Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia, von Brigitta Schmidt-Lauber

Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia, von Brigitta Schmidt-Lauber.  Interethnische Beziehungen und Kulturwandel, Band 9, Lit-Verlag 1993. ISBN 3894736518 / ISBN 3-89473-651-8

Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia, von Brigitta Schmidt-Lauber. Interethnische Beziehungen und Kulturwandel, Band 9, Lit-Verlag 1993. ISBN 3894736518 / ISBN 3-89473-651-8

In der Einleitung zu ihrer gesellschaftlichen Studie "Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia" legt Brigitta Schmidt-Lauber ihre Methoden zur Erörterung des komplexen Themas "Identität" dar.

Brigitta Schmidt-Lauber  

[...] Der Verweis auf »deutsche Werte« und »deutsche Kultur«, der in der Selbstdefinition deutscher Namibier zur Geltung kommt, ist mehr als nur eine neutrale Beschreibung. Er birgt politische Inhalte. In Kontrast zu sich selbst sehen und erleben deutsche Namibier andere »Bevölkerungsgruppen« des Landes, denen zugleich bestimmte Positionen zugeschrieben werden. Ethnische Kategorien stellen in Namibia eine brisante »koloniale Erblast« dar, da vor der Dekolonisierung Ethnizität, vom namibischen Politologen Gerhard Tötemeyer (1988:66ff) als Subkategorie der Kategorie Rasse analysiert, »als Organisationsprinzip des ... politischen Systems« fest verankert war (Werner 1990:96). Im Rahmen der Demokratisierung ist diese auf Ethnizität gründende Ausschließungspraxis ein in breiter Öffentlichkeit diskutiertes Politikum. Fokus der Identität deutscher Namibier sind also ethnisch oder rassisch begründete Abgrenzungen. Mit spezifischen Bedeutungen und Inhalten verbunden, werden derartige Grenzen als gegeben angenommen und tradiert. Dem intergenerational vermittelten Konzept von Identität folgend, ordnen sich deutsche Namibier in ihrem Land ein und zu, deuten und bewerten ihre soziale und natürliche Umwelt, setzen sich auf bestimmte Art in Bezug zu Deutschland und haben ein spezielles Verständnis von sich und ihrem Gegenüber. Der Genese derartiger Ordnungen gebührt besondere Aufmerksamkeit. Diese Überlegungen führten zur Ausrichtung der vorliegenden Studie, die der diachronen Perspektive keinen sekundären Hintergrundstatus, sondern einen zentralen Erkenntniswert beimißt. So wird das Gewicht auf die historische Grundlage des Selbstverständnisses und den Entstehungszusammenhang der Standortbestimmung gelegt. Das kulturelle Selbstverständnis deutscher Namibier wird als Prozeß der aktiven Auseinandersetzung mit sich im Laufe der Geschichte wandelnden Lebensumständen untersucht. Die Konstitution einer ethnischen Gruppe deutscher Namibier war nicht per se vorgegeben, sondern ist Ergebnis historischer Veränderungen. Die Bedeutung essentieller Kategorien des Selbstverständnisses hat sich im Laufe der Geschichte gewandelt: Geändert hat sich die Inbezugsetzung deutscher Namibier zu Gruppen (zum Beispiel Buren) oder Regionen (etwa zu Namibia, Deutschland oder Südafrika). Diese unterschiedlichen Muster der Zu- und Einordnung werde ich in diachroner Perspektive vor dem Hintergrund struktureller Veränderungen herausarbeiten. Nur durch die Analyse des sozio-politischen Wandels der Lebensumstände und der Deutung dieser Prozesse durch die Betroffenen lassen sich das Selbstverständnis und der Wandel ihrer Standortbestimmung fassen. Geschichtliche Zeugnisse sind aber nicht nur aussagekräftig hinsichtlich des jeweils zugrundeliegenden historischen Geschehens, sondern dienen darüber hinaus zur Erhellung der Verursachung und Prägung auch heute gängiger Muster der Wirklichkeitsdeutung deutscher Namibier. Die Geschichte deutscher Namibier ist auch insofern von Interesse, als sich erhebliche Anleihen für ihr aktuelles Selbstverständnis feststellen lassen. Gerade im kolonialen Kontext geprägte und gängige Vorstellungen, Werte und Ausdrucksformen stellen auch heute in vieler Hinsicht die Grundlage der Lebensdeutung deutscher Namibier dar. Bis hin zu Begriffen lassen sich derartige Bezüge aufweisen. Die vor Ort geführten Interviews und nicht zuletzt die anschließende Bearbeitung des Feldforschungsmaterials zeigten, daß meine Gesprächspartner in ihren Stellungnahmen in auffälliger Weise auf stereotyp wiederholte Redewendungen, Vorstellungskomplexe und Typisierungen historischen Ursprungs rekurrierten. Zum Zeitpunkt der empirischen Untersuchung stand die Unabhängigkeit Namibias unmittelbar bevor. Die Gespräche mit meinen Informanten fanden vor dem Hintergrund internationaler politischer Veränderungen und Verhandlungen statt, die Voraussetzung für den mit der UN-Resolution 435 am 1. April 1989 beginnenden Unabhängigkeitsprozeß waren. Die Beibehaltung der herkömmlichen Verhältnisse wurde für viele deutsche Namibier fraglich. Zeugen auch alle mir zur Verfügung stehenden Quellen von einem ausgeprägten Zugehörigkeitsgefühl deutscher Namibier zu ihrer »Heimat«, so sind die damit verbundenen Ziele für die Zukunft des Landes aber nicht einheitlich. Dies manifestiert sich im aussagekräftigen Gebrauch der Sprache: Ehemals selbstverständlich und eindeutig verwendete Begriffe bergen ein politisches Bekenntnis. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die abhängigen Herren: Deutsche Identität in Namibia, von Brigitta Schmidt-Lauber.

Titel: Die abhängigen Herren
Untertitel: Deutsche Identität in Namibia
Autorin: Brigitta Schmidt-Lauber
Reihe: Interethnische Beziehungen und Kulturwandel, Band 9
Verlag: Lit-Verlag
Münster; Hamburg 1993
ISBN 3894736518 / ISBN 3-89473-651-8
Originalbroschur, 14 x 20 cm, 204 Seiten, 1 Karte

Schmidt-Lauber, Brigitta im Namibiana-Buchangebot

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