Die Befreiung Okahandjas, von Walter Paschasius

Die Befreiung Okahandjas: Eine Eisenbahnergeschichte, von Walter Paschasius. Glanz & Gloria Verlag. Windhoek, Namibia 2015. ISBN 9789991687292 / ISBN 978-99916-872-9-2

Die Befreiung Okahandjas: Eine Eisenbahnergeschichte, von Walter Paschasius. Glanz & Gloria Verlag. Windhoek, Namibia 2015. ISBN 9789991687292 / ISBN 978-99916-872-9-2

Das 2014 erschienene Werk "Die Befreiung Okahandjas: Eine Eisenbahnergeschichte" ist eine bearbeitete Neuauflage seiner 1951 erschienenen Erinnerungen des Eisenbahners und Hauptmann der Landwehr, Walther Paschasius, an den Hereroaufstand in Deutsch-Südwestafrika.

Bernd Kroemer  Walter Paschasius  

15. Januar 1904

Das „Nachtkonzert" ist vorüber. Die heftigen, andauernden Feuerüberfälle und Sturmangriffe sind zwar abgeschlagen, haben uns aber eine weitere Nachtruhe gekostet. Soeben stehlen sich die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne über die niedrigen Höhen und versprechen einen heißen Tag, doppelt heiß für uns. Die Stunde des Aufbruchs ist gekommen. Die drei Züge stehen in der vorgesehenen Zusammenstellung nebeneinander auf drei Gleisen unter Dampf zur Abfahrt bereit. Noch einmal werden die Befehle wiederholt und durchgesprochen. Vorsicht, gut aufpassen, und vor allem ruhig Blut! Sollte die Verbindung der Züge untereinander unterbrochen werden, dann haben sich die Flügelzüge nach der Mitte zu mit dem Hauptzug zu vereinigen. Im übrigen bleibt das Marschziel nach wie vor Okahandja. Während die Mannschaften jetzt einsteigen und das letzte Gepäck verladen wird, geht Zülow mit mir und meinem Feldwebel, der den Spitzenzug führen soll, noch einmal die Züge ab. Hinter der Station sind, wie befohlen, die Eisenbahner angetreten. Zu ihnen spricht Zülow jetzt von der schweren Aufgabe, die unser aller, in besonderem Masse aber ihrer harre. Er versichert ihnen, daß wir alle unerschütterliches Vertrauen zu ihnen hätten. Ein jeder eilt nun an seinen Platz, denn es ist inzwischen 15 Minuten nach fünf geworden, und in der kurzen Morgenkühle ist jede Minute kostbar.Um 5 Uhr 20 setzen sich unsere Züge langsam und vorsichtig nacheinander in Bewegung. Wehmütig sehe ich Waldau verschwinden. Wie bald werden die schönen Gebäude zerstört und ein Raub der Flammen sein. So manchen erfolgreichen Jagdzug habe ich von hier aus unternommen, so manche afrikanische Sternennacht in dieser herrlichen Buschlandschaft verträumt! Nie habe ich auch nur im entferntesten daran gedacht, daß dieser Friede je einmal gestört werden könnte, und nun ist es plötzlich so ganz anders gekommen. Doch nicht rückwärts, sondern vorwärts schauen und alle Kräfte anspannen! heißt jetzt die Losung und wohl für lange, lange Zeit. Wie zu erwarten, hat der Feind versucht, so gut oder schlecht er konnte, die Bahn zu zerstören. Ganze Schienenjoche (Schienenstränge an denen die Schwellen vormontiert sind) sind entfernt und kleinere Brücken aufgerissen. Die Wiederherstellungsarbeiten nehmen viel Zeit in Anspruch, da sie unter heftigem feindlichen Feuer vorgenommen werden müssen. Trotzdem sind wir gegen zehn Uhr bereits bis auf einen Kilometer an Okahandja herangekommen, haben also in nicht ganz fünf Stunden rund 20 km zurückgelegt. Das ist eine Glanzleistung, wenn man bedenkt, daß wir in dieser Zeit fünf Mal angehalten werden, um den Schienenstrang wiederherzustellen, entgleiste Wagen einzugleisen oder, wo dies zu umständlich und zeitraubend wäre, sie einfach aus den Schienen zu kippen und bei Seite zu werfen. Mit langwierigen Brückenbehelfsbauten gaben wir uns nicht ab. Die Unterbrechungen wurden nur zugeschüttet, und es wird vorsichtig über den neuen Damm hinweggefahren. Die sechste und letzte Störung dicht vor Okahandja ist allerdings eine recht ernst zu nehmende, denn hier haben die Herero an einer für uns äußerst ungünstigen, in einer engen Kurve liegenden und daher sehr unübersichtlichen Stelle die Bahn zerstört, um uns beim Halten mit schätzungsweise tausend Kriegern aus dem Hinterhalt zu überfallen. Sie rechnen wohl bestimmt damit, daß wir die Gleisunterbrechung nicht sehen werden und der entgleiste Spitzenzug uns den Weg nach Okahandja versperren wird. Jedenfalls ist die Stelle, wo die Schienen fehlen, so geschickt verborgen, daß wir sie tatsächlich erst im letzten Augenblick wahrnehmen und gerade noch halten können. Der sofort einsetzende heftige Feuerüberfall zwingt uns zunächst, mit allen Kräften gegen den Feind im Sturmangriff vorzugehen und vorläufig Eisenbahn Eisenbahn sein zu lassen. Aufs äußerste erbittert, allmählich waren wir der dauernden Überfälle der Schwarzen überdrüssig, machen wir „Igel" um unsere zusammengefahrenen Züge und arbeiten uns dann ziemlich rasch im dichten Busch vorwärts, die Herero vor uns hertreibend. Sobald die Bahn nicht mehr unmittelbar bedroht scheint, benützen wir Eisenbahner eine kurze Gefechtspause, um den Bahnkörper in größter Eile wieder in Ordnung zu bringen.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die Befreiung Okahandjas: Eine Eisenbahnergeschichte, von Walter Paschasius.

Titel: Die Befreiung Okahandjas
Untertitel: Eine Eisenbahnergeschichte
Autor: Walter Paschasius
Bearbeitung: Bernd Kroemer
Glanz & Gloria Verlag
Windhoek, Namibia 2015
ISBN 9789991687292 / ISBN 978-99916-872-9-2
Broschur, 15 x 21 cm, 130 Seiten, zahlreiche sw-Fotos, 1 Kartenskizze

Paschasius, Walter im Namibiana-Buchangebot

Die Befreiung Okahandjas

Die Befreiung Okahandjas

Der Ausbruch des Hereroaufstandes und die Befreiung Okahandjas durch die Schutztruppe aus der Sicht des Staatsbahnbetriebsleiters Walter Paschasius und ein Stück Eisenbahnergeschichte Südwestafrikas.