Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch, von Pieter van Blättjen

Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch, von Pieter van Blättjen. Leopold Stocker Verlag. Graz, Stuttgart 1959.

Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch, von Pieter van Blättjen. Leopold Stocker Verlag. Graz, Stuttgart 1959.

Die Unmittelbarkeit der Schreibweise Pieter van Blättjens macht das Buch zu einer packenden Lektüre. Die beigegebenen Bilder, die das Wesen des modernen Eingeborenen vor allem durch das Antlitz zu enträtseln versuchen, vertiefen die reichen Erkenntnisse, die der Leser aus diesem Afrikabuch, "Diamanten, Gold und Tränen" gewinnt.

Pieter van Blättjen  

Karge Löhne

Die laue afrikanische Nacht lag noch über den Wolkenkratzern von Johannesburg, als sich lange Fahrzeugkolonnen der Polizei in Richtung der vielen Negersiedlungen in Bewegung setzten. Ich saß im zweiten Wagen. Die hohen Häuser warfen das Licht der Scheinwerfer zurück, Gesichter zuckten auf, aber niemand sprach ein Wort. Gegen fünf Uhr morgens waren die Kanisterburgen erreicht. Fast ohne Befehle lief die Aktion. Die Polizisten schwärmten aus, besetzten die wichtigsten Punkte, brachten leichte Waffen in Stellung und dann wurde an die erste Türe geklopft. Laut und herrisch. Nach einem Befehl aus Pretoria mußten die Slums geräumt werden. Einer öffentlichen Aufforderung, die Elendswohnungen zu räumen, hatten die Neger keine Folge geleistet. An den Feuern der Dörfer, weit rückwärts, im afrikanischen Busch, erzählt man sich Wunderdinge von den großen Städten, in denen man schnell reich werden kann, wo es Dinge zu sehen gibt, um derentwillen sich das Leben in diesen Städten lohnt. Viele Neger kommen allein, mit einem Kontrakt in der Hand. Sie wohnen im Compound, aber nach Ablauf des Vertrages kehren sie nicht mehr in ihre Heimat zurück. Sie tauchen in den Elendsvierteln unter. Ursprünglich waren die Weißen froh, daß die Schwarzen blieben, denn jede einzelne Hand, die arbeiten konnte, war wertvoll. Dann begannen die Verwaltungen den Zuzug zu unterbinden. Heute ist es keinem Schwarzen mehr gestattet, ohne behördliche Genehmigung seinen Wohnsitz in Johannesburg zu nehmen. Aber welcher Neger denkt schon an behördliche Regelungen. Außerdem kann man derartige Aufenthaltsbewilligungen an verschwiegenen Orten kaufen. Natürlich sind sie gefälscht. Oder es gibt den Aasweg über die Anstellung in einem europäischen Haushalt. Hauspersonal ist dringend gesucht, aber in qualitativer Form nur selten erhältlich. Aber die meisten der jungen Neger, die schwarz in die große Stadt kommen, denken an gar kein Arbeitsverhältnis. Sie wollen frei sein und das aufregende Erlebnis genießen. Der gewaltige Zustrom von Negern nach der Stadt brachte die Verwaltung dazu, den Negern Land zur Verfügung zu stellen, wo sie sich selbst ihre Häuser bauen können. Ich selbst habe in Moroka so eine Siedlung erlebt. Es war menschenunwürdig. Für dreihundert Menschen gab es keinen Abort. Ein Fünftel der Schwarzen von Johannesburg lebt in derartigen Slums. Die überwiegende Mehrzahl dieser Leute werden aber offiziell als „schwerarbeitende, respektable Menschen, die man in der Industrie gerne aufnimmt, für die es aber keine Wohnungen gibt", bezeichnet. Für die weißen Südafrikaner, die im allgemeinen immer so fest davon überzeugt sind, auch eine zwanzigfache schwarze Ubermacht regieren zu können, wurden diese dunklen Zusammenballungen an den Kanten von Johannesburg zu einem echten Schrecken. In Regierungskreisen dachte man an Umsiedlung. Selbst in den sonst sehr zahmen Zeitungen stand zu lesen, daß man diese Schwarzen so weit als möglich von den weißen Zentren wegschaffen will. Unser Polizeiaufgebot war eine solche Umsiedlungsaktion. Blaß und erschreckt standen die Neger im Licht der Scheinwerfer und gaben sich ratlos. Vor einer der Hütten stand eine Negerfrau inmitten eines wirren Haufens eilig zusammengeschnürter Habseligkeiten. Daneben ein paar weinende Kinder. Die Blechhütte war seit Jahren ihre Heimat gewesen. Sie stand auf einem kleinen Damm, als Schutz gegen Regenwasser und Unrat, und an Miete kostete sie einen Pappenstiel. Damit war es nun vorbei. Der Polizeikordon hatte die Aufgabe, die Negerfamilien in die zwanzig Kilometer von Johannesburg entfernte Neusiedlung Meadowlands zu bringen. Die Umsiedlung war ein Zug des Elends und echte Tragik wurde unter der schwarzen Haut sichtbar. Keines der Kinder besucht eine Schule. In diesen Familien sind sie alle ohne Ausnahme Analphabeten. Ich sah diese Kolonne nicht so wie die Neger. Bei ihrem Anblick Überfiel mich eine innere Unruhe, Beklommenheit und etwas Angst. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Reisebericht: Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch, von Pieter van Blättjen.

Titel: Diamanten, Gold und Tränen
Untertitel: Ein Afrikabuch
Autor: Pieter van Blättjen
Genre: Studienreise
Verlag: Leopold Stocker Verlag
5. Auflage. Graz, Stuttgart 1959
Original-Leineneinband, Original-Schutzumschlag, 16 x 23 cm, 265 Seiten, zahlreiche sw-Fotos

van Blättjen, Pieter im Namibiana-Buchangebot

Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch

Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch

Diamanten, Gold und Tränen: ein Afrikabuch und Reisebericht von einer in den 1950ern unternommenen Reise vom Norden in den Süden Afrikas.