Durch Kamerun von Süd nach Nord, von Curt von Morgen

Durch Kamerun von Süd nach Nord, von Curt von Morgen.

Durch Kamerun von Süd nach Nord, von Curt von Morgen.

Durch Kamerun von Süd nach Nord ist eine seltene Beschreibung der Reisen und Forschungen des deutschen Offiziers Curt von Morgen im kameruner Hinterland..

Curt von Morgen  

[…] Nach Balinga zurückgekehrt, wurden wir mit großem Jubel empfangen. Die Schadenfrende ob der Niederlage der verhaßten reichen Nachbarn war groß. Ganz besonders der Häuptling schien froh darüber, daß die Rivalität zwischen ihm und dem Bati-Anführer, wer von beiden der mächtigere sei, nun plötzlich zu seinen Gunsten entschieden war. Der Weiße, der seinen Nebenbuhler geschlagen hatte, war sein Freund, und in jeder Weise gab er mir dies zu verstehen. Ich selbst jedoch befand mich noch immer nicht in sehr gehobener Stimmung. Ich hatte aus dem Kampfe, trotz des Sieges, durchaus keinen Vortheil gezogen. Der beste Weg zur Küste war mir versperrt, und was konnte mir nicht noch alles auf der andern Route, die ich nun gezwungen war einzuschlagen, passiren. Sie sollte durch unfruchtbare, gar nicht oder von habgierigen, feindseligen Eingeborenen bevölkerte Gegenden führen. Wenn auch die moralische Stimmung meiner Leute durch den Sieg und die materielle Beute augenblicklich eine sehr gehobene war, so konnte fremden Völkerstämmen gegenüber der Eindruck uuserer Colonne mit den vielen Verwundeten doch durchaus kein imponirender sein. Doch was half's, ich mußte durch, eine Umkehr gab es für uns nicht. Für die Verwundeten, die die kurze Strecke vou Bati nach Balinga auf Stangen oder theilweise auf dem Rücken eines ihrer Kameraden fortgeschleppt worden waren, mußte nun eine für Träger und Getragene praktischere Tragweise erfunden werden. Es wurden aus der nahen Niederung, wo zahlreiche Raphia-Palmenstauden, sechs Fuß lange, starke Blattrippen geschlagen und au jeder dieser Stangen die wollene Decke des betreffenden Kranken in Form einer Hängematte mit schnell gefertigten Baststricken befestigt. Das war die ganze Tragbahre.

Die Raphiastange wurde mit ihren Enden je auf den Kopf eines Trägers gelegt, und zwar so, daß die abgeflachte Seite der Rippe nach unten zu liegen kam und sie auf diese Weise einen festen Halt hatte. Der in der hängenden wollenen Decke Liegende konnte sich, falls die Schwankungen der elastischen Stange zu bedeutende wurden, mit den Händen an dieser, welche dicht über ihm lag, festhalten. Im übrigen hing die relative Bequemlichkeit dieser Bahre noch sehr von der Art des Tragens ab. Die beiden Träger durften, um starke Schwankungen zu vermeiden, nie Tritt halten, sondern mußten möglichst kleine, unregelmäßige und schleichende Schritte machen. Zum Abwechseln der Träger und zu Hülfeleistungen beim Passiren von Hindernissen - Erklettern steiler Anhöhen, Absteigen auf abschüssigen Böschungen - hatte ich für jede Bahre zwei Ersatzmänner bestimmt, von denen der eine vor, der andere hinter der Hängematte gehen sollte. Die Probeübung am Abend auf dem Dorfplatze war günstig ausgefallen, und so marschirten wir denn zum zweiten Male von Balinga, diesmal in südwestlicher Richtung, am 30. December früh morgens ab.

Die Führung hatte ich wie bisher selbst, mit Kompaß und Uhr unsere Richtung bestimmend. Von Zeit zu Zeit nahm ich Fühlung mit dem ziemlich parallel zu unserer Marschrichtung dahinfließenden Sannaga, den wir zuerst nach dreistündigem Marsche erblickt hatten. Hinter mir folgten die Elmina, an die sich unter der Aufsicht von Hörhold die Träger mit den Verwundeten schlossen; den Schluß bildeten die Togo- und Lagosleute unter dem schwarzen Aufseher Eoruelius. Trotz des flachen Graslandes ging der Marsch nur sehr langsam von statten. Wiederholt rissen die morschen Stricke, mittels deren die primitiven Tragbahren an ihren Griffen befestigt waren, wiederholt verlangten die Patienten nach Ruhe. Vor allem waren aber deren Träger genöthigt, bei der schweren Last öfter abzuwechseln und auszuruhen.

Eben hatte ich darüber nachgedacht, was uns wol der heutige Tag bringen würde, als uns im letzten Tshingadorfe eine Abordnung dieses befreundeten Stammes entgegenkam und uns erzählte, daß der Häuptling des vor uns liegenden Mshibastammes mir den Durchzug verwehren wolle. Falls wir es dennoch wagen sollten, sein Gebiet zu betreten, würde keiner von uns es je wieder verlassen. Derartige Drohungen machten indeß auf mich keinen Eindruck mehr. Als Zeichen, wie gleichgültig mich diese Mittheilung ließ, zündete ich mir meine kurze Marschpfeife an, und nachdem ich ruhig ein paar Rauchwolken ausgestoßen hatte, ging es weiter, den Dingen entgegen, die da kommen sollten. Als ich schließlich gegen Mittag in das erste Mjibadorf eintrat und daselbst Halt machte, kamen mir die Eiugeboreuen zwar scheu, aber immerhin in friedlicher Weise entgegen. Der vor meiner Ankunft in so renommistischer Weise zum Ausdruck gebrachte Muth war wol plötzlich geschwunden; wenigstens verspürten wir während des ganzen Nachmittags und der Nacht keinerlei Feindseligkeiten.

Der nächste Tag führte uns in westlicher Richtung weiter, die Ansiedelungen wurden spärlicher und hörten endlich fast ganz aus. Dagegen wurde das Grasland um so belebter an Antilopen, Büffeln und Elefanten. An Stelle der verkrüppelten Anona trat jetzt, allerdings nur vereinzelt, die stattliche, schlanke Fächerpalme, deren große, gelbe, ölige Frucht meinen Trägern in der wasserarmen Gegend eine angenehme Erfrischung wurde. In einem schmalen Buschstreifen, in der Nähe eines kleinen Nangadorfes, schlagen wir am Nachmittag unser Lager auf. Es war die armseligste Gegend und die armseligste Bevölkerung, die ich bisher in Afrika gesehen hatte und je wieder sah. Abgesehen von dem Umstände, daß sowol Männern wie Weibern jegliche Kleidung fehlte, war ihr körperlicher Zustand unglaublich verkümmert. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Durch Kamerun von Süd nach Nord. Reisen und Forschungen im Hinterlande 1889 bis 1891, von Curt von Morgen.

Buchtitel: Durch Kamerun von Süd nach Nord
Untertitel: Reisen und Forschungen im Hinterlande 1889 bis 1891
Autor: Curt von Morgen
Verlag: F. A. Brockhaus
1. Auflage, Leipzig 1893
 Illustrierter Orginal-Leineneinband, 15x23 cm, 390 Seiten, 1 Titelfoto, 19 Separatbilder, 50 Abbildungen, 1 Faltkarte, Schrift: Fraktur

von Morgen, Curt im Namibiana-Buchangebot

Durch Kamerun von Süd nach Nord. Reisen und Forschungen im Hinterlande 1889 bis 1891

Durch Kamerun von Süd nach Nord. Reisen und Forschungen im Hinterlande 1889 bis 1891

Durch Kamerun von Süd nach Nord ist eine seltene Beschreibung der Reisen und Forschungen des deutschen Offiziers Curt von Morgen im kameruner Hinterland.

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