Carl Schlettwein (1866-1940), von Fritz Gaerdes

Carl Schlettwein (1866-1940)

Carl Schlettwein (1866-1940)

Dies ist ein von Fritz Gaerdes verfaßtes Porträt von Carl Schlettwein (1866-1940), das 1972 im S.W.A. Jahrbuch erschien.

Fritz Gaerdes

Nur in wenigen Menschen lebt heute noch die Erinnerung an das alte, harte Südwestafrika der Ochsenwagenzeit. Vergessen sind die Pioniere, die am Aufbau des Neulandes wirkten. Zu diesen Persönlichkeiten gehört Carl Schlettwein, der im wirtschaftlichen und politischen Leben Südwests eine wesentliche Rolle spielte. 1896 kam der Mecklenburger als landwirtschaftlicher Oberinspektor der Deutschen Kolonialgesellschaft nach Südwestafrika, um die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu untersuchen. Der Zug zur Weite lebte in der Familie. Ein Vetter von Carl Schlettwein war oberster Polizeibeamter in Kamerun; ein anderer wirkte als Oberrichter in Neu-Guinea. Zunächst gründete Carl Schlettwein an der Spitzkoppe eine Versuchsfarm mit Pferdezucht. Das von den glatten Felsen ablaufende Wasser wurde in einem Zementdamm gespeichert. Um die Jahrhundertwende verlegte Carl Schlettwein, der 1898 geheiratet hatte, seinen Wohnsitz in die Gegend von Zesfontein im Kaokoveld, wo er von den Topnarhottentotten 24000 ha Grund erwarb. Nach der warmen Quelle dort nannte er die Farm Warmquell, leitete das Wasser durch einen Viadukt auf gerodetes Land und baute mit Erfolg Weizen, Mais, Hirse, Tabak und Gemiise an. Was nicht von der kleinen Garnison der Feste in Zesfontein abgenommen wurde, brachte er durch die Khovaribschlucht nach dem 360 Kilometer entferntem Outjo. Viehzucht und Handel mit den Eingeborenen ergaben weitere Einnahmen. Der Ausbruch des Hereroaufstandes überraschte Carl Schlettwein im Veld. Er gelangte glücklich nach Outjo, wo auch seine Familie war. Auf einem epischen Treck mit drei Ochsenwagen brachte er Frauen und Kinder aus dem bedrohten Outjo nach Swakopmund, wo sie nach Deutschland eingeschifft wurden. Carl Schlettwein blieb im Lande und stellte sich als Landeskundiger der Schutztruppe zur Verfügung. Für seinen Einsatz im Kriege wurde er mit der „Verdienstmedaille fur Nichtkämpfer" und dem „Preussischen Verdienstkreuz fur Kriegshilfe" ausgezeichnet. Nach dem Kriege war er Vertreter der „Kaoko-Land-und Minengesellschaft", und erwarb die Farmen Otjitambi und Teschendorf. Neben Viehwirtschaft betrieb er auch Ackerbau und pflanzte einen Dattelpalmenhain in der Náhe einer warmen Quelle.

Seine Veröffentlichungen über die politischen und wirtschaftlichen Probleme des Landes fanden starke Beachtung. Neben Zeitungsartikeln erschien 1904 "Deutschlands bisherige Kolonialpolitik und die augenblicklichen Zustände in Deutsch-S.W.A." und 1905 „Der Hereroaufstand, was hat ihn veranlasst und was lehrt er uns?" 1907 kam das Buch "Der Farmer in Deutsch-Südwestafrika" heraus. Es zeigte Leuten, die hier farmen wollten, die finanziellen und wirtschaftlichen Probleme. Aus diesem wie aus dem folgenden Werk "Farmwirtschaftliche Probleme in Deutsch-S.W.A." zeigten sein nüchternes Urteil und seine Liebe zum Land. Wegen seiner Fähigkeiten und Kenntnisse wurde er 1906 zum Mitglied des ratgebenden Gouvernementstrat ernannt. Jahrelang war er der Vorsitzende des Farmervereins von Outjo, und als ein Vertreter der Farmerschaft wurde er 1910 in den ersten Landesrat von Südwestafrika berufen, wo er bald durch seine Zivilcourage und seinen Einsatz fur die Belange der Farmerschaft eine führende Rolle spielte.

Carl Schlettwein gehörte nicht zu den "Ja-sagern." Er schreckte vor einer Kritik an der Landesregieung nicht zurück und lehnte es ab, für seine Tätigkeit im Landesrat eine Bezahlung zu erhalten. Als sich nach dem Herero- und Hottentottenaufstand im Deutschen Reichstag heftiger Widerstand gegen die Kolonialpolitik des Reiches erhob, wurde Carl Schlettwein als Regierungs-Kommissar in die Budget-Kommission des Reichstages entsandt, wo er die Interessen der jungen Kolonie geschickt und energisch verfocht. Im folgenden Wahlkampf beteiligte er sich mit Zeitungsartikeln und Vorträgen und warb für den kolonialen Gedanken. Eine Audienz beim Deutschen Kaiser zeigte, daß man seinen Einsatz würdigte. (...)


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