Vom Kap bis Kenia. Reisen im südlichen und östlichen Afrika

Ausgesprochen anspruchsvolle, hochinteressante Berichte entlang der Reiseroute
Werner, Edith
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€19.80 *

Autorin: Edith Werner
Wiesenburg Verlag
Schweinfurt, 2009
ISBN 978-3-940756-25-1
Kartoneinband, 15x22 cm, 400 Seiten


Beschreibung:

Ein Bauer im trockenen Buschland erwartet sehnlich den ausbleibenden Regen. Eine Mutter begleitet ihren Sohn durch die Initiationsriten am Rande von Kapstadt. Ein Daukapitän macht sein Schiff für die Fahrt nach Mombasa klar. Edith Werner stellt das alltägliche Leben in den Mittelpunkt ihrer Reiseeindrücke aus fünf Jahren in Afrika.

So entsteht eine Innenansicht vom neuen Südafrika nach dem Ende der Apartheid und vom südlichen Afrika im Kraftfeld des Schwerpunktlandes am Kap der Guten Hoffnung von Namibia bis Simbabwe. Erkundungen der afrikanischen Küstenländer am Indischen Ozean bis hinauf ins kenianische Lamu geben Einblick in eine faszinierende arabisch-indisch geprägte Mischkultur.


Inhalt:

Geleitwort
Vorwort der Autorin

Teil I - Südafrika
Stadt, Berg, Bucht - rund ums Kap der guten Hoffnung
Das platte Land ist überall - im Karoo
Settier Country, Xhosa-Land, Zulu-Land - am Ostkap und in KwaZulu-Natal
Alte und neue Minderheiten - von Griekwastad nach Orania
Zwischen Vaal und Limpopo - der Norden Südafrikas
Nahaufnahme: Frauenpower

Teil II - Südliches und östliches Afrika
Zwei Enklaven - Lesotho und Swaziland
Freundliche Halbwüsten - Namibia und Botswana
Der schwierige Nachbar oder ein Land im freien Fall - Simbabwe
Immer an der Küste entlang - Die Mischkulturen am Indischen Ozean
Matatu, Chapa, Dalla Dalla - Stadterkundungen in Tansania,
Kenia und Mosambik

Nachwort
Anhang
Anmerkungen
Glossar
Unterkünfte


Auszug: Alte und neue Minderheiten - von Griekwastad nach Orania

Sie könnten verschiedener nicht sein, die Griekwa, die in der Apartheidära als Farbige eingestuft wurden und die überzeugten Buren von Orania. Und doch haben sie etwas gemeinsam. Gegen alle Widerstände versuchten die Griekwa sich über 150 Jahre hinweg in kleinen, unabhängigen Republiken selbst zu organisieren.

Ähnliches wollen die Oranier heute. Gegenwärtig kämpfen beide Gruppen, die ehemaligen Bürger zweiter Klasse und die Nachkommen des früheren Herrenvolks, um ihr politisches und kulturelles Überleben.

Orania:

Orania, etwa 140 Kilometer nördlich von Philippolis, ist ein Unikum. Eine andere Gruppe von Verlierern der Geschichte wohnt hier. Der Ort wirkt rührend verzopft und handfest praktisch zugleich. Orania ist Endstation für in der Wolle gefärbte Buren, die sich den neuen Zeiten nicht anpassen wollen. In dies Homeland für Weiße führt der letzte Treck. Es ist eine rückwärts gewandte Utopie.

Eine Gruppe von Afrikanern um Theologieprofessor Carel Boshoff, Schwiegersohn von Hendrik Verwoerd, dem Architekten der Apartheidpolitik, hat in den frühen neunziger Jahren mit der neuen schwarzen Regierung ausgehandelt, dass sie 3.000 Hektar Land und eine leerstehende Siedlung direkt am Oranje südlich von Kimberley kaufen und dort eine Afrikanern vorbehaltene Gemeinde gründen dürfen.

Weil man ihnen hoheitliche Rechte nicht zugestehen wollte, wird Orania als privates Wirtschaftsunternehmen geführt, nennt sich aber Afrikaner Volksstaat. Für Verwaltungsakte und Rechtsprechung ist das nahe Hopetown zuständig. In Orania selbst gibt es ein garten-schuppengroßes Gefängnis, falls einer der drei örtlichen Polizeireservisten mal einen Betrunkenen einzubuchten hat. Seit 2004 gibt es auch eine eigene Währung, die Ora.

Wenn Leute aus Orania sich über ihre Stadtgrenzen hinaus bewegen, dann fahren sie in die Republik, wie sie das restliche Südafrika nennen. Die Hoffnung, Überzeugte aus dem ganzen Land nach Orania ziehen zu können, ist nicht aufgegangen. Rund 700 Menschen leben heute in Orania. Dennoch stößt man räumlich schon an Grenzen und verhandelt mit den umliegenden Gemeinden über Zukauf von Land.

Äußerlich unterscheidet sich die kleine Stadt nicht viel von anderen Orten auf dem platten Land. Wir müssen an keinem Schlagbaum halten und werden nirgendwo kontrolliert. Ein paar Unterschiede fallen allerdings gleich ins Auge. Die ganze Siedlung wirkt gepflegt und sauber, dabei eher schlicht. Es gibt weder ein Reichen-noch ein Armenviertel, vor allem keine location für Farbige und
Schwarze.

An der Tankstelle werden wir von Weißen bedient, undenkbar im übrigen Südafrika. In jedem südafrikanischen Zeitungsbericht über Orania wird deshalb auch mit ungläubigem Staunen vermerkt, dass alle Arbeiten von Weißen verrichtet werden. Was mir als Europäerin selbstverständlich ist, gilt hier als ungewöhnlich. Das wirft nicht so sehr ein Schlaglicht auf die Seltsamkeiten von Orania wie auf die immer noch recht festgefahrene gesellschaftliche Situation im übrigen Südafrika.

In Orania gibt es keine großen Gärten mit Elektrozäunen und hohen Mauern. Ein paar Kinder spielen auf der Straße. Auch das Selbstverständlichkeiten in anderen Weltgegenden, hier aber die auffällige Ausnahme. Vor dem Gemeindehaus stehen ein paar Kinderfahrräder unabgeschlossen. Daneben ist das öffentliche Schwimmbad, aus dem gerade einige Jugendliche kommen. Kaum jemand aus den besseren Vororten Kapstadts oder Johannesburgs käme wohl auf die Idee, ein öffentliches Schwimmbad aufzusuchen, denn man hat seinen eigenen Pool, versteckt hinter hohen Gartenmauern.

Wer über südafrikanische Vorstädte fliegt, wähnt sich in Kalifornien. Überall leuchten die intensiv blauen Vierecke der Pools, außer natürlich in den Townships. Die Nachdenklicheren verfolgen das Schwinden des öffentlichen Raumes zugunsten von Shopping Mails und Wohnkomplexen nebst eigenen Sicherheitsanlagen und Wachleuten mit Sorge. Mir scheint - in den Grenzen des Volksstaats - findet in Orania mehr Öffentlichkeit statt, als sonst in Südafrika.

Wir steuern zuerst unser B&B an, das Orania Gastehuis. Hier kann ich mein Afrikaans an Mann und Frau bringen, denn auch sprachlich ist Orania Afrikanerland. Wir werden erst freundlich-aufmerksam von der jungen Angestellten Natascha in Empfang genommen und in die gute Stube gebeten. Ich fühle mich in einer Zeitmaschine zurück in die fünfziger Jahre versetzt. An den Wänden Portraits der fünf würdigen, bärtigen Präsidenten des Oranje Freistaats und Cartoons von Höhepunkten der Burengeschichte.

Paul Krüger mit steifem schwarzem Hut darf nicht fehlen. Dazwischen Familienbilder, gerahmte fromme Sprüche und Stickereien mit holländischen Motiven. Die Begeisterung für nostalgische Fotodekoration teilen die Oranier mit ihren Landsleuten in der Republik, ob schwarz oder weiß. Kaum ein Haus habe ich betreten, in dem nicht die Vorfahren, je nach Herkommen, in schmucker britischer Army-Uniform, im dunklen Burenbratenrock oder im farbenprächtigen Xhosa-Gewand, einen Ehrenplatz einnahmen.

Das Abendessen serviert man uns an einem schweren alten Holztisch mit einem Teppich darauf, ganz wie auf alten holländischen Bildern. Hausfrau Alma und ihr Mann Rees bedienen uns selbst, mit rührender Aufmerksamkeit. Rees ist zuerst vorsichtig. Als wir unser Interesse bekunden, erzählt er aber bereitwillig vom Orania-Projekt. Er leitet seine Erläuterungen mit der eher melancholisch als militant klingenden Feststellung ein:

Wir haben alles verloren, unseren Glauben, unsere Kultur, unsere Sprache - und unsere Privilegien, ergänze ich bei mir. Rees war einige Jahre Vorsitzender der maatskappy, der Managementgesellschaft Oranias. Jetzt leitet er die Baugesellschaft. Er zeigt uns die brandneuen Geldscheine des Ora mit ihren nostalgisch-biedermeierlichen Motiven. Alle Anklänge an kriegerische Auseinandersetzungen und Machtsymbolik wurden peinlichst vermieden. Dieses gebrannte Kind scheut das Feuer deutlich.

Man will nirgendwo mehr Anstoß erregen, als es wegen des blütenweißen Siedlungskonzepts ohnehin der Fall ist. Die Beschäftigten werden in Ora entlohnt. Die Ora ist an den Rand gebunden Um die neue Währung zu propagieren und um Geld im Ort zu halten, bekommen Kunden, die in den zwei Geschäften von Orania und an der Tankstelle mit Ora bezahlen, einen Abschlag.

Am nächsten Tag holt uns Riekie de Jager zur Ortsbesichtigung ab und fährt uns fast drei Stunden herum. Sie ist von Orania überzeugt, das aber auf unaufdringliche Weise. Nur am Schluss drückt sie uns eine Broschüre des Freundeskreises in die Hand und fragt, ob sie uns in ein paar Wochen anrufen dürfe, um zu hören, ob wir den Verein unterstützen möchten.

Wer in die Orania-Siedlungsgemeinschaft aufgenommen werden will, muss einen schriftlichen Antrag stellen und vor einer Kommission zu einem Gespräch erscheinen. Nur wer sich selbst ernähren kann oder wem Orania einen Arbeitsplatz anbietet, wird nach einer Probezeit aufgenommen. Man wolle keine Arbeitslosigkeit produzieren. Obwohl Riekie immer wieder betont, sie seien keine Rassisten, spielen für die Aufnahme die richtige Gesinnung und Pigmentierung zweifellos eine Rolle.

Zuerst geht es zum Gemeinschaftssaal, einem soliden, recht schmucklosen Zweckbau, vor dem ein seltsames Denkmal prangt, eine der Doppelhelix nicht unähnliche Skulptur. Es ist die koeksister, das Gebäck das auf keinem ländlichen Fest Südafrikas fehlen darf. Das Denkmal steht, so erfahren wir, für den Beitrag der Frauen zum Aufbau des Landes. [...]