Agarob der Buschmann, von Jan van der Post

Agarob der Buschmann, von Jan van der Post. K. Thienemann Verlag. 2. Auflage, Stuttgart 1968.

Agarob der Buschmann, von Jan van der Post. K. Thienemann Verlag. 2. Auflage, Stuttgart 1968.

Jan van der Post (1927-1971) wuchs am Kalaharirand Südwestafrikas auf und war dort lange Zeit Viehjunge. Agarob der Buschmann ist eines seiner insgesamt dreizehn Bücher, die er über seine Freunde und Spielkameraden dort geschrieben hat.

Jan Jakobus van der Post  

Ein Jäger bekommt seinen Namen

Es war noch früh, als die großen Jäger ihn aufweckten und ihm sagten, dies sei der Tag, an dem er seinen Namen suchen müßte. Ghuru - der den Namen des blauen Gnus trug - reichte ihm seinen Bogen, und jeder der großen Jäger gab ihm einen Pfeil. Als die Sonne schon hoch am Himmel stand, traf er auf die Spur. Es mußte ein sehr großes Eland sein; die frischen Spuren standen tief eingedrückt im roten Sand. Es war merkwürdig, die Spuren liefen mit dem Wind; er hatte gelernt, daß ein Eland immer gegen den Wind zog. Aber man kann ja nicht immer wissen, was so im Kopf der Tiere umgeht. In der Hoffnung, dieses merkwürdige Eland werde nicht zu sehr in den Wind wittern, begann er der Spur zu folgen. Nur sein Kopf ragte über das Gras heraus. Das Eland hatte seinen ersten Fehler gemacht: an verschiedenen Stellen hatte es zu lange gestanden, um auszuruhen. Und was noch viel eigenartiger war: es hatte nur Gras gefressen und nicht hier und da an den Büschen geäst. Dann fand er die Losung. In den zehn Regenzeiten, die seit seiner Geburt vergangen waren, hatte er die Losungen der verschiedensten Tierarten kennengelernt, aber diese Losung war anders als alle, die er vorher gesehen hatte. Es waren nicht einzelne Klumpen wie Wildlosung, sondern ein Häufchen. Zuerst versetzte ihn dies in Erstaunen, aber dann fiel ihm ein, daß im Veld einmal etwas verkehrt gewesen war und alle Tiere solche Losung hinterlassen hatten. Als er weiterzog, sah er, daß die Spuren sehr frisch wurden, und kurz danach sicherte er vorsichtig hinter den Dreidornbüschen hervor, bevor er weiterkroch. Und da erblickte er es! Aber was war denn das für ein eigenartiges Eland? Es sah ja rot aus! Einen langen Schwanz hatte es auch, den es hier und da über seinen Leib fahren ließ, um die Fliegen wegzujagen. Und das Merkwürdigste war noch, daß seine Hörner nicht nach der Sonne zu zeigten, sondern vom Kopf weggebogen waren. Sie waren auch nicht gedreht wie Elandhömer, das ganze Horn verlief in einem Schwung. Mit solchem Gehörn würde es sich schwerlich verteidigen können, wenn die Fleischfresser sein Blut suchten! Während der kleine Buschmann sich vorsichtig auf dem Bauch vorarbeitete, um unter den Wind zu kommen, bevor er näher herankroch, gingen viele Dinge durch seinen Kopf. Hatte er nicht erzählen hören, daß, wer ein merkwürdiges Tier erlegt, zu den größten Jägern gerechnet würde? Hatten die alten Männer nicht gesagt, daß, wer so ein Tier schieße, viele Kinder haben und sehr lange leben würde? Hatte er nicht gehört, daß, wer so einen Wildbock schieße, eines Tages in die Berge eingehen würde, die dem großen Gelbauge heilig waren, das nachts am Himmel stand, damit er dort ein schönes Bild von dieser großen Jagd in die Felsen ritze? Als er unter dem Wind war, begann er das Tier zu beschleichen. Vorsichtig und geräuschlos wie eine Schlange kroch der kleine Jäger näher. Nicht ein Grashalm rührte sich, und dies seltsame Eland konnte auch nichts hören. Es stand stockstill, käute wieder und verjagte die Fliegen mit seinem langen Schwanz. Nicht ein einziges Mal hob es den Kopf, um in den Wind zu sichern. Nein, dies Eland hatte er gut beschlichen. Als er so dicht herangekommen war, daß er das Auge des Tieres erkennen konnte, gewahrte das Eland ihn immer noch nicht. Vorsichtig spannte er den Bogen; der Pfeil eines der großen Jäger lag so ruhig gegen die Sehne wie ein Tiger, der sich zum Sprunge bereitmacht. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Agarob der Buschmann, von Jan van der Post.

Titel: Agarob der Buschmann
Autor: Jan van der Post
Verlag: K. Thienemann Verlag
2. Auflage, Stuttgart 1968
Original-Kartoneinband, Originalschutzumschlag, 13x20 cm, 200 Seiten, zahlreiche Federzeichnungen

van der Post, Jan im Namibiana-Buchangebot

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