Die Last des Erinnerns, von Wole Soyinka

Die Last des Erinnerns: Was Europa Afrika schuldet und was Afrika sich selbst schuldet, von Wole Soyinka. Patmos Verlag. Ostfildern, 2001. ISBN 3491724449 / ISBN 3-491-72444-9

Die Last des Erinnerns: Was Europa Afrika schuldet und was Afrika sich selbst schuldet, von Wole Soyinka. Patmos Verlag. Ostfildern, 2001. ISBN 3491724449 / ISBN 3-491-72444-9

In seiner These, Die Last des Erinnerns, beschreibt der Nigerianer Wole Soyinka was Europa aus seiner Sicht Afrika schuldet und was Afrika sich selbst schuldet.

Wole Soyinka  

Im Vorlauf der US-Präsidentschaftswahlen des Jahres 1992 hatte es den Anschein, als gebe es die durchaus realistische Möglichkeit, dass das Land einen neuen Präsidenten in der Person eines gewissen Mr. David Duke bekäme. Und wer weiß, vielleicht wird er es ja noch einmal. Nein, vielleicht sollten wir dies doch eher als unwahrscheinlich ansehen; aber eventuell einigt man sich im Staat Louisiana ja noch auf ihn als Gouverneur oder belohnt seinen Fleiß mit einem Sitz im Senat - Mr. Duke jedenfalls scheint ganz entschlossen, auf der einen oder anderen Ebene in die Machtstruktur der USA einzudringen. Für den Moment aber kann man von ihm sagen, dass er in den USA auf den Status einer wohlverdienten Bedeutungslosigkeit abgesunken ist. An anderem Orte allerdings nicht; z. B. nicht in Deutschland, von wo vor einigen Jahren berichtet wurde, dass er dort seine Präsenz auf vertrautem ideologischem Terrain etabliert hatte. Und in noch jüngerer Vergangenheit scheint Mr. Duke ein neues Betätigungsfeld in Südafrika gesucht zu haben. Was aber ist so bemerkenswert an Mr. Duke und seinem Bestreben, die republikanische Partei als Präsidentschaftskandidat zu vertreten? Ganz einfach die Tatsache, dass viele Amerikaner überrascht erfuhren, Mr. Duke war ein prominentes und immer noch sehr aktives Mitglied des Ku-Klux-Klan. Bei den Vorwahlen verlor er natürlich, doch seine Niederlage im Rennen um den Posten des Gouverneurs war eine sehr knappe, und diese Tatsache bleibt somit eine erschreckende Erinnerung daran, dass der Rassismus noch keineswegs ein abgeschlossenes Kapitel ist, nicht nur in den USA, sondern auch in weiten Teilen Europas und in Südafrika, das ja die Rassentrennung per Apartheid erst vor kurzer Zeit beendet hat. Nach den politischen Rückschlägen in seinem eigenen Land kokettierte Mr. Duke kurze Zeit mit den Neo-Nazis und Skinheads in Deutschland, fand jedoch heraus, dass die Deutschen, ganz darauf aus, jede Glorifizierung ihrer schamvollen Vergangenheit abzulegen und sich von dieser abzusetzen, ihn weise - jedenfalls mehrheitlich - auf Armlänge von sich fernhielten. Seine Invasion Südafrikas hingegen ist ganz anders verlaufen. Es ist Mr. Dukes beherzter Sprung - und wir rühren ihn hier lediglich als ein illustrierendes Beispiel an - in den noch kochenden Hexenkessel des Rassismus, der uns hier einige höchst ungemütliche Verästelungen der in Südafrika praktizierten Strategien zur Versöhnung der Gesellschaft bietet - und zur Versöhnung der Rassen im Allgemeinen. Könnte Mr. Dukes Mission möglicherweise - und im denkbar weitesten Sinne - interpretiert werden als der Versuch, das Anliegen der südafrikanischen „Truth and Reconciliation Commission“, des Ausschusses für Wahrheit und Versöhnung, zu fördern? Nein. Genau das Gegenteil. Duke besuchte dieses Land, um seine Solidarität mit einer selbsterklärten „Freien Buren-Republik“ zu demonstrieren - angeregt vielleicht von der Enklave der „American Freemen“ - die erklärt hatte, dass die Apartheid im neuen Südafrika zwar offiziell gebannt sein möge, dass aber ihre in einer Stadt mit dem so königlichen Namen Balmoral massierten, extrem rechten Mitglieder höchst unterschiedliche Vorstellungen darüber besäßen, wie die Beziehung zwischen den Rassen in Südafrika auszusehen hätte. Eine heiße Spur hat enthüllt, dass einige dieser Verteidiger des weißen „American Way of Life“, das sogenannte „Freemen Movement“, nichts anderes sind als Ableger des Ku Klux Klan, die lediglich die lächerliche (einst jedoch tödliche!) Verkleidung des KKK gegen die Macho-Tarnuniformen aus den US-Army-Läden eingetauscht haben. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die Last des Erinnerns, von Wole Soyinka.

Titel: Die Last des Erinnerns
Untertitel: Was Europa Afrika schuldet - und was Afrika sich selbst schuldet
Autor: Wole Soyinka
Verlag: Patmos Verlag
Ostfildern, 2001
ISBN 3491724449 / ISBN 3-491-72444-9    
ISBN 9783491724440 / ISBN 978-3-491-72444-0
Original-Kartoneinband, Original-Schutzumschlag, 13 x 21 cm, 150 Seiten

Soyinka, Wole im Namibiana-Buchangebot

Die Last des Erinnerns

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Die Last des Erinnerns: Schuld, Schuldfragen und Schuldzuweisungen im Kontext mit dem europäischen Kolonialismus.

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