Der Wahrheit eine Gasse. Gesicherte Ungewissheiten, von Hinrich R. Schneider-Waterberg

Der Wahrheit eine Gasse. Zur Geschichte des Hererokrieges in Deutsch-Südwestafrika 1904 -1907. Teil 1 und 2. Gesicherte Ungewissheiten, von Hinrich R. Schneider-Waterberg. ISBN 9789994585946 / ISBN 978-99945-85-94-6

Der Wahrheit eine Gasse. Zur Geschichte des Hererokrieges in Deutsch-Südwestafrika 1904 -1907. Teil 1 und 2. Gesicherte Ungewissheiten, von Hinrich R. Schneider-Waterberg. ISBN 9789994585946 / ISBN 978-99945-85-94-6

Hinrich R. Schneider-Waterberg: Der Wahrheit eine Gasse. Gesicherte Ungewissheiten über die Gefechte am Waterberg und den Herero-Deutschen Krieg.

Hinrich R. Schneider-Waterberg  

Brigitte Lau hat ihre befreiende Kritik der allzu eurozentrischen Historiker-Versionen des Hererokriegs und der namibischen Kolonialgeschichte treffend ironisch mit „Ungewisse Gewissheiten" überschrieben42 und sie hat nachgewiesen, dass die als grundsätzliche Tatsachen verkündeten angeblich historischen Gewissheiten solche nicht sind, sondern vielfach auf unsicheren Füßen stehen. Nach Berücksichtigung der „öko-physischen" (Lau) Umstände sowie anderer Umweltfaktoren und nach Einsicht in zahllose Berichte, nicht zuletzt das Tagebuch des Generals von Trotha, erscheint heute für eine Geschichte des Feldzugs eher die Überschrift „Gewissheit der Ungewissheiten" angebracht. Denn man weiß heute, dass bleibende Ungewissheiten und Unkenntnis bis hin zu völligen Fehleinschätzungen der Lage auf beiden Seiten die Realität des Hererokriegs ausmachten. Ungelöste historische Fragen und bleibende Ungewissheiten des Feldzugs müssen wir heute als die Geschichtsschreibung belastende Gewissheiten akzeptieren, die sich als bedauerlich manipulierbares Beiwerk zum festen Bestand des übrigen, tatsächlich belegbaren Kriegsablaufe herauskristallisiert haben. Man kann sich die Verständnisprobleme europäischer Historiker mit der namibischen Realität vielleicht an einem Beispiel leichter vorstellen. Hier zu Lande weiß jedes Herero- und Farmerkind, dass ein Rind nur an offenem Wasser saufen bzw. getränkt werden kann. Aus einem mehrere Meter tiefen Wasserloch bzw. Brunnen muss Wasser mühsam in einem Behälter geschöpft werden. Wenn es einen solchen nicht gibt, oder keine Gelegenheit zum Schöpfen, wird das Rind am Wasserloch verdursten oder hineinfallen und umkommen. In der Tat sind, wie Estorff und alte Afrikaner immer wieder kritisierten, tausende Rinder auf diese Art verdurstet, wo es entweder an Zeit oder Tränkeimern fehlte. Der Historiker Zimmerer schreibt jedoch, der Augenzeuge und damalige Major Ludwig von Estorff: „benutzte einen Code, wenn er von verdursteten Rindern sprach. Was er meinte waren sterbende Menschen."43 Verständlicherweise fehlt für diese groteske Behauptung eine Quellenangabe für Estorffs Schriften oder anderswo. Die Kolonialgeschichte scheitert an solcher postmoderner Deutungsakrobatik. An Häme übertrifft Zimmerer seinen geistigen Ziehvater, den Agitprop Drechsler. Die Erklärungsakrobatik mancher Afrikanisten geht sehr oft auf Kosten tatsächlicher Genauigkeit und plausibler namibischer Realitäten. So ist auch die Erklärung für den Abzug der Herero von Waterberg in der Nacht zum 12. August heute ebenso einfach wie sie damals bereits für die rein europäisch orientierte militärisch angespannte Truppe und deren Führung zunächst unverständlich war. Nachdem nämlich am Tag der Schlacht die Abteilungen Deimlings und von Estorffs die flachen offenen Wasserstellen in der Omuverumepforte und die Quellbäche von Waterberg bzw. Otjosongombe angegriffen und erobert hatten, wurden große Staubwolken sichtbar, die fälschlich für von Hereroverbänden stammend gehalten wurden, aber in Wirklichkeit von durstigen Rinderherden stammten. Das Tränken von Vieh aus tieferen Wasserlöchern war zu langwierig und unter Gefechtsbedingungen kaum möglich. Das Vieh musste daher in großer Eile zum Tränken durch die deutschen Linien an das mindestens einen Tagestreck entfernt im Südosten gelegene Vley (Regenteich) Erindi Endeka44 getrieben werden. Dem vorgefassten Entschluss größerer Teile der Herero, das Land in Richtung Südosten nach Betschuanaland zu verlassen, war dieser Umstand außerdem sehr entgegengekommen. Der deutschen Führung hingegen war zu diesem Zeitpunkt diese Wasserstelle nicht bekannt. An diesem Morgen wird sich der General, wie es in der Folge immer wieder vorkommen würde, das erste Mal gefragt haben: „Wo sind die Herero geblieben? " und „Wie kann man Samuel und sein Volk dazu bringen, eine Schlacht anzunehmen, um eine Entscheidung herbeizuführen?" Es war dies ferner auch das letzte Mal, dass die deutsche Führung den Begriff „die Herero" für den Feind oder Gegner mit einiger Berechtigung hätte verwenden können. Sowohl im An- und Aufmarsch wie in ihren Stellungen zwischen Hamakari und dem Waterberg war das „Volk" von vornherein in unterschiedliche Gruppen, Sippen oder „Clans" aufgeteilt gewesen. In ihrer nun stattfindenden Auflösung nach der „Schlacht" teilten sich aber die im Rückzug oder im Exodus befindlichen Gruppierungen und Großfamilien in einem Maße auf, für das nunmehr Vorstellungen oder Verwendung militärischer Sammelbegriffe der Truppe wie „die Herero" hinfällig waren und strategisch wie taktisch in die Irre führten. In den nächsten Wochen sollte diese Auflösung wegen der begrenzten Wasserverhältnisse zu gestaffelten entsprechend kleineren Gruppierungen führen, deren Auffinden zu einem Problem der Truppe wurde, von dem das Oberkommando unter General von Trotha anfangs keine Vorstellung hatte.45 Dessen erfolglose Suche nach geschlossenen „Kampfverbänden der Herero" der nächsten sieben Wochen sollte verschleiernd als die „Verfolgung in die Omaheke" in die Geschichte eingehen. (...)

Fußnoten:
42 Siehe S. 140: Fremde Federn.
43 Melber, H. (Hrsg.): Genozid und Gedenken. Frankfurt, 2005, S. 23.
44 Erindi Endeka (Okondeka) liegt unweit des Omuramba Omatako und war den Deutschen nicht bekannt. Es gab dort kein Gefecht, wie die mündliche Überlieferung der Anlieger es wahr haben will.
 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Der Wahrheit eine Gasse. Kapitel: Der Waterberg und Hamakari, von Hinrich R. Schneider-Waterberg.

Buchtitel: Der Wahrheit eine Gasse
Untertitel: Zur Geschichte des Hererokrieges in Deutsch-Südwestafrika 1904 -1907. Teil 1 und 2
Autor: Hinrich R. Schneider-Waterberg
Wissenschaftliche Gesellschaft Swakopmund
2. Auflage, Swakopmund (Namibia) 2020
ISBN 9789994585946/ ISBN 978-99945-85-94-6
Broschur, 15 x 21 cm, 340 Seiten, zahlreiche sw-Fotos und Karten

Schneider-Waterberg, Hinrich R. im Namibiana-Buchangebot

Der Wahrheit eine Gasse. Zur Geschichte des Hererokrieges in Deutsch-Südwestafrika 1904 -1907. Teil 1 und 2

Der Wahrheit eine Gasse. Zur Geschichte des Hererokrieges in Deutsch-Südwestafrika 1904 -1907. Teil 1 und 2

Die erweiterte Neuauflage der Studie "Der Wahrheit eine Gasse: die Beiträge zur Geschichte des Hererokrieges in Deutsch-Südwestafrika 1904 -1907, Teil 1 und 2", sind mit erstmals mit eigens angefertigten Landkarten versehen.

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik: Aus der Schriftenreihe 'Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte'. Band 4. Wiedergabe der Herero-Klageschrift mit deutscher Übersetzung.

Der Wahrheit eine Gasse. Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904

Der Wahrheit eine Gasse. Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904

Der Wahrheit eine Gasse bietet Neues und Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904-1906.