Die Nama unter deutscher Kolonialherrschaft, von Michael Vaupel

Die Nama unter deutscher Kolonialherrschaft, von Michael Vaupel.

Die Nama unter deutscher Kolonialherrschaft, von Michael Vaupel.

Michael Vaupel untersucht politische Arrangements sowie kriegsschürende Konfliktfelder zwischen deutscher Kolonialherrschaft und den Nama.

Michael Vaupel  

1. Einleitung und Zielsetzung: Die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, währte nur relativ kurz, von 1884 bis 1915. Dies bedeutet nicht, dass das Deutsche Reich in diesem Zeitraum die uneingeschränkte Hoheit über das gesamte Gebiet besessen hat: Die Ovambo-Stämme im äußersten Norden gerieten de facto niemals unter deutsche Herrschaft1, die Herero- und Nama-Stämme konnten bis zu den großen Aufständen 1904 eine gewisse Autonomie wahren. Diese gewisse Autonomie bedeutete auch, dass die Beziehungen der einzelnen Stämme untereinander zunächst weiterhin von ihren „präkolonialen Rivalitäten"2 geprägt waren. Grob vereinfachend lässt sich sagen, dass zwischen Herero und Nama wegen des Hegemoniestrebens der Letzteren zumindest zur Zeit des Nama-Häuptlings Jonker Afrikaner erhebliche Rivalitäten bestanden, freilich wird diese Pauschalierung den oft wechselnden Bündniskonstellationen nicht gerecht. Diese vorhandenen Rivalitäten führten dazu, dass es zu keinem Zusammenschluss der Herero und Nama gegen die eindringenden deutschen Kolonialherren kam, selbst die großen Aufstände in der Kolonie, die 1904 begannen, wurden unabgestimmt von Herero und Nama begonnen. Da die großen Aufstände auch zu einer Beendigung der relativen Autonomie der Stämme führten, müssen sie als ein zentrales Ereignis der deutschen Kolonialgeschichte für dieses Gebiet betrachtet werden. Als Folge der Aufstände wurden die Stammesstrukturen der Herero- und Nama-Stämme aufgelöst, ihr Stammesland wurde als Kronland eingezogen, Großviehzucht wurde den Eingeborenen grundsätzlich verboten. Ausnahmen wurden nur bei wenigen Stämmen gemacht, die sich nicht an den Aufstandshandlungen beteiligt hatten.3 Die Folge dieser Maßnahmen: „Aus dem sogenannten Schutzgebiet war eine deutsche Kolonie und aus den viehzüchtenden Herero und Nama, den Herren des Landes, waren besitzlose Proletarier geworden."4 Während die Herero- und Nama-Stämme nach dem Ende der großen Aufstände als politische Größe keine Rolle mehr spielten, trifft dies für die beiden Jahrzehnte vor 1904 nicht zu.

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Nama-Stämmen und untersucht die Fragestellung, ob die Entwicklung während des Zeitraums von 1884 bis 1904 zwangsläufig auf „Krieg", d. h. eine große Aufstandsbewegung der Nama-Stämme, hinauslaufen musste. Oder, anders formuliert: Gab es für die Nama keine Möglichkeiten eines Arrangements mit der Kolonialmacht, das unter Zugeständnissen eine langfristig akzeptable, relativ autonome Entwicklung erlaubt hätte? Die vorliegende Arbeit wird versuchen, diese Frage zu beantworten, indem Sie die Zeitspanne der deutschen Kolonialherrschaft bis zu den großen Aufständen einer systematischen Untersuchung in Bezug auf die Fragestellung unterziehen wird.

Um zu verstehen, welche strukturellen Änderungen die deutsche Kolonialherrschaft im Vergleich zur vorkolonialen Zeit für die Nama mit sich brachte, ist eine umfassende Schilderung der sozialen Verhältnisse der Nama vor dem Zeitpunkt der formellen Inbesitznahme durch das Deutsche Reich notwendig. Dies geschieht in Kapitel 2. Neben der sozialen Organisation der Nama und den für sie wirtschaftlich relevanten Punkten wird dabei auch das Eigenbild der Nama untersucht. Auch die Rolle der bei den Nama tätigen Missionare wird behandelt. In Kapitel 3 betreten dann die deutschen Kolonialherren die Bühne. In diesem Teil der Arbeit erfolgt die systematische Untersuchung der Kontaktfelder zwischen Nama und Deutschen, wobei versucht wird, diese Analyse möglichst umfassend zu gestalten.

Kapitel 4 zieht aus der Untersuchung dieser Berührungspunkte die Schlussfolgerungen und ordnet diese den beiden Feldern „Kollaboration" und „Widerstand" zu. Dieses Einordnen ermöglicht es, zu einem Ergebnis für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit zu kommen. Kapitel 5 schließlich fasst die wichtigsten Ergebnisse nochmals kurz zusammen und zeigt mögliche Alternativen auf. Die Beschränkung auf die Nama erfolgt deshalb, weil die Entwicklung von Nama und Herero ab 1884 unterschiedlich verlief. Die Gründe sind zum einen bei der deutschen Seite zu suchen. Das Interesse der deutschen Kolonialmacht konzentrierte sich unter anderem aufgrund der besseren Bodenqualität des Herero-Landes seit den Anfangsjahren der Kolonie stärker auf deren Gebiet als auf das der Nama (...)

Fußnoten:

1 Vgl. Gründer (1995), S. 123.
2 Gründer (1985), S. 111.
3 Vgl. £/ey(1968), S. 211.
4 Drechsler (1966), S. 260.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die Nama unter deutscher Kolonialherrschaft, von Michael Vaupel.

Buchtitel: Die Nama unter deutscher Kolonialherrschaft
Untertitel: Arrangements und Konfliktfelder
Autor: Michael Vaupel
Verlag: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft
Basel, Schweiz; Windhoek, Namibia 2011
ISBN 978-99945-76-08-1 Namibia
ISBN 978-3-941602-65-6 Deutschland
Broschur, 15x21 cm, 96 Seiten, einige sw-Fotos und Karten

Vaupel, Michael im Namibiana-Buchangebot

Die Nama unter deutscher Kolonialherrschaft

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