Rassismus, Vorurteile, Kommunikation

Afrikanisch-europäische Begegnung in Hamburg
Dettmar, Erika
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Untertitel: Afrikanisch-europäische Begegnung in Hamburg
Autorin: Erika Dettmar
Reihe: Veröffentlichungen des Instituts für Volkskunde der Universität Hamburg, Band 4
Dietrich Reimer Verlag
Berlin; Hamburg, 1989
Broschur, 13x20 cm, 427 Seiten, 4 Grafiken


Verlagsankündigung:

"Der Neger ist nicht. Ebensowenig der Weiße."
(Frantz Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken)

Auf der Grundlage von mehr als 100 Interviews mit Afrikanern und Deutschen zeigt dieses Buch den dialektischen Prozeß der Begegnung zwischen dem »Fremden« und dem »Eigenen« in einer deutschen Großstadt. Welche Vorurteile dabei auf beiden Seiten wirksam werden, wie sie sich im Verlauf des interkulturellen Dialogs verändern und wo ihre historischen und alltäglichen Ursachen liegen, das stellt die Autorin in ihrer differenzierten und methodisch vorbildlichen Analyse dar. Den theoretischen Rahmen bildet eine kritische Sichtung der wissenschaftlichen Vorurteilsforschung.


Aus der Einleitung:

Die Beschäftigung mit der Vorurteilsforschung ist für die Ethnologie eine Aufgabe, die sie sich selbst als Resultat ihrer eigenen wissenschaftlichen Entwicklung stellt. So hat sich in der Ethnologie nach und nach die Meinung herausgebildet, daß der ethnologische Forschungsprozess selbst einen Prozess der interkulturellen Kommunikation darstellt, bei dem der Forscher einerseits Gefahr läuft, eigene kulturelle Vorannahmen unbewußt zu übertragen, andererseits aber auch die Möglichkeit erhält, sie zu erkennen.

Außerdem ist die Beschäftigung mit Vorurteilen eine dringende Forschungsaufgabe, die sich aus den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ergibt. In einer Zeit, in der wirtschaftliche und technische Entwicklung das Zusammenleben von Menschen unterschied-licher Kulturen auf einem gemeinsamen Territorium geradezu erzwingen, stehen einem solchen Zusammenleben gleichzeitig Einstellungen entgegen, die es erschweren oder unmöglich machen. Diese Einstellungen sind einerseits Relikte der historischen Konfrontationen, andererseits werden sie aber auch tagtäglich aufs neue produziert. Die vorliegende Arbeit stellt sich daher die Aufgabe, Vorurteile, wie sie in der interkulturellen Kommunikation auftreten, zu untersuchen. Ihre Identifikation und Analyse wird als eine wichtige Voraussetzung für ein von Vorurteilen möglichst befreites interkulturelles Verstehen angesehen.

Sie fragt insbesondere nach den Vorurteilen, die in der Kommunikation zwischen schwarzen Afrikanern und weißen Europäern auftreten. Sie sucht nach ihren Ursachen, sowie nach den Möglichkei-ten ihrer Reflexion in der Kommunikation, bzw. den Faktoren, die eine solche Reflexion verhindern. Vorurteile bzw. "soziale Kategorisierungen" werden in der vorliegenden Arbeit als Elemente der Kultur angesehen. Das kulturelle Werte- und Normensystem schreibt den Menschen vor, zu welchen Gruppen sie sich zugehörig fühlen und welche Personen sie als Mitglieder einer "fremden" Gruppe empfinden. Diese Gruppenidentitäten sind relativ - ein Mensch kann sich mit einer Reihe von Gruppen identifizieren.

Wie sie sich im Bewußtsein zueinander verhalten und wie sie charakterisiert und bewertet werden, hängt vor allem von den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen ab, in denen sich die Gruppen zueinander verhalten oder in der Vergangenheit verhalten haben. Subjektive Gruppenidentitäten haben immer eine "objektive" Basis in den historischen und/oder aktuellen ökonomischen und politischen Gruppen-verhältnissen oder Klassen. Die Untersuchung der Kommunikation zwischen "Afrikanern" und "Europäern", der darin zum Ausdruck kommenden subjektiven Einstellungen und die Analyse ihrer objektiven Grundlagen ergibt sich aus diesem theoretischen Ansatz.

Menschen nehmen sich in ihrem Kontakt miteinander zunächst als "Europäer" und "Afrikaner", bzw. als "Schwarze" und "Weiße" wahr. Diese Arbeit fragt, welche Einstellungen und Verhaltensweisen mit diesen Identifikationen verbunden sind und welche historischen und ökonomisch/politischen Verhältnisse dahinter zu suchen sind, ferner welche sozialpsychologischen Konsequenzen die Begegnung für die Beteiligten selbst hat, inwieweit sie dazu gebracht werden, ihre Einstellungen bestärkt zu finden, bzw. sie in Frage zu stellen und nach ihren Hintergründen zu suchen.

Bei den Vorurteilen zwischen Afrikanern und Europäern begegnen wir insbesondere solchen, die sich aus dem Rassismus ergeben. Der Rassismus, d.h. die soziale Kategorisierung und Bewertung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe und anderer biologischer Merkmale, wird in dieser Arbeit sowohl als ein historisch bedingtes, als auch als ein ideologisches Phänomen in der europäischen Kultur angesehen. Als Ideologie hatte der Rassismus insbesondere in der Kolonialzeit die Funktion, kulturell unterschiedliche Menschengruppen zu übergeordneten Gruppen zusammenzufassen und deren jeweilige Machtposition in der kolonialen Situation zu definieren und zu verewigen. Eine solche Funktion scheint der Rassismus noch heute im Kontext der internationalen Machtbeziehungen zu besitzen (vgl. Tinker 1977; Gladwin 1980). [...]