Gesellschaft und Staat in Afrika, von Gerhard Hauck

Gesellschaft und Staat in Afrika, von Gerhard Hauck. Brandes & Apsel. 2. Auflage, Frankfurt 2003. ISBN 3860992260 / ISBN 3-86099-226-0

Gesellschaft und Staat in Afrika, von Gerhard Hauck. Brandes & Apsel. 2. Auflage, Frankfurt 2003. ISBN 3860992260 / ISBN 3-86099-226-0

In seiner Studie, Gesellschaft und Staat in Afrika, versucht Gerhard Hauck Buch den Spagat zwischen allgemeiner sozialwissenschaftlicher Theorie und afrikakundlicher historischer Empirie. Das hat Konsequenzen nicht nur für die Historie, sondern auch für die Theorie.

Gerhard Hauck  

Die Relevanz der sozialgeschichtlichen Entwicklungen in Indien, China und Japan für die soziologische Theoriebildung ist in der westlichen Soziologie seit Max Webers einschlägigen Arbeiten unumstritten. Vertreter der unterschiedlichsten theoretischen Ansätze - von Barrington Moore und Reinhard Bendix über Benjamin Nelson und Robert Bellah bis hin zu Wolfgang Schluchter und Richard Münch - zollen dem ihren Tribut, wenngleich in qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlicher Weise. Afrika aber bleibt auch für die soziologische Theorie der „dunkle Kontinent", kommt allenfalls in evolutionstheoretischen Ansätzen einmal vor - zur Illustration von auf der niedrigsten Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung angesiedelten „archaischen Gesellschaften" und den Kriterien der Rationalität nicht Genüge tuenden „mythischen Weltbildern" (so ausgerechnet bei Jürgen Habermas). Entsprechend gering ist das empirisch-historische Wissen über Afrika in der etablierten Sozialwissenschaft. Die vorliegende Arbeit möchte solches Wissen in geballter Form vermitteln - aber nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch und vor allem aus der Perspektive seiner Relevanz für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung. Im Zentrum stehen dabei Theorien über Akephalie, über Staatsentstehung, über Kapitalismus und Kolonialismus, über postkoloniale Staaten und generell über Entwicklung und Unterentwicklung. Die Auswahl der zu erzählenden Geschichten aus der unendlichen Vielfalt des Geschehens wurde vorrangig unter dem Gesichtspunkt ihrer Relevanz für eben diese theoretischen Fragestellungen vorgenommen. Keine Darstellung von afrikanischer Geschichte und Gegenwart kann jeden Quadratmeter Boden und jedes Jahr der historischen Entwicklung behandeln, eine solche Darstellung muss in irgendeiner Weise exemplarisch vorgehen. Die Frage „exemplarisch wofür?" wird dabei selten gestellt. Die Antwort darauf heißt: exemplarisch für die unter jenen Fragestellungen relevanten Abläufe. Diese Fragestellungen selbst sind natürlich die unseren. Die Hoffnung bleibt, dass sie „doch - wie wenigstens wir uns gerne vorstellen - in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit" liegen (Weber 1920, I, l). Gestärkt wird diese Hoffnung vor allem dadurch, dass auch die Diskussionen der führenden afrikanischen Sozialwissenschaftler - von Adebayo Adedeji und Claude Ake über Archie Mafeje und Mahmood Mahmdani bis zu Issa Shivji und Yussufu Bala Usman - genau um diese Probleme kreisen. Dem Bild vom „dunklen" entspricht das vom „geschichtslosen" Kontinent - selbst ein Trevor-Roper kann in Afrika noch 1963 nichts als ein „sinnloses Durcheinandergewirbel barbarischer Stämme" („meaningless gyrations of barbaric tribes") erkennen. Dass es in Afrika „Gesellschaften ohne Staat" geben (bzw. gegeben haben) solle, passte in dieses Bild - obwohl es in deutlichem Widerspruch stand zur klassischen politischen Philosophie des Westens, nach der es solche Gesellschaften gar nicht geben durfte, weil ohne Staat nur der Krieg aller gegen alle herrschen konnte. Eben diese Vorstellung vom permanenten Kriegszustand stand jedoch hinter der Pazifizierungsideologie, mit der die vordringenden Kolonialmächte ihre Expansion rechtfertigten - die Kolonialherrschaft sollte den vom ewigen Krieg gebeutelten Afrikanern endlich Frieden bringen. Tatsache aber ist, dass zahlreiche afrikanische Gesellschaften - von Wildbeuterhorden bis hin zu mehrere hunderttausend Menschen umfassenden Ethnien - ohne Staatsapparat auskamen und dennoch keineswegs dem bellum omnium contra omnes anheim fielen. Deren Funktionsweise ist Gegenstand des zweiten Kapitels in diesem Band. Im dritten Kapitel geht es um die vorkolonialen Staaten Afrikas. Auch deren Existenz wurde in der kolonialen Ideologie weitgehend verdrängt, obwohl sie noch der ersten Generation von Kolonialeroberern durchaus bewusst gewesen war, hatten sich die Kolonialisten doch mit eben diesen Staaten kriegerisch auseinandergesetzt. Aber ein „geschichtsloser" Kontinent war eben per definitionem auch ein „staatenloser" - und wo diese Fiktion überhaupt nicht aufrecht zu erhalten war, sollte wenigstens niemals von „richtigen", sondern allenfalls von „despotischen" Staaten die Rede sein können. [...]

Dies ist ein Auszug aus der Studie 'Gesellschaft und Staat in Afrika', von Gerhard Hauck.

Titel: Gesellschaft und Staat in Afrika
Autor: Gerhard Hauck
Verlag: Brandes & Apsel
2. Auflage, Frankfurt 2003
ISBN 3860992260 / ISBN 3-86099-226-0
Broschur, 15 x 21 cm, 320 Seiten, einige Abbildungen

Hauck, Gerhard im Namibiana-Buchangebot

Gesellschaft und Staat in Afrika

Gesellschaft und Staat in Afrika

Das Verhältnis von Gesellschaft und Staat in Afrika in historischer und soziologischer Perspektive.