Nachruf auf Prof. Dr. Henno Martin (1910-1998)

Nachruf auf Prof. Dr. Henno Martin (1910-1998) von Prof. Dr. Klaus Weber, Göttingen.

Nachruf auf Prof. Dr. Henno Martin (1910-1998) von Prof. Dr. Klaus Weber, Göttingen.

Nachruf auf Prof. Dr. Henno Martin (1910-1998): Prof. Dr. Klaus Weber (1936-2010) und seine Ehefrau, Prof. Dr. Mary Osborn © I. Gajewski

Nachruf auf Prof. Dr. Henno Martin (1910-1998): Prof. Dr. Klaus Weber (1936-2010) und seine Ehefrau, Prof. Dr. Mary Osborn © I. Gajewski

Der Geologe Prof. Dr. Klaus Weber (04.12.1936–18.10.2010) war bis 2002 Hochschullehrer an der Universität Göttingen und Kollege des verstorbenen Prof. Dr. Henno Martin, dessen Nachruf er verfasste.

Wir nehmen Abschied von Prof. Dr. Henno Martin, der nach einem erfüllten Leben im Alter von 87 Jahren von uns gegangen ist. Prof. Martin war von 1965 bis 1975 Ordinarius am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Göttingen und seit 1967 Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften. Von 1958 bis 1960 lehrte er als Professor an der Universität von Sao Paulo und war von 1962 bis 1965 Direktor der „Precambrian Research Unit" der Universität von Cape Town. Er erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen für seine wissenschaftliche Arbeit und war Ehrenmitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften. Zentrale Themen seines 1992 erschienenen Spätwerkes „Menschheit auf dem Prüfstand" sind die Wurzeln der Menschheit in der belebten Natur und die Verantwortung des Menschen für unsere Erde. Es dokumentiert seine tiefe Naturverbundenheit, die bereits sein Buch „Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste" als Leitfaden durchzieht. Seine eine große Liebe war Namibia, an diesem Land und seinen Menschen hing sein Herz. Wir trauern um einen bemerkenswerten Mann, dessen Absicht es niemals war, im Mittelpunkt zu stehen, der zweifellos selbstbewußt war und den Erfolg genießend, stets aber ohne Eitelkeit. Wie sein Gang: aufrecht - und federnd in jüngeren Jahren, ältere Namibianer können sich noch daran erinnern -, so war seine innere Haltung bis zu seinem Tode aufrecht und tolerant und seine äußere Haltung bewundernswert diszipliniert. Henno Martin war ein freier Mensch, der sich Pflichten auferlegte und zu diesen stand, der aber nicht einnehmbar war für irgendeine Sache, zu der er nicht stand, und auch nicht einnehmbar von irgendjemand, dem er sich nicht anvertrauen wollte. So entzog er sich der Naziherrschaft und ging nach Südwestafrika, in ein Land, in dem 1935 zu leben noch Pioniergeist, d.h. Bereitschaft zu Entbehrungen erforderte. Von 1940 bis 1942 entzog er sich der drohenden Internierung im damaligen südafrikanischen Mandatsgebiet, indem er sich zusammen mit seinem Freunde Hermann Korn zwei Jahre lang, die harten Entbehrungen eines Lebens am Rande der Namibwüste auferlegte. Er war frei und hat sich nur dem verpflichtet, was er für gut, wichtig und richtig hielt. Das tat er dann auch im ehemaligen Südwestafrika, im heutigen Namibia, indem er nach Wasser suchte in einem Land, das immer wieder von schweren Dürreperioden heimgesucht wird. Hier waren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Menschen in Regionen angesiedelt worden, in denen, wie bereits Henno Martin wußte, ein regelmäßiges Farmen nicht möglich ist. Aber die Menschen waren voller Gottvertrauen und meinten, „jetzt, da wir hier sind, wird es der Herr schon regnen lassen". Und da es der Herr nicht regnen ließ, jedenfalls nicht ausreichend, mußte der Geologe kommen. Und Dr. Martin, wie ihn die alten Farmer noch heute respektvoll nennen, kam, schaute sich um, setzte auch wissenschaftliche Meßgeräte ein und empfahl dann, hier oder dort zu bohren. Er hatte Erfolg, und das sprach sich herum. Manch einem Farmer zuliebe, der mehr an die Wünschelrute glaubte als an geologische Erfahrung, schwang er auch gelegentlich einmal die Wünschelrute, um ihm einen Bohrplatz schmackhaft zu machen, von dem Henno Martin überzeugt war, daß hier Wasser zu finden sei. So kannten ihn bald sehr viele Menschen im Lande, und der Kreis seiner Bewunderer nahm sprunghaft zu, als 1956 sein Buch, das seitdem zahlreiche Neuauflagen erlebt hat, erschienen war: „Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste". Nun lernten ihn auch viele jüngere Leute kennen, denn in vielen Schulen wurde dieses Buch ein Lesebuch für den deutschsprachigen Schulunterricht. Wer wie meine Kollegen und ich das Glück hatte, mit ihm durch das Land zu reisen, dem bleiben die Gastfreundschaft, die Herzlichkeit und die Achtung, die er erfuhr und an der wir in seiner Gesellschaft teilhaben durften, in bleibender Erinnerung. Unvergeßlich sind natürlich die Abende mit ihm am Lagerfeuer. Hier erwachte in dem großen Schweiger - auf einer längeren Schiffsreise hatten Passagiere Frau Martin wegen ihres stummen Mannes bemitleidet - sein Naturtalent als Erzähler. Er erzählte stets ruhig, ohne Übertreibung, aber voll stillem, oft hintergründigem Humor. Und es gab natürlich viel zu erzählen aus einer Zeit, als das Land nicht wie heute so weitgehend durch Farmzäune parzelliert war, als Giraffen noch, ungehindert von Telefonleitungen, durch die Steppe zogen und als Zebras in Herden von tausend und mehr Tieren noch in vielen Teilen des Landes lebten. Er wußte viel zu sagen. Er war für uns nicht nur eine schier unerschöpfliche Quelle geologischen Wissens über sein Land, Tiere und Pflanzen waren ihm ebenso vertraut, und er teilte sein Wissen mit, sobald man ihn nur darum bat. Nachdem ich nun seit vielen Jahren auf seinen Wegen durch das Land gehe, anfangs oft mit ihm gemeinsam, seit einigen Jahren ohne ihn, weil es seine Gesundheit nicht mehr erlaubte, merke ich, wie viele seiner Erfahrungen mein Bewußtsein beeinflussen, wie viele seiner Erlebnisse in meiner Erinnerung meine eigenen geworden sind, so daß, wenn ich heute meinen Studenten etwas aus dem alten Südwest erzähle, sich meine Erinnerungen fließend mit Hennos mischen. So bleibend sind die Eindrücke, die er mit seinem erzählerischen Talent hinterließ. Wenn er sprach wurde deutlich, wie er sich als ein Teil der Natur begriff, wie er sich in sie eingebunden fühlte, wissend, aus ihr zu kommen, und auch wissend, wieder in sie zurück zu gehen. Er lebt weiter in unserer Erinnerung und wird auch weiterleben im Bewußtsein und in der Erinnerung kommender Generationen, die sich für sein Werk interessieren. Und es werden sich Menschen noch lange für Henno Martin und sein Werk interessieren, weil sie dort auch Antworten finden auf Fragen über das Woher und Wohin des Menschen.

Anmerkung: Dieser Nachruf erschien 1998 im Verbandsmagazin der Deutsch-Namibischen Gesellschaft.

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