsste. Ich sollte doch mal mit dem Garagenbesitzer sprechen, ob ich diese Überführung übernehmen könnte, was ich auch mit positiver Wirkung tat. Inzwischen war das Osterwochenende angebrochen und am Gründonnerstag setzte ich mich in Bewegung, um nach Swakopmund zu fahren. Doch groß war mein Erstaunen, als ich in der Praxis von Dr. Weber erfahren musste, dass dieser über Ostern auf die Farm Gruis im Outjo-Bezirk gefahren sei, zum Ehepaar Wilschke. 1951 war Ostern spät und in Outjo war es schon sehr warm. In Unkenntnis der Witterungsverhältnisse an der Küste, fuhr ich in kurzen Hosen und kurzem Hemd los. Ferner hatte ich nur eine Aktentasche mit der nötigen Wäsche darin, weil ich dachte, noch vor Ostern die Zahnbehandlung hinter mir zu haben. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich im Bismarck-Hotel einzubuchen und auf die Rückkehr von Dr. Weber zu warten. Hier musste ich zum ersten Mal die bittere Erfahrung machen, dass Südwestafrika ein kaltes Land mit einer warmen Sonne ist. Erst am späten Nachmittag zeigte sich die Sonne, und es wurde etwas wärmer. Da ich aber nichts Warmes zum Anziehen hatte, musste ich morgens so lange im Bett bleiben, bis die Sonne sich zeigte, denn es war so kalt, dass ich richtig fror. Dr. Rudolf Scherz, Chemiker von Beruf, war als ein Fellaufkäufer in den Outjo-Bezirk gekommen, um Felle zu kaufen. Er hatte seine Frau Anneliese Scherz mitgebracht, die Fotografin von Beruf war. Sein Hobby war bekannte Felszeichnungen und -gravierungen zu kartographieren. Kam er auf eine Farm, wo Berge, Höhlen oder glatte Felswände waren, so hat er immer beim Farmer gefragt, ob es auf der Farm nicht Felszeichnungen oder -gravierungen gebe. Waren solche Stellen vorhanden, fuhr er dorthin und trug in einem vorbereiteten Fragebogen alle Einzelheiten ein. Wie man zu der Stelle hinkam, mit einer entsprechenden Skizze, was dort dargestellt war. Ob Zeichnungen oder Gravierungen. Dann wurde in diesem Formular ausgewiesen, um was es sich handelt: abstrakte oder surrealistische Motive, ob Menschen oder Tiere, ob gemalt oder eingemeißelt. Das wurde alles in diese Fragebogen eingetragen und dann zu Hause in einer Liste aufgenommen. Wir haben uns in Outjo lange unterhalten über dieses für mich interessante Fachgebiet und nun traf ich in Swakopmund zufällig Dr. Scherz und seine Frau. Sie waren über Ostern von Windhoek an die Küste gekommen. Sie wohnten in einer Wohnung im Hause von Frau Schmerenbeck von der Farm Clarathal und luden mich ein, doch auch mit ihnen dort zu wohnen. In einem separaten Zimmer war ein Bett frei. Dieses Angebot nahm ich dankend an, zumal mir Frau Scherz ein Hemd und einen Pullover von Dr. Scherz leihen wollte, damit ich nicht so viel frieren sollte. Dr. Scherz war von großer, mächtiger Statur, so dass ich in diesen Kleidern aussah wie ein Landstreicher. Anneliese Scherz wollte mir auch eine Hose leihen, aber die konnte ich beim besten Willen nicht tragen, weil ich zweimal in den Bund hineingepasst und auch die Beinlängen einen halben Meter länger waren als ich gebraucht hätte. So hatte ich interessante Gesprächspartner, von denen man viel lernen konnte. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Helmut Finkeldey: Lebenserinnerungen, Start nach Südafrika und Südwestafrika, von Helmut Finkeldey.

Buchtitel: Helmut Finkeldey - Lebenserinnerungen
Autor: Helmut Finkeldey
Bearbeitung: Hans-Dieter Vautrin
Verlag: Kuiseb-Verlag
Windhoek, Namibia 2011
ISBN 978-99945-76-04-3 Namibia
ISBN 978-3-941602-64-9 Deutschland
Broschur, 17x24 cm, 184 Seiten, zahlreiche sw- und Farbfotos

Finkeldey, Helmut im Namibiana-Buchangebot

Helmut Finkeldey: Lebenserinnerungen

Helmut Finkeldey: Lebenserinnerungen

Die Lebenserinnerungen von Helmut Finkeldey führen von Frankenberg/Eder über Friedberg/Hessen nach Namibia und reichen über fast 90 Jahre hinweg.

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Die Festschrift 'Wissenschaftliche Forschung in Südwestafrika' wurde 1962 von der S.W.A. Wissenschaftlichen Gesellschaft herausgegeben.

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