Auf Afrikas Spuren in Berlin: Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten, von Ulrich van der Heyden

Auf Afrikas Spuren in Berlin: Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten, von Ulrich van der Heyden. Tenea Verlag: Berlin, 2008. ISBN 9783865041388 / ISBN 978-3-86504-138-8

Auf Afrikas Spuren in Berlin: Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten, von Ulrich van der Heyden. Tenea Verlag: Berlin, 2008. ISBN 9783865041388 / ISBN 978-3-86504-138-8

Die seinerzeitige Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration war zeitweilig infolge des Hauptstadtumzugs im Frühjahr 2003 mit ihrer Behörde in Berlins Mitte, in die »Mohrenstraße«, gezogen. Über diese und andere koloniale "Erblasten", berichtet Ulrich van der Heyden.

Ulrich van der Heyden  

Die »Mohrenstraße« und andere koloniale Bezeichnungen

Die »Mohrenstraße« verläuft von der Wilhelm- über die Friedrichstraße bis zum Hausvogteiplatz und zur Jerusalemer Straße. Entspricht es der political correctness, wenn ein solches Regierungsamt in eine Straße dieses Namens zieht, fragten sich nicht nur einige Beamte der Bundesbehörde, sondern sicherlich auch Bürger und Besucher der Stadt wohl nicht zu Unrecht. Sollte, so einige kritische Stimmen, die Straße nicht besser umbenannt werden? Im Osten Berlins sind doch nach der Wende so viele Straßen aus verständlichen Gründen, aber auch unsinniger Weise umbenannt worden, daß - so könnte man denken - es doch auf eine Straßenumbenennung mehr oder weniger nicht ankäme. In der Tat ist dann auch in der zuständigen Bezirksverordnetenversammlung so ein Antrag gestellt worden, was bundesweit von der »Berliner Zeitung« bis zur »Süddeutschen Zeitung« Kommentare und nicht zuletzt Spott hervorgerufen hat. Ausgerechnet an diesem Beispiel, so fragen sich viele Bürger der Stadt und mischten sich in die Diskussion ein, soll die Entsorgung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands demonstriert werden? In der Tat ist eine solche Initiative mehr als fraglich, denn die Straßenbezeichnung war zur Zeit ihrer Entstehung überhaupt nicht rassistisch oder kolonialistisch konnotiert gewesen, allenfalls exotisch. Die Straßenumbenennungen im Osten Berlins waren nach der Wende politisch motiviert und betrafen ausschließlich solche Namen, die in den 40 Jahren DDR verliehen worden sind. Oft waren diese Bezeichnungen von der Berliner Bevölkerung nicht angenommen worden. Der Name »Mohrenstraße« hingegen hat sich im Gedächtnis der Berliner so eingeprägt, daß wohl kaum jemand ernsthaft den Ursprung der Straßenbezeichnung hinterfragt. Nur die wenigsten werden dahinter einen rassistischen Hintergrund vermuten, denn der antiquierte Ausdruck »Mohr« wird wohl kaum noch als rassistisches Schimpfwort benutzt. Das war in der Vergangenheit, vor allem in der Zeit, als Deutschland zur Kolonialmacht strebte, jedoch nicht immer so. Dennoch erscheint es nicht sinnvoll, einen solchen Straßennamen, den es etwa auch in der französischen Hauptstadt gibt, zu beseitigen. Denn nicht zuletzt existieren ebenso in anderen deutschen Städten nicht wenige geographische Benennungen, die einen eindeutigen militaristischen, rassistischen oder kolonialen Hintergrund vermuten lassen. Man muß sich mit ihnen kritisch auseinandersetzen, um den Kolonialismus und seine bis heute andauernden Folgen zu begreifen, nicht zuletzt in Bezug auf die Geschichte der ausländischen Diaspora in Deutschland. So gibt es für einige deutsche Städte schon entsprechende Publikationen, die sich auch mit der Vergangenheit von Afrikanern in diesen Regionen beschäftigen. So liegen für Berlin, Hamburg, Bremen, Nürnberg, München oder Osnabrück Publikationen vor, die sich mit den dortigen Zeugnissen der kolonialen Vergangenheit und der afrikanischen Diaspora auseinandersetzen. Jedoch nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland hat man begonnen, sich kritisch mit der eigenen kolonialen Vergangenheit zu befassen, sondern selbst in Österreich mit seiner Hauptstadt Wien oder in den europäischen Metropolen London, Paris, Rom und Madrid gibt es entsprechende Initiativen. »Mohr« wird hingegen, dies sollte nicht verschwiegen werden, rassistisch-abwertend von einem Teil der Berlinerinnen und Berliner und ihrer Besucher, aber auch von einigen Wissenschaftlern zur Kenntnis genommen. Für andere, wie Stichproben eindeutig zeigen, ist das tatsächlich ein antiquierter, heute nicht mehr geläufiger Begriff. Auch eine Umfrage bei in der deutschen Hauptstadt ansässigen Botschaften afrikanischer Länder hat ergeben, daß »Mohr« oder »Mohrenstraße« für die befragten Afrikaner nichts Anstößiges hat. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Auf Afrikas Spuren in Berlin: Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten, von Ulrich van der Heyden.

Titel: Auf Afrikas Spuren in Berlin
Untertitel: Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten
Autor: Ulrich van der Heyden
Tenea Verlag
Berlin, 2008
ISBN 9783865041388 / ISBN 978-3-86504-138-8
Broschur, 15x21 cm, 162 Seiten, zahlreiche sw-Abbildungen

van der Heyden, Ulrich im Namibiana-Buchangebot

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