Die kleine Karru. Südafrikanische Erzählungen, von Pauline Smith

Die kleine Karru. Südafrikanische Erzählungen, von Pauline Smith. Originaltitel: The Little Karoo.

Die kleine Karru. Südafrikanische Erzählungen, von Pauline Smith. Originaltitel: The Little Karoo.

Die kleine Karru ist eine einzigartige Sammlung von zehn kurzen südafrikanischen Erzählungen Pauline Smith's, die sich trotz einer ihr eigenen, nüchternen Härte, liebevoll um Ihre männlichen und weiblichen Hauptdarsteller entwickeln, allesamt ausgeprägte Charaktäre.

Pauline Smith  

Seit sie verheiratet waren, und das war ein kinderloses Leben von fast fünfzig Jahren, lebten Juriaan van Royen und seine Frau Deltje im Aangenaam-Tal auf einem Gut, das er von Mijnheer van der Wenter auf Vergelegen gepachtet hatte. Sein Pachtgut war etwa eine Wegstunde entfernt vom Farmhaus auf Vergelegen und lag auf einer kleinen Bergstufe, nach Norden zu und nach der Sonne zu. Der Boden war karg, und von allen armen Leuten, die im Aangenaam-Tal Pächter waren, war Juriaan einer der ärmsten. Er war groß und mager und schlaksig, sprach langsam und leise, bewegte sich langsam und leise. Mit seinem strähnigen, staubfarbenen Haar, das mit zunehmendem Alter eher ausblich, statt grau zu werden, und das er so lang trug wie ein Bur aus dem hintersten Transvaal, sah er wild und ungepflegt aus und dennoch eben deswegen noch freundlicher und sanfter. Seine Liebe zu seiner Frau Deltje hatte mit den Jahren zugenommen und letzthin auch mit ihren Schmerzen. Die kleine, alte Frau, sie war mollig und rundlich, und ihre Haut war so weich und glatt wie die eines Kindes, und trotz der Schmerzen war sie immer still und heiter, die liebte er jetzt mehr als damals, als sie seine junge Frau war. Als seine junge Frau war sie zu ihm in die Berge hinaufgekommen; sie hatte einen harten Dienst gehabt bei Mevrouw du Toit auf der Leeuw Kraal-Farm, und sie brachte nichts mit als die Kleider, die sie am Leibe hatte, und ihre Bibel, die war in ein rot und weiß kariertes Taschentuch geknüpft. Mevrouw hatte schwache Augen, und um ihrer Herrin Augen zu schonen, hatte Deltje schon als Kind lesen lernen müssen. Juriaan konnte weder lesen noch schreiben, und als an ihrem Hochzeitsabend Deltje die Bibel aufschlug und ihm vorlas, da schien es ihm, daß keine Musik der Welt süßer klingen könnte. Im Alter war ihre Stimme so hoch und fein geworden wie eine Vogelstimme, aber ihm klang es immer noch schön, wenn sie ihm vorlas. Die langen Jahre, die sie in Armut und Kinderlosigkeit verbracht hatten, die hätten sie wohl verbittern und einander entfremden können; aber sie waren einander nur um so vertrauter geworden, und darum mußten sie nun miteinander mit den Schmerzen fertig werden, die Deltje überkommen hatten. Und ihnen beiden, weil sie all ihr Leben lang gesund gewesen waren, kamen diese Schmerzen vor wie etwas ganz Fremdes, etwas von außerhalb wie ein geheimnisvolles, mächtiges Wesen, das aus unerklärlichen Gründen sich in Deltjes Seite einkrallte und sie hinunterzwang auf die niedere hölzerne Bettstatt in dem kleinen Schlafzimmer, wo sie dann stundenlang hilflos lag. Das kleine Haus, aus Lehm gebaut, in dem die alten Leute wohnten, hatte drei Kammern und stand nah an einem Bach, der hinter einer Reihe von Pfirsichbäumen hinunterfloß. Jedes Jahr hatten sie von diesen Bäumen geerntet, so daß sie zum Erntedankfest ihr Dankopfer, getrocknete Pfirsiche, nach Harmonie bringen konnten, und jedes Jahr hatten sie die Pfirsichkerne in den Lehmboden des Wohnzimmers hineingestampft. Jeden Morgen sprengte Deltje klares Wasser vom Bach auf den Boden und fegte ihn mit einem Reisigbesen. Den Boden in der Küche und den im Schlafzimmer schmierte sie regelmäßig ein mit einer Mischung aus Kuhdung und Asche, die man Mist nannte. Das kleine Haus roch immer nach Mist, nach starkem, schwarzem Kaffee, man mahlte trockene Erbsen mit den Kaffeebohnen, damit es weiter reichte, und nach Keksen, die auf einem Kuchenblech über der Asche des offenen Herdfeuers in der Küche gebacken wurden. Im Wohnzimmer waren drei Stühle, mit Lederriemen bespannt; der Tisch war leuchtend gelb, er wurde mit Gelbholz geschrubbt, das am Berghang wuchs; und da stand ein mit fröhlichen Farben bemalter Holzkoffer, wie man sie mitnimmt, wenn man mit dem Ochsenwagen reist; es war ein kleiner, viereckiger Raum, er hatte eine Art Stalltür, oben auf, unten zu, und da sah man auf den Hof hinaus, der hinter den Pfirsichbäumen lag. Das war die einzige Tür im Haus, denn die Türrahmen zwischen Wohnzimmer und Küche und Schlafzimmer waren leer. (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die kleine Karru. Südafrikanische Erzählungen, von Pauline Smith.

Titel: Die kleine Karru
Untertitel: Südafrikanische Erzählungen
Autorin: Pauline Smith
Verlag: Kreuz Verlag
1. Auflage, Stuttgart 1962
Originalbroschur, 12x19 cm, 175 Seiten

Smith, Pauline im Namibiana-Buchangebot

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