Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika, von Otto F. Raum

Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika, von Otto F. Raum.

Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika, von Otto F. Raum.

Die Blütezeit des völkerkundlichen Beitrages der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika war das Jahrzehnt 1895 bis 1905. Der Anthropologe Otto F. Raum (1903-2002) beschreibt in dieser Studie die Leistungen, die auf diesem Gebiet erbracht wurden.

Otto F. Raum  

[...] Das Offizierkorps der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika war nicht verantwortlich für die Kolonialpolitik. Es war kein gesetzgebendes Organ, sondern gehörte zur Exekutive. Es vertrat weder die Interessen der Siedler noch die der Missionare, oder nur insofern, als es durch Erhaltung des Landfriedens deren Arbeit ermöglichte. Doch hatten die Schutztruppenoffiziere nicht nur militärische Aufgaben zu erfüllen. Ihnen oblagen, wie wir wissen, vor allem in den ersten Jahrzehnten der Kolonialzeit auch Aufgaben der Verwaltung. Sie hatten drittens die Aufgabe, die geschichtlichen Vorgänge in den ihnen gegenüber stehenden bezw. ihnen überantworteten Völkern zu erkennen, die in ihnen wirkenden gesellschaftlichen Kräfte zu beurteilen, um sie in der kolonialen Konstellation erfolgreich zu behandeln. Wie angedeutet, konnte ihnen die damalige Völkerkunde dazu keine Anleitung geben. In ihrer Ausbildung hatten sie gelernt, sich mit der Mentalität potentieller europäischer Gegner oder Verbündeter zu beschäftigen. Für das Studium der Kultur, des Geistes exotischer Völker hatte man sie nicht vorbereitet. Sie waren allein auf ihr Berufsethos gestellt. (Allerdings gibt Wißmann 1895 schon „Ratschläge für den Aufenthalt und den Dienst in den deutschen Schutzgebieten"). Die deutsche (und internationale) Völkerkunde wurde um die Jahrhundertwende von drei Richtungen bestimmt: Evolutionismus: Seine Hauptthese war: Die Menschheit steigt kulturmäßig ständig höher. „Sie geht vom Einfachen zum Komplizierten, vom Homogenen zum Heterogenen über' (Herbert Spencer). Nach dem Amerikaner Lewis Morgan erfolgte dieser Aufstieg in drei Stufen, jede mit Unterstufen, nämlich Wilde (Savages, Primitives), vor allem Sammler und Jäger, deren höchste Erfindung Pfeil und Bogen darstellen; die zweite Stufe ist die der Barbaren: sie beginnt mit der Erfindung der Töpferei; ihre höchste Erfindung ist die von Eisenwerkzeugen. Die dritthöchste Stufe ist die Zivilisation: sie beginnt mit der Erfindung der Schrift und endet mit der modernen Technik. Diese Entwicklung auf materieller Ebene wird von solcher in der Gesellschaft begleitet: auf Promiskuität folgt das Matriarchat, auf dieses als Höhepunkt das Patriarchat. Drei Fehlschlüsse kennzeichnen den Evolutionismus: Die Evolution erfolge auf der ganzen Erde einlinig; existierende Rassen repräsentierten die Stufen der Evolution, also die Buschmänner die Wilden, die Berber die Barbaren, die Weißen die Zivilisation. Schließlich, die Verhaltensweisen der Wilden seien unentwickelt, kindlich; eigentlich seien sie „kulturlos". Die zweite Richtung der Völkerkunde um die Jahrhundertwende wird als Psychologismus gekennzeichnet. Die Psychologie jener Zeit verwarf die geisteswissenschaftliche Psychologie der Romantik (die sog. Naturphilosophie), die sich mit dem Unbewußten, dem Schöpferischen beschäftigt hatte. Sie wandte sich der naturwissenschaftlichen Physiologie und ihrer Methode, dem Experiment, zu. Repräsentativ für diese Richtung war Wilhelm Mundt, dessen 10-bändige „Völkerpsychologie" zwar die Inhalte von Mythen, Religion, Kunst, Musik vieler Völker wiedergab, aber den schöpferischen Hintergrund ihrer Vielfalt nicht deuten konnte. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika, von Otto F. Raum.

Titel: Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika
Autor: Otto F. Raum
Reihe: Beiträge zur deutschen Kolonialgeschichte, Band 5
Herausgeber: Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen
Berlin, 1988
Broschur, 15x21 cm, 61 Seiten, 1 sw-Foto

Raum, Otto F. im Namibiana-Buchangebot

Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika

Der Beitrag der Schutztruppenoffiziere zur Völkerkunde von Deutsch-Ostafrika

Etliche der in Deutsch-Ostafrika stationierten Schutztruppenoffiziere haben ihre Beobachtungen als Beitrag zur damaligen Völkerkunde dokumentiert.

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