Durst. Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest, von Hermann Nieß

Durst. Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest, von Hermann Nieß. Reihe: Spannende Geschichten, Heft 40. Verlag von C. Bertelsmann, o. J.

Durst. Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest, von Hermann Nieß. Reihe: Spannende Geschichten, Heft 40. Verlag von C. Bertelsmann, o. J.

Hermann Niess, Bergbaufachmann in Deutsch-Südwestafrika im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhundert, berichtet in dieser Geschichte von einem Dursterlebnis, das er auf einem seiner zahlreichen Dienstreisen zu bestehen hatte.

Niess, Hermann  

Nach langem, beschwerlichem Ritt erreichte ich gegen Abend eines glutheißen Dezembertages endlich die kleine Station am Khanrivier. In meiner Begleitung waren der Steiger Brauns, der Bergmann Eichler und ein Bur namens Decon. Unser Reiseziel war ein erst kürzlich von Prospektoren entdecktes Kupfervorkommen, das noch einen guten Tagesritt rivieraufwärts liegen sollte. Die Besorgnis vor anderen Bewerbern hatte mich zu größter Eile angespornt. Um die kühlen Nachtstunden auszunutzen, ließ ich schon gegen Mitternacht wieder satteln und aufbrechen. Am Abend des nächsten Tages hoffte ich, das Lager der Prospektoren zu erreichen. Düster und schweigend lag das breite, tief eingeschnittene Flußtal vor uns. Die Luft war noch drückend schwül. Deutlich spürte man die große Wärmeausstrahlung der felsigen Uferwände. Träge Wolkenschwärme hatten den Himmel strichweise überzogen. Nur wenige Sterne waren sichtbar. Trübe Nebel verhüllten die fahle, eingeschrumpfte Mondscheibe. Der weiße Riviersand, die gespensterhaften Reihen breitkroniger Annabäume mit ihrem kahlen Astwerk, die verschwommenen Umrisse der hohen Felsen zu beiden Talseiten gaben der Gegend ein schreckendes Aussehen. Wir spornten die Pferde, denen man den scharfen Ritt vom Tage zuvor noch anmerkte, zum Traben an, um die Morgenstunden auszunutzen. Aber auf dem verkrusteten Boden brachen die Tiere häufig ein, so daß wir fast nur im Schritt reiten konnten. Als es Tag wurde, hatten wir erst ein kleines Stück unseres Weges zurückgelegt. Die Sonnenstrahlen fielen bald heiß in das tiefe Tal. Die Luft erwärmte sich schnell. Eine grelle Lichtfülle, verstärkt durch die Widerstrahlung des weißen Kalksandes, begann die Augen zu schmerzen. Die Hufe der Pferde wirbelten hohe Wolken feinsten Staubes auf, der sich wie Mehl in dicker Schicht auf unsere Kleidung legte. Unsere Gespräche verstummten. Langsam, schweigend ritten wir rivieraufwärts. Bald regte sich bei mir, der ich noch Neuling in diesem Lande war, das Durstgefühl. Dazu kam ein Kribbeln und Jucken im Gesicht und auf den Händen, das von dem Salzgehalt des Staubes herrührte. Ich griff häufig zu der am Sattelknauf hängenden Feldflasche. Die Hitze wurde immer lästiger. Wie eine weißglühende Scheibe stand jetzt die Sonne über den Bergen. In kurzen Pausen fluteten brennend heiße Luftwellen uns entgegen. Ein zunehmendes Gefühl lästigen Unbehagens begann mich zu quälen. Vergeblich bemühte ich mich, meine Gedanken von der leblosen Einöde abzulenken. Die blendende Lichtfülle, die glühende Luft, das Flimmern des weißen Sandbodens, die kahlen Bergkegel zu beiden Rivierseiten, deren Hänge so braun und schwarz gebrannt waren, als wäre erst kürzlich ein höllisches Feuer über sie hinweggeeilt, nahmen meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Forschend spähte ich von einem Ufer zum anderen. In den steinigen Schluchten wurden vereinzelt trockene Binsenstauden und welke Milchbüsche sichtbar. Einen traurigen Anblick boten die stark gelichteten Baumreihen entlang den Uferrändern. Der größte Teil der Bäume war rindenlos und der Kronen beraubt. Wie bleiche Skelette ragten sie aus der starren Ode empor. Das Astwerk der noch nicht vertrockneten Stämme trug nur noch spärliches Laub. Haufen abgebrochener Zweige und Äste lagen am Boden. Nirgends fanden sich junge Bäume. Ein langsames Verdursten war aller Los. Die strahlende Hitze wurde bald unerträglich. Der Durst begann mich und meine Begleiter zu peinigen. Die aufgesprungenen Lippen schmerzten, ein beißendes Gefühl saß mir in der Kehle. Quälende Unruhe peinigte mich. Und nirgends ein Schattenstreifen, um dieser dörrenden Glut entrinnen zu können. Auch den Pferden war deutlich anzumerken, daß der Durst sie quälte. Ihr Gang war müde und schleppend. Sie ließen die Köpfe hängen, stolperten häufig und waren nur noch durch scharfes Anspornen für kurze Zeit zu einem schnelleren Schritt zu bringen. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Erlebnisbericht: Durst. Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest, von Hermann Nieß.

Titel: Durst
Untertitel: Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest
Genre: Jugendschrift
Autor: Hermann Niess
Reihe: Spannende Geschichten, Heft 40
Verlag von C. Bertelsmann, o. J.
Originalbroschur, 14 x 20 cm, 32 Seiten, mit 2 Textskizzen

Niess, Hermann im Namibiana-Buchangebot

Durst. Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest

Durst. Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest

Durst: Ein Erlebnis in Deutsch-Südwest ist eine Jugendschrift aus der Reihe 'Spannende Geschichten' aus dem Bertelsmann Verlag.

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