Afrika betet anders. Weshalb unsere bisherige Afrikapolitik erfolglos bleiben muß, von Hermann G. Schütte et. al.

Afrika betet anders. Weshalb unsere bisherige Afrikapolitik erfolglos bleiben muß, von Hermann G. Schütte et. al.

Afrika betet anders. Weshalb unsere bisherige Afrikapolitik erfolglos bleiben muß, von Hermann G. Schütte et. al.

Afrika betet anders ist als Veröffentlichung des HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung-Hamburg erschienen und beschreibt, weshalb die bisherige Afrikapolitik erfolglos bleiben muß.

Hermann G. Schütte  Siegfried Stampa  Heinz-Dietrich Ortlieb  

Kapitel 3 - Magische Bedrohung: Man kann viele Jahre in Afrika leben, ohne zu bemerken, worin die eigentlichen Unterschiede zwischen Afrikanern und Europäern bestehen. Liest man jedoch Berichte wie die von Laubscher, Bloomhill oder Scobie, so kann der Eindruck entstehen, daß man in einer Welt geheimen Zaubers lebt, der uns fremd erscheint. Doch spielt Magie auch bei Europäern noch eine Rolle. Soweit die Geschichten, die dort erzählt werden, sich unter Europäern abspielten, geben sie wenig Auskunft darüber, welche Rolle der Magie bei den Afrikanern zukommt. Doch hierüber wissen wir etwas aus anderen Quellen, von denen noch die Rede sein wird. Die Fähigkeit, magische Wirkungen hervorzurufen, ebenso wie auch die Anfälligkeit dafür, magischen Wirkungen zu unterliegen, sind also weder an die Hautfarbe des Afrikaners noch an die des Europäers gebunden. Dennoch spielt die Magie beim Europäer und beim Afrikaner ganz verschiedene Rollen. In der Auffassung des Europäers genießt sie, von Ausnahmen abgesehen, keinen rechten Wirklichkeitswert. Ein Bericht über eine magische Wirkung mag aus noch so angesehener Quelle stammen, die erste Reaktion eines typischen Europäers auf den Empfang der Nachricht pflegt die des Zweifels zu sein. Ist der sonst so zuverlässige Berichterstatter da nicht doch an der Nase herumgeführt worden?

Anders offenbar ein typischer Afrikaner. Jedoch erfährt ein Europäer über die Reaktionen der Afrikaner nur selten etwas. Es bedarf dazu eines ganz besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesprächspartnern, und solch ein Vertrauensverhältnis ist zwischen Europäern und Afrikanern selten vorhanden. Meistens weiß oder vermutet der Afrikaner, daß der Europäer an magische Wirkungen nicht glaubt. Er schämt sich dann zuzugeben, daß er selbst davon überzeugt ist. Eine der seltenen europäischen Persönlichkeiten, denen es gelungen ist, das zur Erörterung solcher Fragen nötige ganz besondere Vertrauensverhältnis herzustellen, ist der Ethnologe Paul-Lenert Breutz . Er berichtet wie folgt:

"Religiös-geistig gehobenere Individuen - meist ältere Leute - meditieren viel über die nahe Zukunft als religiöse Pflicht; sie beachten auch aufmerksam die Träume, die eine Warnung für Gefahren andeuten könnten, denn sie werden als von den Ahnen kommend aufgefaßt. Wer sich nach solchen Warnungen nicht richtet, wird nicht nur den Gefahren zum Opfer fallen, sondern auch sein Totengeist läuft Gefahr zu sterben und in das Reich der Vergessenen einzugehen. Obwohl über 70 % der Tswana nominell Christen sind, hat sich nicht nur der Ahnen- und Seelenglaube vorwiegend erhalten, sondern auch der Zauberglaube und magisch-menschliche Beziehungen... Die Magie und das Hexenwesen spielen noch eine große Rolle, wenn auch laut Regierungsverbot keine Hexenprozesse im Häuptlingsgericht angenommen werden dürfen.

Mit diesen Dingen befassen sich dafür umso mehr die Zauberer (ngaka). Die diesbezüglichen Anschauungen sind nicht nur bei vielen Städtern lebendig, sondern selbst bei Akademikern reiferen Alters. Es ist auch auffallend, wenn man mit alten gebildeten Tswana spricht und man deren Vertrauen genießt, daß sie begeistert davon sprechen, wie ihre Vorväter noch wirklich Regen machen konnten und welche Wirkung Magie und Zauberei wirklich gehabt hätten. Vielleicht wird die Parapsychologie eines Tages entdecken, daß sie nicht nur Unrecht hatten. Selbst voll als Ärzte ausgebildete Afrikaner teilen den Glauben an magische "Medizinen". Greta Bloomhill berichtet:

"Ein Arzt hatte an der Universität Edinburgh studiert und sich dort mit zwei afrikanischen Studenten von der Sklavenküste angefreundet. Sie waren anscheinend intelligente Leute und hatten nach gewöhnlicher Studienzeit ihr Endexamen bestanden. - Nachdem der Arzt, der diese Geschichte berichtete, selbst zuende studiert hatte, erhielt er eine Stellung in Lagos, der Hauptstadt von Nigeria. Dort wurde er einmal zu einem Ju-Ju-Fest eingeladen und sah dem Strom erregter, schreiender Eingeborener zu, die sich zu der Zeremonie versammelten. Zu seinem Erstaunen kamen zwei der führenden Zauberdoktoren auf ihn zu.

'Erkennst du uns nicht?' fragten sie. Es waren seine früheren Studienfreunde, die ihren europäischen Anzug zuhause gelassen hatten und mit dem Zubehör der Wilden erschienen waren. Sie hatten offenbar auch manches von dem verworfen, was sie an der Universität gelernt hatten; denn als der Arzt sie fragte, versicherten sie mit größtem Ernst, daß sie an dem Fest nicht, lediglich teilnähmen, um sich zu amüsieren, sondern daß sie zutiefst an dessen magische Wirkung glaubten."

Ein anderer Europäer, Alastair Scobie, der sich um ein Wissen von den magischen Anschauungen der Afrikaner bemühte, hat sich aus angeblich sicherer Quelle folgendes berichten lassen: "Ein Arzt in Uganda sagte, er könne die Leute am Ort nicht dazu bringen, Blut für seine Blutbank zu spenden, nicht nur, weil sie glaubten, das Blut sei für Zauberei bestimmt, sondern auch, weil sie dächten, die weißen Ärzte tränken es in der Heimlichkeit des 'Raumes, der so kalt ist wie der Gipfel des Mount Elgon' (der Kühlraum also). Der Arzt bat schließlich seinen außerordentlich befähigten Afrikaner-Pathologen um Rat, wie die Schwierigkeit zu überkommen sei. Der Afrikaner dachte nach und sagte dann:

'Wir haben es mit sehr primitiven Menschen zu tun. Ich weiß nur einen Weg, das Blut zu bekommen. Schalten Sie die Zauberdoktoren ein. Geben Sie denen etwas Geld, daß sie den Leuten sagen, sie sollten Blut spenden, und die Leute werden nichts mehr dagegen haben.' - 'Ich mag das nicht', sagte der weiße Arzt, 'aber wenn das der einzige Weg ist, werde ich ihn gehen.' - Der Afrikaner nickte. 'Ja, und wenn ich einen persönlichen Rat geben darf: Also, wenn Sie das Blut trinken, tun Sie es nachts, wenn keine Reinmacher oder andere gewöhnliche Leute in diesem Teil des Gebäudes sind!'"

Es dürfte danach verständlich sein, daß viele Afrikaner ständig in Sorge leben, sie könnten magisch bedroht werden. Diese Vermutung wurde von einem gebildeten Afrikaner bestätigt, nämlich von Mr. B. J. Mtnyanda, einem Beamten der Personalabteilung einer Fabrik in Port Elisabeth. Er sagte gelegentlich einer Mittagspausen-Veranstaltung des Institute of Race Relations, daß "mehr als neun unter zehn Afrikanern einschließlich derjenigen christlichen Glaubens - wähnen, sie könnten jederzeit behext werden." Das gilt anscheinend nicht nur für Fabrikarbeiter, sondern selbst für die politische Prominenz der Afrikaner.

Jedenfalls wurde berichtet, daß Präsident Houphouet-Boigny während einer Sitzung der Nationalversammlung der Elfenbeinküste gesagt habe: "Wenn wir die Taschen aller Afrikaner, die hier versammelt sind, nicht nach Waffen, wohl aber nach Fetischen durchsuchen ließen, so würden wir, meine Brüder, bei 94 % von ihnen einen Fetisch finden." Mit "Fetisch" ist zweifellos dasselbe gemeint, was sonst auch mit dem afrikanischen Wort "muti" oder mit dem in Anführungsstriche gesetzten Wort "Medizin" bezeichnet wird. Es handelt sich um einen Gegenstand, dem die Fähigkeit zugeschrieben wird, Schutz gegen magische Bedrohung zu gewähren. (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Afrika betet anders. Weshalb unsere bisherige Afrikapolitik erfolglos bleiben muß, von Hermann G. Schütte et. al.

Buchtitel: Afrika betet anders
Untertitel: Weshalb unsere bisherige Afrikapolitik erfolglos bleiben muß
Reihe: Veröffentlichungen des HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung-Hamburg
Autoren: Hermann G. Schütte; Siegfried Stampa; Heinz-Dietrich Ortlieb
Verlag Weltarchiv GmbH
2. erweiterte Auflage, Hamburg, 1979
ISBN 3-87895-180-9
Originalbroschur, 16x24 cm, 217 Seiten

Schütte, Hermann G. und Stampa, Siegfried und Ortlieb, Heinz-Dietrich im Namibiana-Buchangebot

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