Geliebt, gejagt und unvergessen

Dieser bezaubernde Ostafrika-Roman wurde sofort nach Erscheinen zu einem der erfolgreichsten Bücher seiner Zeit und erregte bald weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen und Anteilnahme.
Krieger, Arnold
02-0010
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€7.00 *

Bertelsmann-Verlag
Gütersloh, o. J.
Originalkartoneinband, 12x19 cm, 508 Seiten


Zustand:

3. Ordentlich. Mit Gebrauchsspuren. Preiswertes Leseexemplar.


Inhalt:

Dieser bezaubernde Ostafrika-Roman wurde sofort nach Erscheinen zu einem der erfolgreichsten Bücher seiner Zeit und erregte bald weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen und Anteilnahme.

"Die Jagd bewegt sich mit Geschrei dem Flusse zu. Gräser flattern fahlbraun im rötlichen Grund. Es gelingt Liza, sich zu verbergen. Auf schwarzen Füßen naht Gelächter, wirres Getrampel. Sie suchen das Mädchen. Liza duckt sich tiefer. Und auch sie lacht, geschlossenen Mundes, nur mit den oberen Zähnen. Die graben sich ein, wölben die Lippe auf. Was wollen die andern ? Sie totkitzeln?

Das klopfende Leben in ihrer Brust hüpft wie das eines Turako, wenn ihn auf seinem Flug der Regen überrascht, ihn überrauscht, und er muß bangen, daß ihm nicht alles Rot von den Feldern wegschwimme, trag - in gelblicher Pfütze - das erblassende Rot. Aber noch ist der Regen nicht da. Nur die Regenzeit hat angefangen. Gestern kam es, breit gießend, Wasserfall neben Wasserfall.

Keine Stunde, und es war verströmt, heute morgen alles weg -auf getrunken. Kein Regen schlug mehr, die Sonne stach wieder, und jetzt wollen sie im Fluß baden, alle oder doch die meisten. Sie haben auf den Feldern des Herrn Abedi gearbeitet. Das dunkelhäutige Antlitz Lizas verdüstert sich. Nicht für lange. Sie schickt ihre Augen zum Fluß voraus. Er ist tief eingeschnitten, nur an dem Laub der Bäume zu erkennen, die seiner Windung folgen.

Da kommen die Bibis, das Getrappel der schwarzen Füße mit hellen Sohlen. Sie nennen sich schon Bibis, auch solche, die weniger Jahre haben als das Jahr Monde. Eine hat sich das Schamtüchlein weggezogen und läßt es beim Lauf in der Luft wehen. Die andern tun es ihr nach, werfen die Hände hoch, rufen den Namen, Ton und Gesicht verziehend. Wo versteckt sie sich? He, Liza, zeig dich doch! Angst! Vor uns Angst?

Liza springt auf, wird umringt. Die große Majimbi, die noch ihr Weißes umhat, greift Lizas Schultern an, will mit ihr wirbeln, bekommt einen Zweifingerhieb auf den Oberarm, und alles läuft weiter, dem Flusse entgegen, dem weißen Kikuletwa zu, der ein lichtblaues Wasser hat zum Unterschied von dem schwarzgrünen Kikuletwa der großen Steppe Angadongischu, wo es Zebras gibt, die sich mit den Köpfen prügeln, und prustende Antilopen. »Ja, die Djämälas«, sagt eine, »die tun nichts als mit dem Mund zittern und trinken niemals.« »Aber wenn sie doch Durst haben?« »Sie trinken kein Wasser.«

»Dann müssen sie eintrocknen, und das klopfende Leben steht still.«
»Nein, sie springen und sind feucht an Lippe und Euter. Sie trinken kein Wasser, weil es keine Flüsse gibt, sie trinken und leben.« Plötzlich sind alle verstummt. Eine hat gesagt, daß Herr Abedi heute in der Nähe ihres Lagers gesichtet worden sei. Herr Abedi wohnt weit weg von hier, bei Tanga. Er kommt nur selten einmal nach Thamani. Ihm gehören viele Pflanzungen, sei es an der Küste, sei es im Innern. »Und er ist wirklich hier?«
»Nicht bei uns in Thamani. Aber doch in der Nähe. Simon hat es von Hussein gehört.«

Jetzt gehen ihre Stimmen kraus durcheinander. Ob er wieder auf seinem hochnäsigen Maskatesel hergereist sei? Gewiß! Ach, und darum sollten sie heute nicht bis Sonnenuntergang ackern, sondern alle baden gehen oder doch die meisten? Sie stoßen geschmeichelt die Luft durch die Nase. Eine betrachtet insgeheim die andere. Sie hören das sachte Rauschen der Strömung. Hier in der Nähe des Wassers ist die Erde noch dürrer. Bald aber gibt es rote Wildblumen. Die Zwiebeln sind schon geschwollen. »Daß du mir vorsichtig bist!« sagt die große starke Majimbi zu Liza.

Sie trappeln die Senke hinunter. Manchmal rutscht eine, hält sich an der Gestalt ihrer Vorgängerin. Sie lugen um sich, heben die Füße, strecken den Ballen vor, tunken ein, gehen schlurfend, frösteln fröhlich. Die eine stelzt noch, während sich die andere fallen läßt mit dreistem Klatsch. Vögel sind kaum zu sehen, nur weiße Reiher von fern. Und Fische? Hier und da eine Barbe mit blitzenden Flossen.
Sie äugen zur Sandbank. - Nein, nichts.

Majimbi behält Liza scharf in naher Sicht. Einmal ruft sie ihre Warnung, fast böse. Ja, sie verlegt ihr den Weg. »Ich gehöre Herrn Abedi«, sagt Liza, »und nicht dir!« »Du weißt, Knösplein, es ist gefährlich.«
»Und die Djämälas«, nimmt eine wieder auf, »sie müssen doch trinken, wenigstens einmal im Monat, bitte, bitte. Wovon sind die Lippen sonst feucht und die Euter?«
»Sie trinken jeden Morgen, aber nie aus einem Fluß!«
»Aus einem See?«
»Nie aus einem See!«
»Aus einem Tümpel?«
»Nie aus einem Tümpel!«
»Was trinken sie denn nur?«
»Sie trinken die Tränen der Nacht, von den Borsten der dicken Gräser.«

»Du bist aber keine Djämäla«, sagt eine zu der Sprecherin, »wenn du durstig bist, säufst du wie eine Kalebasse, die am andern Ende ein großes Loch hat.«
Die Mädchen können nicht liegen, sondern nur schräg sitzen. Die Sonne gibt einen Goldton auf das schwarze Braun ihrer Leiber. Der wolkenlose Himmel aber beschenkt ihre Haut mit dunkelblauen Wischern.
»Ich weiß auch ein Rätsel«, sagt eine. »Es lacht viel und nennt sich doch Bibi Traurig.«

»Das ist Liza«, geben sie wie aus einem Munde Bescheid.
»Ich lache aber nicht!« ruft das Mädchen aus und muß doch lachen.
Dann zuckt es um ihre Lippen.

Majimbi sieht verlegen auf ihre großen Zehen. Bei ihr ist auch die kleine Zehe eine große Zehe. Majimbi hat es vor zwei Jahren aufgebracht, daß dieses Mädchen Liza heißen müsse. » . . . denn sie bringt einen, ob man will oder nicht, zum Weinen.« Das bedeutet ja in der Küstensprache das Wort Liza. Man spricht es weich, ohne Schärfe.

Als die Zehnjährige ankam, halb verhungert, von dem weiten Marsch ausgehöhlt und verängstigt, da hieß das Kind in der Mundart der Heimat noch >Nkani<, das ist >Befehl<, denn das schwarze Persönchen hatte schon bei Mutter und Vater herumbefohlen, im Wanjakimbuland, und so von früh an Nkani geheißen. In ihrem Munde ist kaum noch etwas von jener Mundart. Alle sehen auf Liza. [...]

Arnold Krieger, Sohn eines Mittelschulrektors, wurde am 1.12.1904 in Dirschau/Weichsel geboren und wuchs in Thorn auf. Er studierte in Greifswald, Göttingen und Berlin Philologie. Nach dem zweiten Weltkrieg hielt er sich lange im Ausland auf, vor allem in Afrika. Er starb am 9.8.1965 in Frankfurt a. Main.

Kriegers umfangreiches literarisches Schaffen machte ihn als Dramatiker und Lyriker ebenso wie als Romancier bekannt. Sein erstes Schauspiel >Opfernacht< wurde 1927 in Stettin uraufgeführt. Der umfassendste Gedichtband >Reichtum der Armen< erschien 1958. Führende Dichter und Kritiker seiner Zeit sahen durch ihn eine neue Epoche der deutschen Lyrik eingeleitet. Sein Prosawerk zeigt ihn als Zeitkritiker mit humanitären Idealen. Am bekanntesten wurde sein Afrikawerk, begonnen mit >Mann ohne Volk<, einer Geschichte aus dem Burenkrieg.

Er führte es weiter in dem Roman >Der dunkle Orden< und vollendete es mit seinem erfolgreichsten Titel >Geliebt, gejagt und unvergessene Ein europäisches Gegenstück zu dieser Afrika-Passion ist sein Roman >Hilf uns leben, Cordula< (1958). Sein Buch >Der Kuckuck und die Zerreißprobe< (1963) gilt als sein sprachlich kühnstes Werk. In ihm wird die Tragödie zweier Jugendlicher gesellschaftskritisch durchleuchtet. Im Jahre 1967 wurde der >Freundeskreis Arnold Kriegen in Darmstadt gegründet.