Schimpferei auf die Deutschen (2). Ida Leinhos, genannt Kaera

Schimpferei auf die Deutschen (2). Ida Leinhos, genannt Kaera.

Schimpferei auf die Deutschen (2). Ida Leinhos, genannt Kaera. Straße in Okahandja, 1903. Hier lebte Kaera zeitweilig. Quelle anonym. Aus: Südwestafrika. Blätter aus dem Tagebuch einer deutschen Frau, 1902 1904. Leipzig, 1905.

Dieser Beitrag von Dag Henrichsen wurde 2004 im Afrikanischen Heimatkalender veröffentlicht: Schimpferei auf die Deutschen. Erfahrungen von Kaera Ida Getzen-Leinhos während des Kolonialkrieges in Namibia, 1904-1908.

Dag Henrichsen

Ida Leinhos wird 1864 geboren. Ihre Mutter, Betji genannt, war eine Verwandte des um 1851 in der Nähe von Okahandja verstorbenen Herero Omuhona („Häuptling") Kahitjene. Ihr Vater war der seit den 1850er Jahren in Zentralund Nordnamibia jagende Anglo-Kanadier Frederik Green. Die Beziehung zwischen Betji Kahitjene und Frederik Green ist nicht näher einzuschätzen, muss jedoch im Kontext vielfältiger, kurzlebiger oder dauerhafter, recht selbstverständlicher Beziehungen zwischen lokalen Frauen und der ersten Generation europäischer Männer in Zentralnamibia interpretiert werden. (5) Das Mädchen wird in Anspielung auf seine helle Hautfarbe von ihrer Herero Verwandtschaft Kaera genannt. Ihre Mutter stirbt drei Jahre nach ihrer Geburt, ulschaft, auf den Namen Ada Maria getauft; sie selbst nennt sich später zumeist Ida. Kaera erhält u.a. in Kapstadt eine Schulausbildung und dies mit der Zustimmung von Omuhona Maharero von Okahandja, einem weiteren Verwandten. 1881 heiratet sie in der Missionskirche von Omaruru den aus Kapstadt stammenden Frekkie Getzen. Das Ehepaar lebt in einer heterogenen Gesellschaft, die neben Kaeras Herero Verwandtschaft aus Englisch, Kapholländisch und Schwedisch sprechenden Händlern und Großwildjägern sowie deutschsprachigen Missionarsfamilien besteht. Diese Sozialisation prägt ihr späteres Auftreten gegenüber der Kolonialverwaltung. Grabstelle von Kaera (Ida Getzen 1864 24.5.1926) und ihrem ersten Mann G. F. Getzen (gest. 30.12.1900) auf dem ehemals "weißen" Friedhof in Tsumeb. Der Grabstein wurde von der Tochter Magdalena Getzen errichtet. In den folgenden Jahren bringt sie zahlreiche Kinder zur Welt, von denen nur wenige überleben. Einige von ihnen gehend sie wird von einer Verwandten, Kaipukire Kahitjene, aufgezogen, jener Frau, die Kaera später als ihre Mutter bezeichnet. Ihr Vater, der bei Herero als Kerina bekannt ist, heiratet 1865 Kate Stewardson aus einer Kapfamilie und hat mit ihr weitere Kinder. Kaera wird in Otjimbingue, einer Station der Rheinischen Missionsgeseln, wie zuvor ihre Mutter, in Kapstadt zur Schule. Kaera ist zeitweilig als Dolmetscherin und Köchin für einen britischen Minendirektor in Otavi tätig. Als sie im Dezember 1899 als eine der ersten Frauen in der Kolonie überhaupt eine Scheidungsklage gegen ihren Mann einreicht, führt sie als Begründung die wiederholte Untreue ihres Mannes mit Afrikanerinnen an, seine Misshandlungen ihr gegenüber sowie seine mangelnde Unterstützung für die gemeinsamen Kinder. Ehe das Bezirksgericht von Swakopmund ein Urteil fällen kann, stirbt Getzen im Dezember 1900 in Tsumeb und hinterlässt ausschließlich Schulden. Seit 1902 lebt Kaera zusammen mit ihrer Tochter Susanna und deren zukünftigem Ehemann, dem aus Rügen stammenden Maurer Karl Besser, auf der Farm Okatjiho in der Nähe von Okahandja. Wie Kaera später in einem ihrer wenigen überlieferten Briefe an die Verwaltung angibt, beabsichtigt sie, die Farm von Omuhona Samuel Maharero, dem Sohn von Maharero, zu erwerben. Ein dazu aufgestellter Kaufvertrag, der vom Distriktsamt zu genehmigen war, kann im Oktober 1903 allerdings nicht anerkannt werden, da die Umgebung der Farm noch nicht vermessen ist. Der ausbrechende Krieg verhindert die weitere Bearbeitung ihres Kaufgesuches. Die Kaufabsicht von Kaera ist bemerkenswert. Sie tritt sowohl gegenüber dem Omuhona als auch den Kolonialbehörden als Frau mit eigenen wirtschaftlichen Interessen auf. Sie scheint die erste Person aus einer Hererofamilie zu sein, welche sich um individuellen Landbesitz bemüht. Dies betrifft nicht nur die Farm Okatjiho, sondern auch Weideland im nördlichen Grootfonteindistrikt, das auf einer von der Verwaltung anerkannten Schenkungsurkunde von Maharero basiert. Aus diesem Besitz bezieht sie von einem burischen Farmer eine Pacht. Ihr Leben unterscheidet sich am Vorabend des Krieges maßgeblich von dem Leben ihrer Hereroverwandtschaft, wie auch von dem Leben der Siedlerfrauen, die nicht über eigenen Landbesitz verfügen. Bei Herero gab es keinen individuellen Landbesitz; Familien handelten untereinander im Hinblick auf Weide und Wasser für ihre Viehherden Nutzungsrechte aus, während die Ovahona die Rolle symbolischer Repräsentanten eines „ehi rovaherero" (Land der Herero) verkörperten. (6) Wohl begannen einige Ovahona am Ende des 19. Jahrhunderts, Land an Europäer zu veräußern. Um diesen Prozess zu kontrollieren, hatte die Kolonialverwaltung sich eine Verkaufsgenehmigung zugebilligt. (7) Landverkauf von Herero an Personen mit Hereroverwandtschaft ist für diesen Zeitraum nicht bekannt. Ebenfalls nicht bekannt sind Frauen, die vor Gericht gegen häusliche Gewalt ihrer Ehemänner klagten.

Kasper Leinhos

Kasper Leinhos trifft 1893 als Soldat in der Kolonie ein und nimmt an den sogenannten Naukluft Kämpfen gegen die Witbooi teil. Mit der Ausmusterung wird er, wie viele andere junge Männer, Wanderhändler und geht 1901 mit Hans Warncke eine Geschäftspartnerschaft ein. Von Omuhona Kambazembi erhalten sie die Genehmigung, sich an dem Ort Hamakari in der Nähe des Waterberges niederzulassen, just dort, wo sich im August 1904 deutsche und Herero Soldaten gegenüberstehen. Eine anonyme Reisende beschreibt Hamakari im August 1903 als einen Ort, wo die Händler „ein wahrhaft afrikanisches Idyll mit mehreren schwarzen Frauen [führen]". Leinhos lebt am Vorabend des Krieges in Beziehungen zu afrikanischen Frauen, wie sie längst typisch für die Kolonie sind. Wie der Ansiedlungskommissar Paul Rohrbach in einem Brief vom 10. Januar 1904 aus der Gegend vom Waterberg und mit Bezug auf einen anderen Händler bemerkt: „Wie alle unverheirateten Ansiedler hat ... [X] sein Hereroweib als Tischund Bettgenossin. Das ist hier so selbstverständlich wie Essen und Trinken; die weissen Wanderhändler machen es ebenso, die Soldaten auf den grossen und kleinen Stationen nicht minder. Fragt man sie, weshalb sie kein Mädchen aus Deutschland heiraten, so gibt es immer dieselben stereotypen Antworten: Ich kenne keine zu Hause, ich habe kein Geld, um nach Hause zu fahren und Ausschau zu halten, ich habe noch nicht genug für eine weisse Frau und dgl. Hier liegt die Wurzel tiefer Schäden für die Zukunft.... [Es] entsteht ein Geschlecht von Bastardkindern aller denkbaren Schattierungen,... ,,.(8) Seine Aussagen nehmen Gedanken vorweg, welche ab 1905 zum Verbot von sogenannten Mischehen führen. Mit dem Tod von Kambazembi im August 1903 schlittert das Handelsunternehmen Leinhos & Warncke in eine Krise. Sie verzeichnen bei dem Omuhona hohe Außenstände, können die Schulden jedoch nicht einziehen wegen der sich hinziehenden Trauerfeierlichkeiten. Die Großisten in Karibib sperren ihnen im Oktober den Kredit. Leinhos wird Ende 1903 als Reservist der Truppe eingezogen und trifft Anfang Januar 1904 in Okahandja ein, wo er den Ausbruch des Krieges miterlebt. [wird fortgesetzt]

Dieser Beitrag von Dag Henrichsen 2004 wurde im Afrikanischen Heimatkalender veröffentlicht: Schimpferei auf die Deutschen. Erfahrungen von Kaera Ida Getzen-Leinhos während des Kolonialkrieges in Namibia, 1904-1908.