Der Wahrheit eine Gasse. Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904, von Hinrich R. Schneider-Waterberg

Der Wahrheit eine Gasse. Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904, von Hinrich R. Schneider-Waterberg.

Der Wahrheit eine Gasse. Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904, von Hinrich R. Schneider-Waterberg.

In dieser älteren von zahlreichen Auflagen von Der Wahrheit eine Gasse überraschte Hinrich R. Schneider-Waterberg erstmals mit seinen fundierten Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904-1906.

Hinrich R. Schneider-Waterberg  

Blendwerk der Geschichte:

"Im allgemeinen geben Geschichtsschreiber eher Gedanken der Gruppen wieder, in deren Mitte sie leben und arbeiten, als daß sie diese Gedankenwelt richtigstellten. Dennoch hat kein einziges Volk und erst recht kein einziger europäischer Nationalstaat eine Geschichte, die aus sich selbst erklärt werden könnte." So in etwa leitet Arnold Toynbee seine monumentale Studie zur Weltgeschichte ein. Im Falle Deutschlands treffen diese Beobachtungen anscheinend zu. Ein Beispiel ist die Geschichte der nur 30 Jahre währenden deutschen Kolonialzeit in Namibia, die bereits 1915 zu Ende ging. Sie ist kolonialhistorisch nur ein Episödchen, das 50 Jahre vor der Dekolonisation Afrikas bereits vorüber war. Dennoch vermögen es deutsche Literaten und Historiker offenbar nicht recht, diese namibische Kolonialgeschichte in Beziehung zu der abendländischen Eroberung und Kolonisierung des Erdballs zu setzen, die sich beim Anbruch des 20. Jahrhunderts vollzogen hatte und erst mit der Dekolonisation Afrikas endete. Als zu diesem Zeitpunkt, also ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der deutschen Kolonisierung Namibias, DDR-Historiker diese zu Propagandazwecken neu entdeckten, konnten sie daher der deutschen Öffentlichkeit ein besonderes Schuldgefühl für deutsche koloniale "Untaten" einpflanzen. Vielfach waren diese in Wirklichkeit zwar Folgen der Eroberung und Verwaltung Südafrikas nach 1915, aber so genau wollte es die deutsche Öffentlichkeit nach den Schuldzuweisungen für zwei Weltkriege offenbar nicht mehr wissen. Bereits ab 1966 wurde die deutsche Öffentlichkeit z.B. auch durch die Medien in dieser Haltung bestätigt. Bei der Erstellung einer Fernsehserie soll der Produzent des WDR auf seiner Fahrt durch Afrika geäußert haben, er wolle nicht wissen, was die Deutschen geleistet hätten, er wolle hören, was sie verbrochen haben. Nach wochenlangen unerwartet heftigen Protesten aus der Öffentlichkeit als Folge des Erscheinens dieser Serie, wurden klärende Diskussionen vom WDR einseitig abgesetzt. Seit 40 Jahren sind dementsprechende Hinweise auf eine schuldbeladene Vergangenheit deutscher Siedlung in Namibia ein fester Bestandteil eurozentrisch-deutscher Beiträge zur Landesgeschichte Namibias. Massenmedien und deutsche Prominente festigen dieses Geschichtsbild von Zeit zu Zeit. Richtigstellungen oder sachliche Darstellungen historischer Tatbestände finden wenig Anklang oder werden abgelehnt und auch wohl als von ewig gestrigen Apologeten kommend in eine "rechte" Ecke verbannt oder belächelt und gemieden. Das deutsche Geschichtsbild vom Hererokrieg bleibt daher uneinheitlich und verzerrt. Die Gründe dafür finden sich neben der damaligen DDR-Propaganda bei den sogenannten 68ern. Neben dem kalten Krieg hatten bekanntlich vor allem die Studentenunruhen der späten 60er und frühen 70er Jahre in Deutschland ein Ende der alten Ordnungen auch und besonders im historischen Fachbereich zuwege gebracht. Progressive Historiker der politisierten Generation der 68er schrieben Geschichte mit der Sicht "von unten" und mit herrschaftskritischen Tendenzen, in der sie alle Formen des Widerstands in der Geschichte aufwerteten und westliche Werte und Zivilisation abwerteten. Die Folgen dieser Politisierung oder Ideologisierung blieben für die namibische Kolonialgeschichte nicht aus. Die kaiserliche Truppe in Deutsch-Südwestafrika wurde zum kriminellen Herrschaftsinstrument und der deutsche Kolonialismus ausschließlich zum Unterdrücker. Aus dem Blickwinkel der fortschrittlichen Neuhistoriker hieß Landnahme jetzt Diebstahl; Pioniere wurden zu "Siedlern" umbenannt, was als herabsetzend galt; und Entwicklung war jetzt Ausbeutung. Im Hinblick auf Namibia kriminalisierte man die deutsche Kolonialzeit mittels einer Art Polizeiaktenhistoriographie. Allem voran erschien nun die seit zwei Generationen als "Schlacht am Waterberg" und von den Herero als "Gefechte von Hamakari" respektierte schicksalhafte Kampfhandlung als Teil eines geplanten Genozids an den Herero. Zugleich mit dieser Erkenntnis entdeckte der Agitprop-Historiker Horst Drechsler 1966 eine obskure und wirkungslose Maßnahme des Generals von Trotha als "nützliche" Vergangenheit und ließ sie als monströse Vernichtungsproklamation und Beweis seiner Genozidfantasie neu aufleben. Damit wurden totalitäre Herrschaftspraktiken der Jahrhundertwende mit dem Staatsverbrechen des Völkermords und dessen - ein halbes Jahrhundert später erfolgten - Kodifizierung zu einem ungleichen Paar zusammengespannt. Heute findet sich der Völkermordbegriff wegen seiner inflationären Verwendung mit verschwimmenden Konturen in so unsäglichen akademischen Untersuchungen wie "vergleichende Genozidforschung" wieder. Es war unverkennbar, daß ein wahrer Paradigmenwechsel stattgefunden hatte: - fast unbemerkt hatten Teile des sogenannten progressiven akademischen Establishments die Geschichte der deutschen Kolonialzeit Namibias in wenigen Jahren gänzlich umgeschrieben. (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Der Wahrheit eine Gasse. Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904, von Hinrich R. Schneider-Waterberg.

Buchtitel: Der Wahrheit eine Gasse
Untertitel: Anmerkungen zum Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1904
Autor: Hinrich R. Schneider-Waterberg
Nachrichten der Gesellschaft für Wissenschaftliche Entwicklung
5. Auflage. Swakopmund, Namibia 2008
ISBN 9991668438 Namibia
ISBN 978-3-936858-88-4 Deutschland
Originalbroschur, 15x21 cm, 168 Seiten, einige sw-Fotos

Schneider-Waterberg, Hinrich R. im Namibiana-Buchangebot

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