Geschrieben unter dem Kameldornbaum. Das zum Teil unglückliche Gefecht am Grootberg, Südwestafrika, von Ludwig von Estorff

Geschrieben unter dem Kameldornbaum. Das zum Teil unglückliche Gefecht am Grootberg, Südwestafrika, von Ludwig von Estorff

Geschrieben unter dem Kameldornbaum. Das zum Teil unglückliche Gefecht am Grootberg, Südwestafrika, von Ludwig von Estorff

In dem 1982 herausgegeben Buch Geschrieben unter dem Kameldornbaum, in dem Die Briefe und Berichte Ludwig von Estorffs aus der Zeit 1894-1903 wiedergegeben sind, berichtet er von dem aus seiner Sicht zum Teil unglückliche Gefecht am Grootberg.

Christoph-Friedrich Kutscher  Ludwig von Estorff  

Franzfontein, 21. Februar 1898; Liebe Eltern, dieser Feldzug war die schwerste Zeit, die ich in meinem Leben bisher durchgemacht habe. Ich hätte Euch schon früher geschrieben, unterließ es aber, da ich nur von Gefahren hätte berichten können, denen ich vermeinte entgegenzugehen. Jetzt glaube ich wird eine Zeit der Ruhe eintreten, eine Pause im Feldzug, der vielleicht dann vorläufig nicht wieder aufgenommen wird. In meinem letzten Brief berichtete ich schon, daß ich mich von Anbeginn des Krieges an in der ungünstigen Lage befand, einem beweglichen Gegner gegenüber unbeweglich zu sein, weil ich viel zu wenig und nur schlappe Pferde hatte. Trotz fortgesetzter Beschwerden darüber, war dieser Übelstand nicht beseitigt worden, obwohl es durchaus in Leutweins Macht gestanden, mich bei einiger Energie kriegsfähig auszurüsten. So mußte ich mich von Anfang an auf kurze Vorstöße beschränken, wenn der Gegner sich zeigte. Ich wich nach dem Gefecht von Ehobib Anfang Dezember von diesem einzig richtigen Verhalten ab und glaubte, den Gegner unterschätzend, mich auf einem Umweg, der das Gebirge umging, seinem Rückhalt, dem Grootberge, nähern zu können. Da die Leute zum Teil zu Fuß marschieren mußten, konnte ich nicht auf Wagen verzichten, wegen des Proviants und diese wieder konnten nicht durchs Gebirge.

Da war der Feind an mir vorbeigegangen und hatte drei Wagen hinter mir überfallen. Der Raub wurde ihm größtenteils durch Bensen wieder abgenommen, der gerade von Omaruru mit 20 Reitern gekommen war. Ich hatte aber wieder umkehren müssen. Anfang Januar hatte ich den feindlichen Heerzug bei Tsaub (sechs Kilometer nördlich Franzfontein) gefaßt, konnte ihn aber bei der bald einbrechenden Dunkelheit und dem Felsengelände nur geringe Verluste beibringen und mußte auch zu meinem Kummer angesichts der paar unbrauchbaren Pferde von einer Verfolgung Abstand nehmen und ruhig zusehen, wie die Kerle weiter umherzogen, um bald hier, bald dort Vieh zu stehlen und damit in ihre Schlupfwinkel abzuziehen. Dabei war ich in ständiger Sorge um die Wagen, die mir die Zufuhr brachten und denen ich starke Bedeckungen mitgeben mußte.

Es ging noch verhältnismäßig gut, aber die Angstqualen, die ich bei ruhigem Abwarten ausstand, kann ich nicht schildern. Die jammervolle Organisation der Schutztruppe und die unglaubliche Langsamkeit von Müller, ließ mich volle sechs Wochen auf eine Unterstützung warten. Inzwischen setzte die Regenzeit ein, und ich wurde von einem schweren Unglück betroffen. Im Gebirge, durch das ich marschierte, wurden wir in der Nacht vom 17. zum 18. des Monats durch einen plötzlich abkommenden Regenfluß überrascht. Er kam so rasch und gewaltig, daß er die in seinem Bette weidenden Pferde und die Pferdewache mitnahm. Fast die Hälfte der Pferde ertrank, ein deutscher Reiter und drei Hottentotten. An einen Weitermarsch unter diesen Umständen war nicht zu denken. Ich mußte wieder nach Franzfontein zurück und langte hier heute früh wie der an.

Müller, der mit seiner Kolonne weiter nördlich in der Ebene vorging, wird wohl auch bald zurückkommen, desgleichen eine südliche Kolonne. Außerdem verbietet ein aus Berlin anlangendes Telegramm ein weiteres Vorgehen. So werden wir wie in Winterquartieren die Regenzeit abwarten und uns durch Postierung vor Räubereien des Feindes sichern, falls dieser nicht schon ganz nach dem Norden fort ist. Viel Ruhm hat dieser Feldzug nicht gebracht, destomehr schwierige Lagen und Unglücksfälle. Einen Fehler habe ich begangen, indem ich den Feind unterschätzte und nicht vorsichtig genug zu Anfang verfuhr; an dem Hauptübel, der Unbeweglichkeit, bin ich unschuldig, aber ich habe furchtbar darunter gelitten. Kein Unglücksfall bedrückt das Herz so schwer, wie ein solcher Zustand. Unterkriegen habe ich mich aber nicht lassen und bin körperlich und geistig so frisch wie zu Beginn des Feldzuges.

War ich im Sattel und im Marsch auf den Feind, dann war mir leicht ums Herz. Anfang dieses Monats habe ich mir durch Kuhn übrigens noch ein gutes Stück Blei aus dem Fuß schneiden lassen, das Körte nicht gefunden und das sich so gesenkt hatte, daß ich schließlich nicht mehr laufen konnte. Jetzt gehts sehr gut wieder. Zu meinem großen Bedauern höre ich, daß ein törichtes Gerücht nach Berlin vom Generalkonsul von Kapstadt telegraphiert ist: „ich sei vom Feinde aufgehoben". Inzwischen wird es telegraphisch berichtigt sein, es war eine dumme Erfindung. Übermorgen ist Dein Geburtstag, liebe Mutter; ich werde Deiner recht gedenken. Vielen Dank für Eure Briefe von Dezember (Leutwein in Berlin), nach denen es Euch gut ging. In Outjo sind Frachtsachen für mich angelangt, Konserven, die ich bald hoffe zu bekommen. Ich muß schließen, denn der Bote geht fort. Ich werde aber diese Tage mehr schreiben und Euch zuschicken. Herzliche Grüße an die Geschwister und Verwandten. Gott sei mit Euch. Euer Ludwig.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Geschrieben unter dem Kameldornbaum. Das zum Teil unglückliche Gefecht am Grootberg, Südwestafrika, von Ludwig von Estorff.

Buchtitel: Geschrieben unter dem Kameldornbaum
Untertitel: Die Briefe und Berichte Ludwig von Estorffs aus dem alten Südwestafrika 1894-1903
Autor: Ludwig von Estorff
Herausgeber: Christoph-Friedrich Kutscher
Verlag: John Meinert Ltd.
ISBN 0-620-06327-0
Windhoek, Südwestafrika 1982
Originalbroschur, 15x22 cm, 288 Seiten, etliche sw-Fotos, 1 Faltkarte in Umschlagtasche

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Geschrieben unter dem Kameldornbaum beinhaltet die ausführlichen Briefe und Berichte Ludwig von Estorffs aus Südwestafrika 1894-1903, die er seinen Eltern schrieb.