Garten afrikanischer Tierwelt: Im Lande meiner Modelle, von Wilhelm Kuhnert

Garten afrikanischer Tierwelt: Im Lande meiner Modelle, von Wilhelm Kuhnert. Klinkhardt & Biermann Verlag. Braunschweig 1953

Garten afrikanischer Tierwelt: Im Lande meiner Modelle, von Wilhelm Kuhnert. Klinkhardt & Biermann Verlag. Braunschweig 1953

Natureindrücke und Tierbeobachtungen des Tier- und Afrikamalers Wilhelm Kuhnert kommen in seinen Reiseerinnerungen, Garten afrikanischer Tierwelt: Im Lande meiner Modelle, zum Tragen und sind die Essenz seiner vier Expeditionen nach Deutsch-Ostafrika und benachbarte Staaten zwischen 1890 und 1912. Wilhelm Kuhnert gilt als der bedeutendste Tiermaler der Kunstgeschichte.

Wilhelm Kuhnert  

Ein Garten afrikanischer Tierwelt:

[...] Nach kurzer Strecke sind wir aus dem hohen Grase heraus. Hier liegt eine scharf abgegrenzte Zone, von der ab sich die ebene, fast graslose Steppe wie ein unendliches Getreidefeld abhebt. An dieser merkwürdigen Linie schlängele ich mich noch einige Meter entlang, dann biege ich im Winkel nach der Steppe ab. Daran schließt sich die absolut bäum- und strauchlose Grassteppe, die Nyika an. Noch ist bei dem geisterhaften Licht nichts deutlich zu erkennen. Behutsam vorwärts geht es; ich habe ja keine Eile. Unhörbaren Flügelschlages gaukeln einige Nachtvögel durch die Luft. Aus weiter Ferne schlägt als erster Laut das heisere Bellen eines Schakals an mein Ohr. Nach ein paar Minuten raschelt es ganz nahe neben mir im kurzen Grase. Völlig unsichtbar wird irgendein Tier flüchtig, Ich vernehme nur ein Geräusch, etwa als wenn jemand Gras abreißt. Vielleicht war es eine davongaloppierende Hyäne. Weiter und weiter geht es; durch einen niedrigen, auf dem Grase lagernden weißlichen Nebelschwaden, und schließlich taucht vor uns im Dunst das Pori auf. Nun wird es deutlich heller, die Umgebung nimmt Gestalt und Farbe an, und endlich steht siegreich und schön in all seiner Farbenpracht der glühende Sonnenball am Osthimmel und wirft lange Schatten vor mir her. In einiger Nähe befindet sich ein ziemlich hoher, mit dichtem Gebüsch bewachsener Termitenhügel. Er ladet geradezu ein zum Verweilen und Beobachten, und ich krieche schleunigst in das dichte Versteck. Heller, sonniger Morgenzauber! Wie unendlich weit kann das Auge jetzt in der klaren, herrlichen Morgenluft sehen! Und es gibt viel zu sehen, eigentlich viel zu viel, um das alles aufnehmen, erfassen zu können. Da ist zunächst einige hundert Meter links von mir ein Rudel großer Säuger, das mich sofort fesselt — einundsechzig Giraffen zähle ich! Sie sind wahrhaftig das auffallendste Wild der afrikanischen Steppe. Etwas versprengt, aber immerhin noch leidlich geschlossen, tummeln sie sich in allen Altersstadien da drüben umher. Ein paar alte Kühe und ein Bulle äsen. Sie stehen mit weit gespreizten Vorderläufen, den langen Hals nach unten gebeugt, und gleichen in dieser eigenartigen Stellung um ein Haar einem bunt gestrichenen Holzgestell. Andere strecken die langen Hälse fast kerzengerade nach oben. Sie sind dann überhaupt mit nichts mehr zu vergleichen. Seltsame Tiergestalten! Wiederkäuend bewegt sich die schmale, kamelartige Muffel hin und her; rhythmisch peitscht der lange Wedel mit der schwarzen Quaste die Flanken. Aber die großen, dunklen Lichter äugen trotz aller Ruhe unablässig sichernd scharf umher. Durch ihr ausgezeichnetes Sehvermögen, das noch durch die kolossale Körperhöhe sehr vorteilhaft ergänzt wird, bestreicht die Giraffe einen sehr weiten Gesichtskreis. Jetzt wird ein halbwüchsiges Kalb, das eben gesäugt, von seiner Mutter liebevoll beleckt. Nun knabbert ihm die Alte an der Mähne herum, was dem Kleinen ganz besonders zu behagen scheint. Es ist eine recht ulkige Figur, dieses große „Kleinchen" mit seinen hohen Extremitäten und dem viel zu kleinen Kopf, der auf dem noch zu kurzen Halse sitzt, wenn es neben seiner riesigen Mutter steht. Nach der mütterlichen Liebkosung geht es ganz gemütlich etwas spazieren. Plötzlich aber packt es die Jugendlust, und es springt mit den verrücktesten Kapriolen und spaßigsten Körperverrenkungen umher. Welch ein Vergnügen für mich, das zu beobachten! Manchmal will es mir scheinen, als säßen die Beine überhaupt nicht am Körper. Und nun ist das tolle Spiel ebenso plötzlich zu Ende, wie es begonnen. Ernst und artig schreitet das Kleine zur Alten zurück. Dieselben Vorgänge, Heiterkeit, blödsinnige Sprünge und Ernst wiederholen sich noch mehrmals. In der Herde stehen recht alte kapitale Bullen, die sich besonders durch starke, mächtige Hälse und die kräftig entwickelten Stirnzapfen auszeichnen. Durch ihre Stärke fallen sie sofort auf. Recht wirkungsvoll heben sich bei ihnen die sehr hellen, fast weißen Unterläufe und die weißen Gehöre ab. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Garten afrikanischer Tierwelt. Im Lande meiner Modelle, von Wilhelm Kuhnert.

Titel: Garten afrikanischer Tierwelt
Untertitel: Im Lande meiner Modelle
Autor: Wilhelm Kuhnert
Illustrationen: Wilhelm Kuhnert
Verlag: Klinkhardt & Biermann Verlag
26.-30. Tausend, Braunschweig 1953
Originalleineneinband, 12 x 19 cm, 199 Seiten, zahlreiche Federzeichnungen im Text

Kuhnert, Wilhelm im Namibiana-Buchangebot

Garten afrikanischer Tierwelt. Im Lande meiner Modelle

Garten afrikanischer Tierwelt. Im Lande meiner Modelle

Das Buch Garten afrikanischer Tierwelt: Im Lande meiner Modelle beschreibt Wilhelm Kuhnerts Naturerleben und Tierbeobachtung während seiner Studienreisen nach Deutsch-Ostafrika zwischen 1890 und 1912.